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Leiter des Amerika-Hauses„Kölner sind die Amerikaner Deutschlands“

Lesezeit 8 Minuten
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Benjamin Becker ist Direktor des Kölner Vereins Amerika-Haus NRW.

Köln – Zehn Jahre ist es nun her, dass sich das 2007 geschlossene Kölner Amerika-Haus auf Initiative des damaligen Oberbürgermeisters Fritz Schramma als Verein neu gegründet hat. Benjamin Becker ist seit einem halben Jahr der neue Leiter des Amerika-Haus e.V. Nordrhein-Westfalen. Der 34-jährige steht für eine einen Generationswechsel und für die Suche nach einer Neudefinition der Beziehung zwischen den USA und Deutschland.

Das Domizil des neuen Amerika-Hauses in der Apostelnstraße gegenüber dem Gloria kommt bescheiden daher. Das historische Gebäude auf dem ehemaligen Gelände des Apostelgymnasiums ist einem kleinen Büro gewichen, die Veranstaltungen finden an wechselnden Orten statt. Ein Spiegel dafür, dass die Zeiten sich geändert haben ...

Das historische Amerika-Haus ist in Köln bis heute eine emotional besetzte Marke. Es wurde getragen von der Generation derjenigen, die den Krieg erlebt haben oder in den 50er Jahren geboren wurden. Das führt auch heute noch oft zu einem Gefühl der Dankbarkeit und Verbundenheit gegenüber den Amerikanern – etwa nach den Terroranschlägen von New York am 11. September 2001. Das neue Amerika-Haus knüpft daran an, steht aber auch für die Suche nach einer neuen Erzählung der transatlantischen Beziehungen. Das merkt man auch strukturell: Statt des historischen Gebäudes in Köln haben wir heute eine kleine, moderne Geschäftsstelle, aus der wir jährlich 35 bis 40 Veranstaltungen in ganz NRW organisieren.

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Auf die Dankbarkeit der Kriegsgeneration folgt die Irritation ihrer Enkel. Auf welches Amerika-Bild stoßen Sie bei jungen Kölnern?

Die Zeit der geborenen Transatlantiker, der selbstverständlichen inneren Bindung an die USA und der quasi natürlichen Partnerschaft ist für viele in der jungen Generation vorbei. Deren Vertreter sind kritischer und stellen viele Fragen. Deshalb ist unsere Arbeit als Mittler und Erklärer gerade unter diesen veränderten Bedingungen so wichtig.

Inwiefern hat Trumps Präsidentschaft die Arbeit des Amerika-Hauses beeinflusst?

Seitdem besteht ein besonderes Interesse an unseren Veranstaltungen. Das Bedürfnis, zu verstehen, was da passiert, ist sehr groß. Dem versuchen wir mit unserem Programm Rechnung zu tragen. Etwa, wenn wir als Referenten einen Experten der US-Rechtskultur einladen, der erklärt, was das Instrument der präsidialen Dekrete konkret bedeutet und was sie innerhalb des Rechtssystems für Auswirkungen haben. Wenn dann klar wird, dass ein Dekret keineswegs Umsetzung in Politik bedeutet, dass es vielmehr eine ausgeprägte politische Kontrolle innerhalb des Systems gibt, trägt das in diesen aufgewühlten Zeiten zur Aufklärung bei.

Trotzdem ist es schwieriger geworden, als Direktor des Amerika-Hauses den Kölnern die eigene Faszination an den USA erklären. Was hat Sie für das Land eingenommen?

Ich war 2007 als Fulbright-Stipendiat als Fremdsprachen-Assistent für ein Jahr in Atlanta, der Geburtsstadt Martin Luther Kings. Das war für mich ein Erweckungserlebnis und ohne Übertreibung das prägendste Jahr meines Lebens. Die Mentalität in den Südstaaten, diese grenzenlose Offenheit, die unglaubliche Freundlichkeit der Meschen. Das alles hat mich tief fasziniert. Und es hat mich auch selbst gewandelt, von einem schüchternen Studenten zu einem offenen Menschen. Klar gibt es da den gängigen Einwand, das sei doch alles nur oberflächlich. Aber ich sage: Lieber oberflächlich nett als offen unfreundlich. Ich mag das.

