Trotz RuhestandKölner Tierpfleger lässt „seinen“ Affen Chico nicht allein

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Schmiedeberg mit Chico 1

Wolfgang Schmiedeberg mit Chico

Still und fast menschenleer ist es im Kölner Zoo, der zurzeit wegen Corona geschlossen ist. Doch im Affenhaus geht es munter zu wie eh und je. Und das in einem Fall schon sehr, sehr lange: Brüllaffe Chico ist in Menschenjahren gerechnet etwa 110. Wolfgang Schmiedeberg ist sein Tierpfleger. Seit mehr als 30 Jahren sind die beiden unzertrennlich. Schmiedeberg sollte nach mehr als 50 Dienstjahren mit knapp 67 eigentlich schon längst in Rente sein. Doch er hat seinen Arbeitsvertrag noch einmal verlängert – und das unbefristet. Weil er seinen Kumpel Chico nicht allein lassen möchte.

„Hallo, hallo, Chico, Chico“, ruft Schmiedeberg und öffnet die Tür zu dem Gehege. Sein Schützling hangelt sich von Ast zu Ast auf ein Podest. Zur Feier des Tages – wann steht schon mal die Presse im Käfig? – bekommt Chico Christstollen. Der Primat mümmelt das Gebäck mit den letzten drei Zähnen, die dem alten Herrn noch geblieben sind, und legt sich hin. Danach lässt er sich kraulen wie ein Hund.

„Er kommt immer sofort zu mir – aber auch ausschließlich zu mir – und möchte seine Streicheleinheiten. Ich habe vor vielen Jahren gemerkt, dass ihm das guttut und er vielleicht deshalb nie krank und so alt geworden ist“, meint Schmiedeberg und massiert weiter den Rücken des Affen. Dabei färben sich seine Fingerspitzen rot: „Diese Tiere haben im Fell Farbdrüsen, damit markieren sie ihr Revier.“

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Tierpfleger verspricht: „Jung, ich bleibe bei dir“

Die Geschichte von Schmiedeberg und Chico berührt. Ein Jahr vor Rentenbeginn hatte er dem Affen mal in einem emotionalen Moment versprochen: „Jung, ich bleibe bei dir.“ Irgendwann nahte eigentlich der Abschied – aber der Pfleger verlängerte seinen Arbeitsvertrag um ein weiteres Jahr. Dann stand wieder der Ruhestand an – aber nach nur zehn Tagen kehrte Schmiedeberg zurück zu Chico. Seine Bitte: Noch einen neuen Vertrag, zwei Tage die Woche, unbefristet. Und Zoo-Direktor Theo Pagel willigte ein. „Ich bin dem Zoo für mein Leben dankbar – und das gebe ich auch zurück“, sagt Schmiedeberg.

Ist der treue Pfleger sozusagen der „Alterspräsident“ der Affen, so ist Chico der Chef des bunten Rudels. Seit 33 Jahren, damals am Strand von Teneriffa aufgelesen, turnt das stolze Tier durch die Gehege in Riehl. 15 Kinder und Enkelkinder zeugte er mit sieben Weibchen. Dabei ist Chico aber ein treuer Geselle: „19 Jahre lang war er mit einer Gefährtin zusammen, Lucy. Nie kam Nachwuchs. Dann kam ein neues Weibchen frisch aus Venezuela, da hat es dann gefluppt. An ihm als Mann lag es also nicht.“

Diese Frage muss erlaubt sein: Wie viel Affe steckt in einem langjährigen Affenpfleger? Schmiedeberg, für sein Alter in Top-Form, kann auch hervorragend klettern. „Ja, affenartig“, wie er lachend gesteht. Jetzt ist er zu seiner Freundin gezogen und musste sozusagen „mein neues Revier erobern“. Im nächsten Jahr wollen beide heiraten, sie kennt ihn schon bestens: „Wenn mir etwas nicht passt, hebe ich meinen Kopf und schiebe meinen Unterkiefer wie ein Affe nach vorn: Da sagt sie immer: »Chico, Chico, hör’ auf«..“

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Mit 16 Jahren, am 1. September 1970, begann Wolfgang Schmiedeberg seine Ausbildung zum Tierpfleger in Leipzig. Ein bedrückender Tag: „Ich bekam vom Oberwärter direkt eine Ziege in die Hand gedrückt. Er sagte: »Halt die mal fest.« Dann nahm er ein Bolzenschussgerät und tötete sie. Ich war am Heulen“, erzählt Schmiedeberg. Besonders die Eisbären lagen ihm am Herzen. Einmal war er mit vier Bären in einem Gehege. „Als Bärenpfleger, da war man wer. Das hatte Prestige.“ Er kümmerte sich aber auch um Hyänen und Schlangen.

„Warte so lange, bis Chico nicht mehr da ist“

1984 reiste Schmiedeberg im Rahmen einer Familienzusammenführung aus der DDR nach Hamburg, kurze Zeit später kam von Ex-Zoochef Gunther Nogge eine Einladung nach Köln: „Diese Anstellung hat mein Leben schön gemacht und mir Glück gebracht. Damals dachte ich erst: Affenpfleger? Aber ich freute mich, weil diese Tiere intelligent und dankbar sind. Man bekommt Feedback, was ja nicht bei vielen Tieren der Fall ist.“

1987 kreuzte dann Chico seinen Weg. „Seitdem sind wir in einer Art Liebe zueinander. Ich habe zuhause auch ein großes Foto von ihm, neben dem Kamin. Wenn ich das morgens sehe, geht mir das Herz auf. Ich weiß, ich werde Chico nicht mehr verlassen. Ich warte so lange, bis er nicht mehr ist.“ (red)

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