Terrorverdacht in KölnTimo R. drohte seinem Vater mit dem Tod

Lesezeit 4 Minuten
Polizei Köln

Die Polizei hat am Donnerstag in der Straße Hohe Pforte in der Innenstadt eine Razzia gegen mutmaßliche Islamisten durchgeführt. 

  • Am Tag nach der Razzia gegen mutmaßliche islamistische Gefährder in Düren und Köln sind neue Details über die Männer bekannt geworden.
  • Die Polizei war in hohem Maße alarmiert.

Köln – Einen Tag nach der Festnahme zweier islamistischer Gefährder treten immer mehr Details zu Tage. Wie Arrest-Beschlüsse der Justiz nahe legen, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen, gehen die Staatsschützer davon aus, dass der Berliner Hassprediger Wael C. „konkret einen Märtyrertod durch einen terroristischen Anschlag in den nächsten Tagen, Wochen“ plante. In seinem Mitstreiter, dem Dürener Konvertiten Timo R., habe er „einen Bruder im Geiste“ gefunden, der Gleiches bereits mehrfach glaubhaft angekündigt hätte.

Bei ihrer Einschätzung stützen sich die Ermittler auf mehrere, bisher unbekannte Indizien. Seit Jahren bewegt sich der 30-jährige Deutsch-Libanese Wael C. demnach in den Hardcore-Islamistenzirkeln. In den Jahren 2013 und 2014 versuchte er vergeblich, nach Syrien auszureisen, um sich der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) anzuschließen. Die Behörden ermittelten gegen C. und setzen ihn zeitweilig in Untersuchungshaft.

Häufig besuchte der Gefährder Veteranen des Terrornetzwerks Al-Qaida, die zum Beispiel im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet an Waffen und dem Bau von Bomben ausgebildet wurden. Zeitweilig versuchte sich der Eiferer als führender Imam in der Berliner Radikalenszene zu etablieren. 2016 avancierte er zum Vorsteher der Berliner Fussilet-Moschee, einer Islamistenhochburg, in der auch der Lkw-Attentäter Anis Amri verkehrte.

Alles zum Thema Polizei Köln

Wael C. zunehmend frustriert

Das Verbot des Moscheevereins habe für zusätzliche Verbitterung bei ihm gesorgt, konstatieren die Strafverfolger. Aus seiner Gesinnung soll Wael C. nie einen Hehl gemacht haben: Offen gab er sich als Mitglied der IS-Terrorgarden aus und befürwortete, die Ungläubigen zu enthaupten. Auf der islamistischen Gefährderliste stand C. weit oben. Deshalb wurden seine Telefonate auch abgehört.

Am 14. Juli schilderte der aus Berlin nach Düren umgezogene Trockenbauunternehmer seiner Frau in einem Telefonat seinen Frust. Er habe keine Geduld (Sabr) mehr, seinen Einzug in die siebte und höchste Stufe des Paradieses abzuwarten, gestand der militante Islamist mit dem Kampfnamen „Abu Qudama al-Faruq“. Islamwissenschaftler deuteten dies als Synonym auf ein geplantes Selbstmordattentat – zumal Wael C. mit seinen radikalen Glaubensbrüdern auf der Hohe Pforte im Herzen Kölns auf einer Baustelle arbeitete.

Der Bauleiter gab zu Protokoll, dass er sich gewundert habe, warum die Kolonne eine Woche für Arbeiten gebraucht habe, die eigentlich nur zwei Tage andauern würden. Das sei merkwürdig gewesen. Die Durchsuchung der Baustelle durch die Polizei am Donnerstag erbrachte jedoch keinerlei Hinweise auf einen Anschlag.

Das könnte Sie auch interessieren:

Als der selbsternannte Berliner Imam bei seinem jungen Glaubensbruder Timo R. in Düren einzog, fürchteten die Sicherheitsbehörden jedoch das Schlimmste: Da saßen plötzlich zwei Top-Gefährder zusammen, und heckten womöglich einen Terror-Plot aus.

Erschwerend hinzu kommt, dass der 21-jährige Timo R., der südkoreanische Wurzeln hat, nach Einschätzung der Terrorfahnder einer tickenden Zeitbombe gleicht. Auch R. trat bereits strafrechtlich in Erscheinung. Bei dem Konvertiten fanden sich nach Recherchen dieser Zeitung in der Vergangenheit Pistolen, Messer und ein Samuraischwert sowie eine Flagge mit dem Glaubensbekenntnis zum Islam, wie es meist nur bei radikal-islamischen Salafisten üblich ist.

Zudem soll der deutsche Extremist Andersgläubige wie seinem Vater mit dem Tode bedroht haben. Die beiden Hauptakteure sollen nun laut Verfügung des Amtsgerichts Düren bis zum 31. Juli im Zuge der Gefahrenabwehr im Polizeigewahrsam bleiben. Für einen dritten Mitstreiter (20) aus Düren setzte ein Richter eine Gewahrsamsdauer von maximal zehn Tagen fest. Ein vierter Dürener (22) sowie zwei auf der Baustelle vorläufig in Gewahrsam genommene Bekannte von Wael C. sind dagegen wieder auf freiem Fuß.

„Absurde Verdachtslage“

Michael Murat Sertsöz, Verteidiger von Wael C., spricht indes von „einer absurden Verdachtslage“. Sein Mandant habe seiner Frau einzig einen Traum geschildert, in dem er die letzte Stufe des Paradieses erklimmen wolle. „Er sitzt völlig zu Unrecht im Polizeigewahrsam, es gibt auch keine weiteren Hinweise auf etwaige Anschlagspläne, das Ganze ist eine Farce.“ Sertzös fordert die Sicherheitsbehörden auf, „meinen Klienten umgehend freizulassen“. Unterdessen hat das Landeskriminalamt eine Flüssigkeit untersucht, die die Polizei bei der Durchsuchung der Dürener Wohngemeinschaft von Wael C. und Timo R. sichergestellt hatte. „Es handelt sich um einen unbedenklichen Stoff“, so ein Polizeisprecher.

Timo R. ist bei dem Zugriff durch ein Spezialeinsatzkommando indes offenbar ernster verletzt worden als zunächst angenommen. Staatsschutz-Leiter Michael Esser von der Kölner Polizei hatte noch am Donnerstag von einer „Berührung“ eines Polizisten mit R. berichtet. Am Freitag erklärte ein Polizeisprecher: Entgegen einer ersten ärztlichen Diagnose habe der 21-Jährige nun offenbar doch eine Verletzung davon getragen. Timo R. befinde sich derzeit unter Bewachung in einer Klinik.

Bis die Ermittler die mehr als 20 Mobiltelefone, drei Laptops, einen Router und eine externe Festplatte ausgewertet haben, die bei den Durchsuchungen der sieben Wohnungen und Arbeitsräume gefunden worden waren, würden noch Tage vergehen, kündigte der Polizeisprecher an. Es handele sich um eine Datenmenge von mehreren Terabyte.

KStA abonnieren