Tommy Engels Biografie„Der Karneval hat uns ausgesaugt“

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Auch nach 40 Jahren immer noch ein Musiker mit Leib und Seele. Tommy Engel probt gerade für den Weihnachtsengel, ist am 9. November bei der Wiederauflage von „Arsch huh“ dabei und plant die nächsten Soloprogramme.

Auch nach 40 Jahren immer noch ein Musiker mit Leib und Seele. Tommy Engel probt gerade für den Weihnachtsengel, ist am 9. November bei der Wiederauflage von „Arsch huh“ dabei und plant die nächsten Soloprogramme.

Tommy Engel, fallen wir mit der Tür ins Haus. Sie sind jetzt 62 Jahre alt und 40 Jahre im kölschen Musikgeschäft erfolgreich unterwegs. Da kann man schon mal eine Biografie (hier im ksta shop erhältlich) schreiben. Aber warum es damals zur Trennung von den Bläck Fööss kam, wird wieder nur angerissen. Warum ist der Streit mit den Bläck Fööss immer noch ein Tabu?

Tommy Engel: Soll das wirklich die erste Frage sein? Warum ich damals von den Fööss weggegangen bin?

Ja. Darüber wird doch bis heute wild spekuliert.

Die Neuauflage des „Arsch huh“-Konzerts am Freitag, 9. November, auf der Deutzer Werft am Rheinufer beginnt gegen 17.30 Uhr mit 150 Bläsern, die den „Treuen Husaren“ spielen werden. Im Anschluss werden sie eine neu arrangierte Version von „Arsch huh, Zäng ussenander“ anstimmen, bevor sie zu den Klängen von „De hillje Zinet Mätes“ abgehen. Das Programm wird rund viereinhalb Stunden dauern und endet mit dem Bläck Fööss-Klassiker „Unsere Stammbaum“. Der WDR wird die Veranstaltung live übertragen.

Zur Finanzierung des Konzerts erscheint ein Album mit 16 Titeln, die am 9. November zu hören sein werden. Den Download gibt es ab 28. Oktober, die CD ist ab dem 1. November erhältlich. Vorbestellbar ist sie im ksta-shop (11 Euro).

Erinnerung und Aufruf zugleich ist das Buch „Arsch huh, Zäng ussenander!“, das Ende November erscheint und zehn Euro kostet. Herausgegeben von Helmut Frangenberg, Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“ versammelt es Beiträge von damals und heute. (pb)

Hintergrund dieses Songs von Tommy Engel und Jürgen Fritz war der Brandanschlag vom 29. Mai 1993 in Solingen. Das Lied wurde damals auf einer Maxi-CD veröffentlicht.

Hadder nit die Frau jesin, met däm Hot, met däm Stock, met dä Täsch. Hadder nit dä Mann jesin, met dä Botz, met dä Jack un met dä Fläsch. Hadder nit dä Klein jesin, en däm Kinderware – jo, dä es doch jrad he vorbeijefahre

Hadder nit dä Hungk jesin, zimlich kräftich, ohne Ling, met dä Zäng Hadder nit dä Jung jesin, met dä Angs em Jeseech un wieß wie de Wäng. Hadder dat dann nit jesin - dat dä Jung do laufe jing.

Jo de Lück die luren janit mih su richtich. Denne fällt och janix nix mih op. Denne es och nix mih wirklich wichtich. Sorjen sich nur öm ihre eijene Kopp.

Hadder nit jesin wie et anjefange hät ze brenne. Hadder nit jesin wä do us dem Hus erus kom un dät renne. Hadder och noch nit jesin wie schon die Flamme schlochen us dem Dach. Ach so, ihr wort janit doheim un et wor och medden en d´r Naach.

Jo de Lück die luren janit mih su richtich . . . Hadder nit jesin wä do mem Knöppel zojeschlare hät. Hadder nit jesin wor dä jrön oder rut oder hat dä en Pläät. Hadder nit jesin wä dann einfach afjedröck hät. Et wör wirklich wichtich für die Lück he am Stervebett.

Jo de Lück die luren janit mih su richtich . . . Hadder nit die Frau jesin, met däm Hot, met däm Stock, met dä Täsch.

ENGEL: Also gut. Es war für mich immer schon schwierig, vor einem großen Publikum die immer gleichen Lieder zu reproduzieren. Ich kann ja verstehen, dass die Leute die hören wollen. Das freut einen ja auch.

Aber?

