Parken wird zum ProblemUngebremste Nachfrage – Lastenräder in Köln immer beliebter

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Lastenräder sind besonders in den Innenstädten immer öfter zu sehen.

Lastenräder sind besonders in den Innenstädten immer öfter zu sehen.

Köln – Wenn Installateur Markus Rolfes durchs Veedel kurvt, hat er seit einem Jahr keine Probleme mehr mit der lästigen Parkplatzsuche: „Unsere Kunden leben sowieso zum größten Teil in Ehrenfeld. Seit wir das Lastenrad nutzen, sind wir schneller da. Und klimafreundlicher allemal. Einen Parkplatz findet man so auch problemlos.“ Eigentlich hatte der selbstständige Handwerker, als er das Förderprogramm der Stadt sah, nur an einen Mitarbeiter ohne Führerschein gedacht, den er damit ausstatten wollte. Aber inzwischen ist das von der Stadt bezuschusste Elektro-Lastenrad, das in der Garage in der Steckdose betankt wird, sein begehrtestes Pferd im Stall.

Handwerkszeug, sperrige Einkäufe, Kinder, Hunde oder studentische Umzüge: Das Lastenrad ist in Köln als urbaner, nachhaltiger Autoersatz auf dem Vormarsch und so etwas wie ein Symbolträger der Verkehrswende geworden. Köln schickt sich an, so etwas wie die inoffizielle Hauptstadt der Lastenräder zu werden – mit Initiativen, die auch für andere Städte zum Vorbild wurden.

Fördertopf von 500.000 Euro

So ist das von der Stadt aufgelegte Lastenradförderprogramm ein Erfolgsprojekt: Als in diesem Monat zum dritten Mal die Förderung ausgeschrieben wurde, war der Fördertopf von 500.000 Euro wieder innerhalb eines Tages ausgeschöpft. Die Stadt konnte sich vor Anfragen kaum retten. So war das auch schon bei den zwei vorherigen Malen 2019 und 2020. Knapp drei Millionen Euro hat die Stadt damit investiert, um Anreize für einen emissionsfreien Warentransport zu setzen. Das entspricht 1400 Lastenrädern. Die Förderung beträgt 50 Prozent des Kaufpreises begrenzt auf maximal 2500 Euro.

Nicht nur Städte wie München und Erlangen zogen nach, auch Düsseldorf will mit exakt dem Kölner Programm im Juni starten. Die ungebremste Nachfrage belege das „große Potenzial für Verlagerungseffekte beim Warentransport“, sagte Verkehrsdezernentin Andrea Blome. Antragsberechtigt waren drei Gruppen: Kleinunternehmen sowie Selbstständige und Freiberufler mit Firmensitz in Köln, Vereine und Verbände sowie Hausgemeinschaften von mindestens drei Haushalten.

Projekt „Kasimir – dein Lastenrad“

Giovanni Navichoc, seine Frau Suse und die drei Kinder wurden von zwei befreundeten Familien angesprochen. Sie haben schon bei der ersten Ausschreibung der Stadt vor zwei Jahren als Hausgemeinschaft zugeschlagen und machen seither alle Einkäufe inklusive Getränke damit. Selbst zum Abholen der 15-jährige Tochter von Partys nutzt Navichoc das Gefährt gelegentlich. „Das ist dann aber schon echt sportlich“, meint er. Die Familien regeln die Nutzung mit einer Kalender-App, in die jeder einträgt, wann er das Gefährt braucht. Ein für alle zugänglicher Briefkasten ist Abladeort für das Ladegerät. „Wir nutzen das Auto, das wir uns auch mit den drei Familien teilen, dadurch viel weniger. In der Stadt gar nicht mehr.“

