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Todesfall in der FamilieHinterbliebene ärgern sich über respektlose Behördenbriefe

Lesezeit 5 Minuten
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Ein Bestatter berichtet von Leichen, die aus Krankenhäusern kommen und mit offenen Wunden bei ihm angeliefert werden.

  • Nach dem Tod von Angehörigen gehen Hinterbliebenen oft Briefe von Behörden zu, die alles andere als respektvoll verfasst sind.
  • Es fehlt an Anteilnahme, die Formulare sind im Bürokratensprech geschrieben, Rechnungen werden an Verstorbene adressiert.
  • Angeblich sind einige Vorschriften unumgänglich festgelegt. Doch die Kölner Uniklinik zeigt, dass es auch anders geht.

„Entlassart: Tod“ steht auf der Rechnung des St.-Antonius-Krankenhauses an Peter Keller. Der Empfänger kann die Rechnung nicht mehr begleichen – er ist es, der in dem Krankenhaus am 8. Mai 2019 verstarb; oder, um im Klinikdeutsch zu bleiben: „tot entlassen“ wurde.

Alexander Keller war angefasst und irritiert, als er das Schreiben acht Tage nach dem Tod seines Vaters las. „Man schickt einem Menschen, von dem man weiß, dass er verstorben ist, eine Rechnung und bescheinigt dem Verstorbenen in bürokratischem Deutsch, dass er tot entlassen wurde“, wundert er sich. „Einen größeren Unsinn kann man sich kaum vorstellen.“

Unsensible und makabere Behördenbriefe

Viele Angehörige müssen nach dem Tod ihrer Liebsten mit Formularen kämpfen, die mit ihrer kaum zu entziffernden Behördensprache unsensibel und rücksichtslos daherkommen. Von kirchlichen Krankenhäusern hatte Alexander Keller, der selbst katholischer Theologe ist, etwas anderes erwartet. „Mir ist es wichtig, dass das Personal sich dort nach den Menschen richtet und nicht nach Profit“, sagt er. In ihren Leitlinien betont die Stiftung der Cellitinnen, die das Krankenhaus betreibt, ihre kirchliche Unternehmenskultur, Rituale bei der Verabschiedung, ein Ethikkomitee und „Richtlinien zur guten Aufklärung von Patienten und Angehörigen“.

„Leider tut sich hier eine eklatante Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf“, sagt Keller. Am 9. November schrieb er an den Vorstand der Stiftung der Cellitinnen. In dem Brief verleiht er seinem Unmut klar, aber durchaus höflich Ausdruck. „Diese Rechnung lässt jede Form von Sensibilität und Empathie gegenüber dem Verstorbenen und den trauernden Hinterbliebenen vermissen. Sie dokumentiert ein hohes Maß an Gedankenlosigkeit, ist makaber und pietätlos“, formuliert er.

Rechnung an verstorbenen Vater adressiert

Schon der Umstand, dass die Rechnung an seinen verstorbenen Vater adressiert war, „war für uns Angehörige schwer zu ertragen“. Das Krankenhaus habe auch nicht in angemessener Form kondoliert. „Im Abschlussbericht, der nicht an uns, sondern an den behandelnden Hausarzt gerichtet war, findet sich lediglich ein kurzer Hinweis auf Seite 2: Wir sprechen allen Angehörigen unser Beileid aus.“ Das Landesamt für Besoldung – Peter Keller war Schulleiter – habe hingegen „standesgemäß im ersten Satz seine Anteilnahme bekundet“.

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Üblicherweise, sagt Heidi Jansen Geschäftsführerin des St.-Antonius-Krankenhauses, „liegt das Kondolenzschreiben zum Schriftwechsel obenauf“. Sofern dies im vorliegenden Fall nicht geschehen sei, bitte sie um Entschuldigung.

Es geschah nicht, sagt Alexander Keller. Nach der Beerdigung habe er mit der Patiententenfürsprecherin der Cellitinnen gesprochen und seine Kritik dargelegt. Es sei in dem eineinhalbstündigen Gespräch auch um die Frage gegangen, wie es passieren konnte, „dass der Chefarzt uns beim letzten Besuch im Krankenhaus sagte, „Ihren Vater bekommen wir auch dieses Mal wieder hin“, mein Vater dann aber sieben Stunden später tot war und wir uns nicht mehr verabschieden konnten“. Auch der flapsige Umgang mit einem defekten Sauerstoffgerät für den Vater („Das Personal sagte, das Gerät werde nach Gefühl ausgetauscht“) setzte Keller zu.

