Uğur Şahin in Köln„Wir haben euch für den Medizin-Nobelpreis vorgeschlagen“

Lesezeit 3 Minuten
sahin gürzenich_002

Uğur Şahin im Gespräch im Foyer des Gürzenich.

Köln – Als der Krebsmediziner Volker Diehl am Samstag auf das Podium im Kölner Gürzenich tritt, um eine Rede von Impfstoff-Entwickler und Biontech-Chef Uğur Şahin anzukündigen, spricht er etwas an, das Şahin selbst gerne aus Bescheidenheit umschifft: die Aussicht, den Nobelpreis zu gewinnen. Gemeinsam mit dem deutschen Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen habe Diehl sowohl Şahin als auch Özlem Türeci und Kathalin Karikó für den Nobelpreis 2022 in Medizin vorgeschlagen. „Leider waren wir nicht erfolgreich, aber vielleicht klappt es nächstes oder in den folgenden Jahren.“

Şahin ist in Köln aufgewachsen und hat mit seiner Frau Özlem Türeci und ihrer gemeinsamen Firma Biontech einen der ersten Impfstoffe gegen Corona entwickelt. In Rekordzeit ist so in Mainz ein Großkonzern entstanden. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen 3,4 Milliarden Dosen mRNA-Impfstoffe produziert.

Die Technologie haben Türeci, Şahin und ihre Mitarbeiterin Karikó maßgeblich entwickelt und so einen wichtigen Baustein im Kampf gegen die Corona-Pandemie geschaffen. Auf dem Kongress zum Hodgkin-Lymphom ist Şahin daher gefeierter Gastredner.

Ugur Sahin: „Es war immer peinlich, wenn Experimente nicht klappten“

Auf die Nobelpreis-Nominierung geht Şahin nicht ein. Der 57-Jährige erinnert sich an seine Studienzeit in Köln, als er im LFI-Gebäude der Uniklinik erste Forschungen für seine Doktorarbeit machte. „Es war immer peinlich, wenn die Experimente nicht klappten", sagt er und berichtet davon, wie er während laufender Experimente Vorlesungen für Innere Medizin des Onkologen Volker Diehl besuchte. Diehl berichtet, dass Şahin schon damals von einer „wissenschaftliche Obsession“ getrieben worden sei, diese mit seiner Frau Özlem teile und sie bis heute nicht verloren habe.

Şahin erinnert sich vor hunderten Medizinerinnen und Medizinern im Saal an einen Meilenstein bei der Forschung in seiner ersten Firma Ganymed, als er nachts um zwei Uhr den Durchbruch bei einem klinischen Test erkannte. Er habe triumphierend Özlem geweckt. Sie habe nur gesagt: „Ich will schlafen.“

Sahin zu Krebs-Impfstoffen: „Es ist nur eine Frage der Zeit“

Für Şahin und Türeci ist die Obsession weiterhin, individualisierte Impfstoffe für Krebspatienten zu entwickeln. Während seiner Arbeit als Arzt mit ersten Patienten in Köln habe sich eingebrannt, irgendwann am Krankenbett sagen zu müssen: „Wir können Ihnen nichts mehr anbieten.“ Die Fortschritte mit der mRNA-Technologie stimmten ihn allerdings zuversichtlich, dass es technisch möglich werde, Krebs durch individualisierte Impfstoffe zu bekämpfen. „Es ist nur eine Frage der Zeit.“

Natürlich treibt Biontech auch weiter die Impfstoff-Entwicklung gegen Corona voran und entwickelt für neue Varianten Impfstoffe. Die Erfahrung zeige nun, dass etwa alle drei Monate eine neue Corona-Variante dominiere. Impfstoffe in weniger als drei Monaten zu entwickeln, sei nur ohne klinische Versuche möglich.

Allerdings seien die Zulassungsmechanismen noch eine Herausforderung für diese zeitlichen Zyklen. So sei der für BA.1 angepasste Impfstoff dann zugelassen gewesen, als es „BA.1 nicht mehr da war“. Die Zulassung für die Impfstoff-Variante BA.4/BA.5 wurde in Europa auf Basis der BA.1-Daten erteilt – ohne zusätzliche klinische Tests.

KStA abonnieren