In Köln ruht das Konzept Lastenrad aber nicht nur auf gefördertem Privatbesitz, sondern auf zwei weiteren Säulen: Seit 2020 können sich die Kölner im Zuge des Projekts „Kasimir – dein Lastenrad“ an den Kölner Bürgerzentren auch kostenlos ein Lastenrad ausleihen: Neun verschiedene von der Stadt finanzierte Modelle mit Namen wie Möhrchen, Lola und Minnie stehen zur Verfügung und können über die Internetplattform von kasimir.lastenrad.de gebucht werden: Es gibt Modelle, die für den Studentenumzug oder den Ikea-Einkauf gebucht werden, aber auch ein Modell für bis zu vier Kinder oder sogar ein Lastenrad, in dem Rollstuhlfahrer transportiert werden können. Die Initiatoren möchten mit Lastenrädern als Gemeingut die Menschen für diese nachhaltige Form der Mobilität begeistern. Ziel ist, dass sich immer mehr Nachbarschaften ein Transportrad kaufen und miteinander teilen. Auch dieser gemeinnützige Ansatz von Kasimir ist Vorbild für ähnliche Verleihsystem in anderen deutschen Städten geworden.

3000 Kölner sind Kunden von „Donkee“

Die dritte Säule in Köln ist der erste und nach eigenen Angaben größte deutsche Lastenräderverleih: Das Kölner Unternehmen „Donkee“ gehört zu einer Tochter des grünen Energieversorgers Naturstrom und hat im vergangenen Jahr wegen der starken Nachfrage weiter expandiert. Inzwischen stehen 60 Elektro-Räder mit Kofferraum bereit. Die Fahrzeuge sind stationsgebunden und können per App freigeschaltet und abgeschlossen werden. 3000 Kölner sind derzeit bereits als Kunden registriert und haben ihrer Stadt damit laut Donkee etwa 3,7 Tonnen CO2 erspart. Tendenz stark steigend. Die Haupt-Zielgruppe sind junge, umweltbewusste Familien ohne eigenes Auto, nah an der Innenstadt. In der Corona-Krise sind auch viele Einzelhändler hinzugekommen, die etwa als Buchhändler die online georderte Ware ausgefahren haben.

Wie überhaupt auch der stationäre Handel die Lastenräder entdeckt hat, um den verstopften Straßen und Parkplatzproblemen zu entkommen. So testet etwa Rewe seit einem Jahr in Köln als Pilotprojekt den Lieferservice per Lastenrad. 40 000 gestrampelte Kilometer sind so nach Unternehmensangaben in einem Jahr zusammengekommen. Jeweils mehr als ein Dutzend Einkäufe finden in dem geräumigen Rad Platz. Das Experiment ist gelungen und wird jetzt auch auf Berlin und Hamburg ausgedehnt. Auch die AWB teste E-Bikes als Lastenräder in Grünanlagen, etwa um Hundekotbehälter nachzufüllen oder Abfälle zu entsorgen.

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Der Logistik-Professor Ralf Bogdanski von der TH Nürnberg hat ermittelt, dass Lastenräder bei den Paketen bis 30 Prozent des Sendungsaufkommens ersetzen könnten und perspektivisch ein wichtiger Schritt weg vom motorisierten Individualverkehr seien. Es klingt wie ein Traum von urbaner Mobilität: Emissions- und führerscheinfrei, ohne Spritkosten auf dem Fahrradweg am Autostau vorbei düsen und direkt am Ziel parken. Aber es gibt auch Wermutstropfen: Zum einen sind da die für die voluminöseren Gefährte viel zu schmalen Kölner Radwege, die das Navigieren zur Herausforderung machen.

Zum anderen wird angesichts der immer größeren Lastenräderflotte das Parken zum Problem. Vor so mancher Kita herrscht morgens schon jetzt Lastenrad-Chaos, wenn die Kleinen gebracht werden. Wer Lastenräder fördert, müsse auch parallel entsprechend Auto-Parkplätze in Abstellflächen umwandeln, fordert die Ratsgruppe GUT, auf deren Initiative das Lastenradprogramm maßgeblich zurückgeht. Auf einen Autoparkplatz passen mindestens drei Lastenräder. Ein Anfang ist gemacht: 2020 wurden die ersten Lastenradparkplätze von der Stadt geschaffen. 50 weitere sollen in diesem Jahr in der Innenstadt folgen.

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