ENGEL: Das war mir irgendwann einfach zu viel. Im Millowitsch-Theater zum Beispiel haben wir immer versucht, ein Konzertprogramm zu machen. In diesem Ambiente konnte man schöne Sachen machen, da passte das irgendwie. Mit dem Millowitsch-Programm konnten wir aber nicht nach draußen gehen. Schon allein wegen der Kulisse und der Requisiten. Aus meiner Sicht haben wir es uns mit den Bläck Fööss bei den anderen Konzerten zu einfach gemacht. Ich weiß auch nicht, warum. Das war ein Grund.

mit Tommy Engel

Die Autobiografie „Du bes Kölle“ von Tommy Engel und seinem Co-Autoren Bernd Imgrund ist ab kommenden Montag in den Buchhandlungen erhältlich. In Köln müsste sie schon am heutigen Samstag ausliegen. Sie hat 288 Seiten mit vielen Abbildungen und kostet 18,99 Euro, ISBN 978-3-462-03827-9. Zu einer Signierstunde kommt Tommy Engel am kommenden Freitag, 12. Oktober, 15 Uhr, in das Servicecenter der Zeitungsgruppe Köln im DuMont-Carré, Breite Straße 72 in der Innenstadt (hier bei Facebook zur Veranstaltung anmelden). Das Buch gibt es auch im Online-Shop des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Und die anderen?

ENGEL: Es gibt unheimlich viele Wahrheiten. Ich habe meine Sicht der Dinge. Erry Stoklosa, mit dem ich ja noch befreundet bin, hat eine andere. Es gab damals einfach zu viele Missverständnisse. Heute sage ich: Es hat zwischen uns nicht mehr geklappt. Die Chemie in der Band hat nicht mehr gestimmt. Wenn ich etwas zusammenkippe und es explodiert, dann ist das ja noch ganz lustig. Dann sind wir alle schwarz im Gesicht, aber es hat wenigstens funktioniert. Wenn du aber etwas zusammenkippst und es passiert nichts mehr, ist das schon komisch.

In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Sie am Schluss nur noch die Fööss-Lieder gesungen haben, die Ihnen gefallen haben.

Engel: Das war die letzte Phase. Sind wir mal ehrlich. Heute machen die Fööss dass doch auch so. Sie teilen sich die Lieder auf. Der Kafi Biermann singt, der Peter Schütten singt, der Erry Stoklosa singt, der Bömmel Lückerath singt, die singen heute alle. Damals war ich der Sänger, anders als in der Beatband, die wir vorher hatten. Da saß ich am Schlagzeug. Und plötzlich steht der Kleine da vorn und hat alles gesungen. Ich konnte die Songs halt am besten transportieren. Nicht mehr und nicht weniger. Was soll ich da groß sagen? Ich habe keine Schule besucht, an der ich singen gelernt habe. Ich bin da reingewachsen, habe das gemacht, so gut ich konnte. Und was ich heute kann, habe ich alles darauf aufgebaut. Das Komödiantische, Schauspielerische zum Beispiel. Das habe ich auch nicht gelernt. Ich habe nie eine Schauspielschule besucht.

Auf den Karneval hatten Sie irgendwann auch keine Lust mehr?

ENGEL: Nein. Der Karneval hat uns aus meiner Sicht komplett ausgesaugt. Wenn man auf die Bühne geht und die Gesichter der anderen schon nicht mehr mag, ist es zu viel. Zum Schluss haben die Fööss auf der Bühne gegen mich gearbeitet. Ich nicht. Ich habe mir gesagt: Das ziehst du jetzt bis zum Schluss durch. Schon allein wegen der Leute. Ich habe sogar ein wenig Spaß dabei gehabt. Den anderen hat nicht gefallen, dass ich immer noch so gut drauf war. Die Trennung war für mich wie eine Befreiung. Ich glaube, dass es auch für die Fööss eine Befreiung war.

Viele haben gesagt, ohne Tommy Engel sind die Bläck Fööss am Ende. Das ist nicht eingetreten. Hat Sie das nicht gewurmt?

ENGEL: Was für ein Blödsinn. Es ist doch gut so, dass es für alle weitergegangen ist. Wenn die Fööss erfolglos geblieben wären, hätte ich den Schwarzen Peter gehabt. Der hat uns verlassen. Die Fööss haben nach mir noch wunderbare Songs geschrieben. Und ich mache halt mein Ding. Ich nehme mir ja auch raus, dass ich Songs von den Fööss singe. Ich habe sie ja auch mit ihnen zusammen gesungen. Das „Veedel“ ist bei mir im Repertoire. „Ming eetste Fründin“, das singe ich heute ein bisschen anders als damals. Und ein paar von den weniger bekannten Liedern. „Ich han nen Deckel“ ist eines meiner Lieblingsstücke. Das singe ich sehr gerne. Das ist ein leises Lied. Ich will damit ja keine Leute auf die Stühle holen, ich habe ein ganz anderes Programm. Dieses Party-Theater passt mir sowieso nicht.

Warum haben Sie dem Karneval und dem „Party-Theater“ abgeschworen? Durch den Karneval sind die Bläck Fööss doch erst bekannt geworden.

ENGEL: Das stimmt. Ich sage ja nicht, dass mir das von Anfang an nicht gefallen hat. Aber irgendwann hat uns der Karneval einfach Fesseln angelegt. Für mich hat der Fasteleer bei den Bläck Fööss eine viel zu große Rolle gespielt.

