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Tod eines Obdachlosen„Nie davon die Rede“: KHG-Leiter bestreitet Rauswurf-Vorhaben

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Kerzen erinnern am Dienstag an den gestorbenen Obdachlosen Milan.

Köln – Nach dem Suizid eines Obdachlosen in den Räumlichkeiten der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) Köln am Montag hat deren Leiter, Diakon Johannes Schmitz, seine Bestürzung bekundet und zugleich die Vorgeschichte zu erklären versucht, die zum tragischen Tod des 56-Jährigen führte.

Der Mann, der in der KHG als Milan bekannt war, hatte mit Genehmigung der früheren Leitung etwa sechs Jahre auf dem Gelände und in Räumlichkeiten der Gemeinde gelebt. Am frühen Montagmorgen fanden Mitarbeitende ihn im Keller tot auf.

Am Todestag war Gespräch anberaumt

Nach Schmitz‘ Angaben hätte am selben Tag ein Gespräch mit dem Mann über seinen weiteren Verbleib stattfinden sollen. „Zu unser aller Entsetzen hat er stattdessen seine Situation als ausweglos empfunden“, sagte Schmitz dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das feststellen zu müssen, „hat mich unglaublich getroffen“, ebenso die nach der Todesnachricht gewordenen Vorwürfe eines unbarmherzigen und unchristlichen Verhaltens.

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Wie Schmitz berichtete, hatte er seit Mitte November versucht, zusammen mit dem Mann dessen Aufenthaltsstatus zu klären. Konkreter Anlass war das Verschwinden eines Laptops aus dem Besitz des Obdachlosen, das möglicherweise mit Hilfe der Polizei hätte untersucht werden müssen.

Vorwurf an frühere Gemeindeleitung

In diesem Zusammenhang richtete der Diakon, der erst im Juli die Gemeindeleitung vom früheren Hochschulpfarrer Klaus Thranberend übernahm, indirekt den Vorwurf an die frühere Gemeindeleitung, die Dinge in der Schwebe gelassen zu haben.

Nach seinen Worten hielt Schmitz sich bis vor wenigen Wochen aus der Frage nach der Zukunft des Obdachlosen heraus, „um nicht in die Situation zu kommen, dem Konflikt mit dem Ausländer- und Melderecht Rechnung tragen zu müssen, der meinen Vorgängern seit Jahren bekannt war“.

„Nie etwas verheimlicht“

Aus dem Umfeld der ehemaligen Gemeindeleitung wurde der Vorwurf zurückgewiesen. Der Aufenthalt des Obdachlosen und sein Leben in und mit der Gemeinde sei nie jemandem verheimlicht worden. Selbst die zuständige Hauptabteilung im Generalvikariat des Erzbistums sei darüber informiert gewesen. Die Leitung habe „stets alles transparent gemacht“ und aus der Überzeugung heraus gehandelt, dass in der KHG „jeder Mensch willkommen ist und dort eine Heimat finden darf“.  

Zum weiteren Ablauf sagte Schmitz, er habe den Mann in zwei Gesprächen ab Anfang Dezember für eine Klärung  an die Caritas oder den SKM verwiesen und ihm bis zum 15. Dezember Zeit für eine Kontaktaufnahme gegeben. Andernfalls, habe er ihm gesagt, sehe er sich der rechtlichen Bestimmungen wegen gezwungen, die Polizei zu informieren. „Das war nach Auskunft der Caritas schon eine viel zu lange Frist angesichts bekannter Probleme mit Pass- und Meldepflicht“, betonte Schmitz.

Widerwille gegen Behördengänge

Er habe den anhaltenden Widerwillen des Mannes gegenüber allem wahrgenommen, was auch nur entfernt an Behördenkontakt erinnert. „Das hätte womöglich die eine oder andere negative Konsequenz haben können“, mutmaßte Schmitz. Der Mann serbischer Herkunft habe zwar eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis gehabt, jedoch keinen gültigen Pass. Einen solchen hätte er aber für einen gültigen Aufenthaltstitel gebraucht.

Ganz sicher, so Schmitz weiter, habe er keine Indizien für eine Suizid-Absicht des Mannes wahrgenommen. Schmitz verwies darauf, dass er als ehemaliger Klinik-Seelsorger „40 Jahre Psychiatrie-Erfahrung“ mitbringe.

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Nicht mit direktem Rauswurf gedroht

Dass der Obdachlose offenbar einen unmittelbar bevorstehenden Rauswurf oder einen Polizei-Einsatz befürchtete, sei jedenfalls nicht mit dem zu erklären, was er mit ihm besprochen habe, so Schmitz weiter. Der Mann lebte auf dem KHG-Gelände in einer Garage unter den Gemeindebüros, bewohnte aber in der jüngeren Vergangenheit zeitweilig auch eine Art Besucherzimmer.

„Es war nie davon die Rede, dass er bis zum 15. Dezember gehen muss. Mir ging es darum, diesem Menschen nach sechs Jahren endlich die Hilfe zukommen zu lassen, die ihm eine echte Perspektive ermöglicht hätte.“ Mehrfach habe er ihm gesagt: „Wir wollen Ihnen helfen, aber Sie müssen sich bewegen.“

Erklärung des Erzbistums

Wie das Erzbistum Köln in einer eigenen Erklärung erläuterte, hätte es dazu der Beratung mit dem Fachdienst und der Klärung der offenen rechtlichen Fragen bedurft, um „mit professioneller Unterstützung eine geregelte Perspektive für sein Leben aufzubauen und eine geeignete Wohnung für ihn zu finden“. Gleichwohl hätte das Gespräch „nicht bedeutet, dass er die Räumlichkeiten unmittelbar hätte räumen müssen“, unterstrich auch das Erzbistum.

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Schon seit 2020 hätten „verschiedene Verantwortliche“ der KHG „im Gespräch mit Milan gestanden, dass sein Aufenthalt und die Nutzung der Räumlichkeiten der KHG - nicht der Garage - keine Dauerlösung sein könne“, so das Erzbistum weiter. Nach dessen Angaben willigte der Mann zwischenzeitlich in die Aufforderung zu Gesprächen mit der Caritas ein. Sie kamen aber laut Schmitz nicht zustande.

Kirchliche Amtsleiterin erschüttert

Die für die KHG zuständige Leiterin der Hauptabteilung Schule/Hochschule im Generalvikariat, Bernadette Schwarz-Boenneke, nahm am Dienstag Stellung zu den Geschehnissen. Die Nachricht von Milans Tod „hat bei mir und bei uns allen Bestürzung und tiefe Betroffenheit ausgelöst. Niemand kann ermessen, was in einem Menschen vorgehen muss, wenn er seinen letzten Ausweg darin sieht, sich selbst das Leben zu nehmen. Unsere Gedanken und Gebete sind bei ihm und allen, die um ihn trauern.“  

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