Kritik an Formulierung „Entlassart Tod“

Die Patientenfürsprecherin habe nach dem Gespräch versprochen, die Kritik weiterzutragen und sich zu melden – „das ist bis heute nicht geschehen.“

An den Vorsitzenden der Stiftung der Cellitinnen schrieb Alexander Keller: „Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie veranlassen und sicherstellen könnten, dass solche Rechnungen mit Blick auf zukünftige Hinterbliebene aus Krankenhäusern der Cellitinnen nicht mehr verschickt werden.“ Schreiben dieser Art sorgten dafür, dass „andere Krankenhäuser in katholischer Trägerschaft grundsätzlich in erheblichen Misskredit geraten.“ Eine Antwort blieb aus.

Der Brief von Keller liege Ihr leider nicht vor, schreibt Heidi Jansen auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Das ist erstaunlich, da Keller seinen Brief mit Rückschein versendet und eine Bestätigung erhalten hatte. Zur Kritik an dem verstorbenen Adressaten und dem Passus „Entlassart Tod“, den auch andere Krankenhäuser nach dem Ableben von Patienten auf Rechnungen verwenden, sagt Jansen: „Der Rechnungsadressat ist gekoppelt an den Versicherungsnehmer, die Angabe Entlassart ist hier leider vorgegeben.“

Leichen mit Kanülen und offenen Wunden angeliefert

Ganz richtig ist das nicht. Es gibt durchaus Krankenhäuser, die „Patient ist verstorben“ auf die Rechnung schreiben. So handhabt es beispielsweise die Kölner Uniklinik. Dass Rechnungen von Privatpatienten an die Gemeldeten – und somit auch an die Verstorbenen – verschickt würden, sei „in einigen Fällen unvermeidlich“, teilt eine Sprecherin der Uniklinik mit. Das Befremden der Hinterbliebenen – auch über die bürokratischen Termini – sei „absolut verständlich“. Zumal, weil es kaum einen Berufsstand gibt, in den Menschen größeres Vertrauen setzen: Einer Umfrage des Universitätsklinikums Aachen zufolge betrachten 91 Prozent der Patienten Ärzte als „Retter der Humanität“.

Dass Humanität im Falle einer existenzbedrohenden Diagnose oder nach dem Tod eines Angehörigen auf der Strecke bleibt, erleben dennoch viele Menschen. Nur ein paar Erfahrungen nach einer spontanen Umfrage unter Bekannten: „Auf einer RTW-Rechnung nach dem Tod meines Vaters stand die fremde Adresse einer Frau. Sie war nur notdürftig durchgestrichen, die Adresse meines Vaters draufgekritzelt“, erzählt ein Freund. Ein Bestatter berichtet von Leichen aus dem Krankenhaus, die mit Kanülen und offenen Wunden angeliefert werden.

Bürokratismus auch in kirchlichen Kliniken

Eine Kollegin erinnert sich daran, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter im Krankenhaus weggeschickt wurde – und in einer Abstellkammer (!) der Klinik (nicht in Köln) erst Abschied nehmen durfte, als sie vehement interveniert hatte. Längst nicht immer gelingt es, Tod und schwerer Krankheit mit dem gebotenen Respekt zu begegnen. Viele Behördenblätter, mit denen der Tod und die Versorgung von Hinterbliebenen geregelt werden, sind derart bürokratisch, dass selbst Hochgebildete ratlos und wütend zurückbleiben. Vor kirchlichen Kliniken macht dieser pietätlose Bürokratismus nicht Halt.

Der Theologe Alexander Keller zitiert in seinem Beschwerdebrief an das Kölner St.-Antonius-Krankenhaus einen Vers aus dem Matthäus-Evangelium: „Bei euch soll es nicht so sein!“ Die in dem Satz „zur Maxime erhobene Forderung nach positiver Andersartigkeit hatte ich bislang bei katholischen Krankenhäusern vorausgesetzt und erwartet“, schreibt Keller.

„Entlassart Tod – das muss so sein.“ Mit dem Verweis der Geschäftsführerin auf die angeblich so vorgegebene Bürokratie ist er nicht zufrieden.

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