Deshalb jetzt die leisen Töne? Erst mit L.S.E. Und jetzt als Solist.

ENGEL: Ja. Jetzt habe ich „Do bes Kölle“. Damit kann man die Leute holen. Mein Publikum in den Konzertsälen hängt mit den Ohren bei mir. Ich kann manchmal eine Stecknadel fallen hören. Es will die Geschichten hören, die ich erzähle. Ich könnte den ganzen Abend verzälle. Das ist einfach schön. Dann fühle ich mich wie zu Hause. Mit L.S.E. – das war eine ganz besondere Phase.

Warum?

ENGEL: Wir, also Arno Steffen, Rolf Lammers und ich, haben die erste Platte (Für et Hätz un jäjen d’r Kopp, die Red.) gemacht und gar nicht gemerkt, dass da fünf Hits drauf waren. Da hat einfach alles gestimmt. Diese Platte vergleiche ich gerne mit Sergeant Pepper von den Beatles. Die mussten vorher auch etliche Platten produzieren, bis dieser Knaller kam. Ich hatte ja schon eine Entwicklung mit den Bläck Fööss mitgemacht. Arno und Rolf hatten auch ihre Erfahrungen. Das hätte so weitergehen können.

Ist es aber nicht.

ENGEL: Der bekannte kölsche Musikproduzent Conny Plank hat immer gesagt: „Ich möchte Dich, den Arno und den Hans Süper ins Studio sperren und die Türe abschließen. Und dann lasse ich ein Band laufen. Entweder habt ihr euch am nächsten Morgen die Köpfe eingeschlagen oder es ist ein komplette CD entstanden.“ Wahrscheinlich hatte er recht. Wir haben es noch nicht versucht. Das sollten wir tun, bevor wir alle ableben.

Jetzt kommt erst mal die Neuauflage von „Arsch huh“ am 9. November auf der Deutzer Werft. Muss dieser Nostalgietrip eigentlich sein?

ENGEL: Was soll denn die Frage? Ich war nie ein besonders politischer Mensch. Mir geht es darum, dass wir den Leuten zeigen, auch über die Medien: Hier gibt es in Köln Menschen, die dafür stehen. Die wollen, dass wir noch mehr werden.

Die wofür stehen?

ENGEL: Wir sind immer noch der Meinung, dass wir etwas tun müssen gegen den Rechtsradikalismus. Damit meine ich nicht nur die großen Nummern, die NSU-Morde, das Theater um den Verfassungsschutz. Das ist mir alles eine Nummer zu groß. Ich möchte es an den kleinen Dingen festmachen, damit es die Leute verstehen.

Was meinen Sie damit?

ENGEL: Wie Menschen miteinander umgehen. Es geht gar nicht nur um die Extremisten. Die sind schlimm genug. Aber wir haben verlernt, miteinander zu reden. Es geht heute doch nur noch um Effekthascherei. Es gibt keine Möglichkeit mehr zu richtiger Unterhaltung, dass man sich mal wirklich zusammensetzt. Diese Kultur ist gestorben. Es gibt kein Verständnis mehr füreinander. Jeder vertritt sein Ding. In einer Talkshow ist der Moderator nur noch der Ringrichter. Der muss die Leute trennen. Wie beim Boxkampf. Es wird nur noch ausgeteilt.

Woran liegt das?

ENGEL: Weil es immer mehr Leute gibt, die wirklich gar nichts interessiert. Denen das egal ist, ob da einer mit der Fahne rumläuft, für „Pro Deutschland“ oder „Pro Köln“. Ich verstehe das einfach nicht. Der Spruch „Jede Jeck is anders“ passt einfach nicht mehr. Das kann schwer nach hinten losgehen. Dem Kölner wird ja immer nachgesagt, dass er sehr tolerant ist. Dabei ist er vielleicht eher etwas leichtfertig.

In welcher Hinsicht?

ENGEL: Ich erkläre das mal an einem Beispiel. Deshalb habe ich ja „Du bes Kölle“ geschrieben. Das ist, wenn man genau hinhört, gar keine distanzlose Liebeserklärung an Köln. Obwohl das viele nicht begriffen haben. Da gibt es die Zeile „Du bist suuuuuuupertolerant“. Warum betont der Sänger das so? Weil er das so meint? Oder meint er damit vielleicht etwas ganz anderes. Es gibt nichts Langweiligeres als Texte, die man eins und zu eins nehmen kann. Die Leute müssen doch was zum nachdenken haben, wenn sie es denn tun.

Das Gespräch führten Peter Berger, Norbert Ramme und Stefan Worring

Am 12. Oktober findet in der Geschäftsstelle des „Kölner Stadt-Anzeiger“, Breite Straße 72, eine Signierstunde mit Tommy Engel statt. Hier geht's zur Veranstaltung bei Facebook.

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