Das klingt nicht nur nach Südstaaten, sondern auch nach Köln.

Das stimmt, die Mentalitäten ähneln sich. Für mich sind die Kölner die Amerikaner in Deutschland. Das Rheinland ist definitiv die Region, die einer wie auch immer gearteten amerikanischen Mentalität am nächsten kommt. Das fällt mir gerade jetzt – da ich nach fünf Jahren Berlin erst in diesem Jahr nach Köln zurückgekehrt bin – im Kontrast sehr deutlich auf.

Was lieben Sie an Köln?

Diese offene, herzliche Art und die Ungezwungenheit im Alltag: Kaum sitzt man in der KVB, wird man angesprochen. Oder im Brauhaus setzt man sich einfach an einen Tisch dazu und kommt dann so ins Gespräch. Oberflächlichkeit hin oder her: Ich mag es, angelächelt zu werden. Gerade nach Berlin fällt mir das sehr stark auf. Dazu kommt der Karneval, auf den ich mich nach fünf Jahren Abstinenz sehr freue. Rückblickend ist es eben oft die Erfahrung des Anderen und Fremden, die einem die eigene Identität verdeutlicht.

Ist Ihnen das mit Ihrem USA-Aufenthalt genauso gegangen?

Absolut. Es war derselbe Mechanismus: Erst seit diesem Jahr dort fühle ich mich wirklich als Europäer. Ich habe nicht nur begriffen, welche großen Unterschiede zu Europa bestehen, ich habe auch verstanden, wie unfassbar wertvoll Dinge sind, die für uns als gegeben dastehen: Etwa eine Krankenversicherung für alle oder auch der freie Zugang zu einer guten Bildung. Über das Fremde erkennt man das Eigene – und lernt es vielleicht erst darüber schätzen. Gleichzeitig öffnet man sich bei so einem langen Aufenthalt für das Fremde und lernt im besten Sinne interkulturell zu kommunizieren. Deshalb versuchen wir auch als Amerika-Haus bei den jungen Kölnern für diese fundamental wichtige Erfahrung einer echten Begegnung mit den USA zu werben – idealerweise in Form eines Auslandsjahres. Selbstvergewisserung auf der einen und interkulturelle Kompetenz auf der anderen Seite können Sie sich nicht anlesen. Beides beruht auf Erfahrung mit dem Anderen, Fremden.

Wenn Sie für sich persönlich in diesem Sinne Ihr Auslandsjahr als so grundlegend erfahren haben, muss Sie doch schmerzen, dass immer weniger junge Leute – auch in Köln – ein solches Jahresstipendium für die USA für erstrebenswert halten.

Das ist in der Tat sehr bedauerlich. Egal ob DAAD oder Fulbright, die Nachfrage bei den Jahresprogrammen für die USA sinkt. Es wäre aber zu kurz gedacht, dies eindimensional am gewandelten Bild der USA festzumachen. Zum einen ist die Auswahl gewachsen: Junge Studierende gehen zunehmend nach Brasilien und China oder in europäische Nachbarländer. Gleichzeitig manifestiert sich auch hier die gesellschaftliche Beschleunigung und Verdichtung: Studenten wählen heute eher ein Sechs-Wochen-Programm – oft aus dem Gefühl heraus, keine Zeit mehr für ein volles Jahr zu haben. Kürzer in die Schule gehen, schneller studieren und für den Lebenslauf eine Auslandserfahrung im Schnelldurchlauf. Solche Erfahrungen sind zwar auch wertvoll, aber nicht vergleichbar mit einem Einjahresaufenthalt, bei dem man tief in den Alltag eintaucht.

Wie reagieren die Amerikaner, die Sie hier als Referenten oder Gäste begrüßen, auf Köln?

Es gibt natürlich Klischees, die erwartet werden, die wir aber gerne bedienen, etwa ein Essen im Brauhaus. Was sich den Gästen intuitiv vermittelt, ist die Anziehungskraft, die Atmosphäre dieser Stadt. Die teilt sich Köln ja übrigens mit meinem letzten Wohnort Berlin: Hier wie dort macht das Unperfekte den Charme aus, den Menschen suchen und der die beiden Städte immer weiter wachsen lässt.

Apropos Charme: Wie wollen Sie denn umgekehrt in Zeiten der USA-Verdrossenheit gerade bei den jüngeren Kölnern für die transatlantischen Beziehungen werben?

Vielleicht spielt uns da die aktuelle politische Situation in die Hände. Themen rund um die Präsidentschaft Donald Trumps ziehen bei uns gerade auch verstärkt ein jüngeres Publikum an. Ansonsten setzen wir für diese Zielgruppe auf digitale Themen und vor allem auf kulturelle Erlebnisse. Wir veranstalten etwa Literaturlesungen – wie zuletzt mit dem Pulitzer-Preisträger Colson Whitehead – oder auch Workshops in Schulen etwa in Jazz oder Modern Dance. Der Zauber eines Landes und seine Seele vermitteln sich gerade bei jungen Menschen über Musik und Literatur. Das weckt Neugier.

Neugier ist ein guter Einstieg. Und Kulturerfahrung ein wichtiger Zugang. Trotzdem bleibt die elementare Frage, wo sich die deutsch-amerikanischen Beziehungen künftig hin entwickeln sollen. Auf welcher Grundlage sollen Amerikaner und Deutsche sich nach dem Ende der transatlantischen Selbstverständlichkeiten begegnen?

Da sind wir in der Tat alle noch Suchende. Wir brauchen eine neue transatlantische Erzählung, ohne jetzt schon zu wissen, wie die aussieht. Unser Weg ist es, neu um die junge Generation zu werben und auch ihre Ideen einzubeziehen. So starten wir jetzt zum Beispiel einen Essay-Wettbewerb an Schulen, bei dem die Schüler ihre Vision und ihre Erzählung für das nächste Kapitel der transatlantischen Beziehungen entwickeln sollen.

Würden Sie selber einen Blick in die Zukunft wagen?

Da kann ich mich ja nur in die Nesseln setzen. Aber soviel ist klar: Die Kongresswahlen im nächsten Jahr werden entscheidende Weichen stellen. Da wird sich zeigen, wie die Stimmung im Land ist, ob es zu einer wechselnden Mehrheit im Kongress kommt, und welche Auswirkungen das dann auf die künftige Politik hat. Eines ist klar: Es bleibt spannend.

Das ist der Verein Amerika-Haus NRW

Das Amerika-Haus Köln wurde 1955 als Kultur- und Informationszentrum der USA an historischer Stelle eröffnet – auf dem ehemaligen Gelände des Apostelgymnasiums, wo einst Konrad Adenauer zur Schule ging. Mehr als 50 Jahre lang war es für viele Menschen ein Fenster nach Amerika.

Es gewährte Einblick in Kultur, Politik und Wirtschaft der Vereinigten Staaten. Ab 1999 diente das Amerika-Haus als Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit des US-Generalkonsulats in NRW. Nach der Eingliederung dieser Abteilung in das US-Generalkonsulat in Düsseldorf wurde das Amerika-Haus Köln geschlossen.

Im selben Jahr wurde dann auf Initiative von Freifrau Jeane von Oppenheim und des damaligen Oberbürgermeisters Fritz Schramma der Verein Amerika-Haus NRW gegründet, der die Arbeit in der neuen Geschäftsstelle in der Apostelnstraße aufnahm. (ari) www.amerikahaus-nrw.de

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