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Über 100 Anmeldungen vor StartNeues Geburtshaus in Köln eröffnet im Juli

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Neugeborenes Baby 260621

In Köln-Lindenthal entsteht ein Geburtshaus (Symbolbild).

Köln – Für Lisa Jülich war es der natürliche Gang der Dinge. Vor fast 34 Jahren kam die Kölnerin als Hausgeburt zur Welt, ihre Tochter gebar sie im Geburtshaus und auch ihr fast zweijähriger Sohn wurde in den eigenen vier Wänden geboren. Hauptsache außerhalb der Klinik. „Ich hatte Sorge, mich in der klinischen Umgebung, in der ich das Personal nicht kenne, nicht entspannen zu können. Eine Geburt im Geburtshaus mit einer Hebamme, die mich schon vorher begleitet hat, war mir lieber. Tatsächlich war meine Angst vor dem Krankenhaus größer“, erzählt Jülich.

Köln: Lindenthaler Geburtshaus entsteht in der Uniklinik

Als sie sich in der 13. Schwangerschaftswoche im bisher einzigen Kölner Geburtshaus in Ehrenfeld anmelden wollte, war zunächst nichts mehr frei. Dementsprechend groß sei ihre Freude gewesen, als kurzfristig doch noch eine Zusage kam.

Das geplante, neue Lindenthaler Geburtshaus kann bereits einen ähnlichen Zulauf verzeichnen: Noch gar nicht in Betrieb, sind die Plätze bereits begehrt. Ohne Werbeaktion habe man etwa 100 Anmeldungen und unzählige Anfragen, erzählt Hebamme Sandra Murn. Dabei steckt die Einrichtung noch mitten in den Umbauarbeiten. Das Geburtshaus entsteht derzeit auf dem Gelände der Uniklinik Köln, auf einer Fläche von rund 170 Quadratmetern im Erdgeschoss der Frauenklink, und eröffnet voraussichtlich Mitte Juli. „Es war ein dreijähriger, langwieriger Prozess“, resümiert Murn, die Teil des zehn bis zwölfköpfigen Hebammenteams ist. Zwei Geburtsräume mit Gebärdenbadewanne soll es hier geben ebenso wie einen davon abgetrennten Bereich für das Tagesgeschehen: Büro, Sprechzimmer und Räume für Vorsorgeuntersuchungen.

Alles zum Thema Universitätsklinikum Köln

Der Trägerverein Lindenthaler Geburtshaus agiert rechtlich wie finanziell unabhängig. Die Hebammen sind nicht an der Uniklinik angestellt. Es besteht lediglich ein Mietverhältnis, und dennoch verspricht man sich viel von zukünftigen Kooperationen: „Wir planen zum Beispiel eine Zusammenarbeit mit der Kinderklinik, und wollen Mütter von Frühchen mitbetreuen, die sich dort häufig wochenlang ohne Hebamme aufhalten und hin- und hergerissen sind“, so Murn. Für sie ist das Projekt „zukunftsweisend“: Das gebe es bundesweit bisher nicht, dass ein Geburtshaus innerhalb einer Uniklinik entsteht. „Das ist nun ein Prototyp. Auf Kongressen wird immer wieder thematisiert, dass die Sicherheit der Frauen vor allem dann gewährleistet wird, wenn man verschiedene Genres der Geburtshilfe kombiniert und verknüpft“. 

Nicht nur für angehende Mütter sei das Modell attraktiv, auch für die Hebammen selbst sei die Arbeit im Geburtshaus erfüllend. „Es bietet uns die Möglichkeit, den Hebammenberuf, so wie wir ihn gelernt haben, auszuführen. Durch die 1:1 Betreuung kann man das eigentliche Hebammenwissen anwenden“. Im Kreißsaal gehe es wesentlich hektischer zu, häufig müsse man mehrere Gebärende gleichzeitig versorgen. Und angehende Mütter suchten im Geburtshaus vor allem Selbstbestimmung, das in dem Zusammenhang keine Floskel sei, versichert Murn.

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Studien zeigten, dass durch die exklusive Betreuung und ständige Aufklärung über den aktuellen Stand der Bedarf nach Schmerzmitteln während der Entbindung wesentlich geringer ausfiele, so Murn. Der Anteil der geplanten außerklinischen Geburten lag laut der Gesellschaft für Qualität in der außerklinischen Geburtshilfe (QUAG) 2020 in Deutschland bei rund 1,8 Prozent, also bei circa 14.000 von insgesamt 770.000 geborenen Kindern. Vor 20 Jahren betrug der Anteil 1,12 Prozent (8200) von 737.000 – er ist also leicht gestiegen.

Boomen Hausgeburten wegen Corona-Pandemie?

Die Pandemie habe zudem einen gewissen Trend zur außerklinischen Geburt verstärkt, da Väter aufgrund der Corona-Auflagen in Kliniken ihren Frauen nur eingeschränkt zur Seite stehen konnten, weiß Murn aus Erfahrung. Manche sprechen gar von einem coronabedingten „Boom der Hausgeburt“. Professor Peter Mallmann, Direktor der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Uniklinik Köln, kann bestätigen, dass die Nachfrage nach ambulanter Entbindung im Kreißsaal pandemiebedingt ebenfalls gestiegen sei.

Die Nähe zum neuen Lindenthaler Geburtshaus stelle für die Uniklinik „eine einmalige Chance“ dar, teilt Mallman auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Einerseits ermögliche es den Frauen, ihre Vorstellungen einer Hebammen geleiteten Geburt umzusetzen. Andererseits „steht im Hintergrund bei Auftreten von Komplikationen das gesamte Spektrum der modernen Universitätsmedizin einschließlich geburtshilflicher und kinderärztlicher Versorgung zur Verfügung, falls es benötigt wird“.

Dennoch handle das Geburtshaus „in eigener Verantwortung“: „Auf fachlicher Ebene gibt es keinerlei Eingreifen oder Verantwortung seitens der Uniklinik sowie keine standardmäßige Verlegung der Gebärenden in den Kreißsaal der Uniklinik bei Komplikationen.“ Den Frauen stehe es frei, sich in andere Kliniken verlegen zu lassen. „Lediglich in lebensbedrohlichen Situationen leisten wir eine Notfallversorgung“, So Mallmann.

Lisa Jülich habe sich in der Schwangerschaft wegen möglicher Komplikationen keine Sorgen gemacht: „Ich wurde gut aufgeklärt“, erinnert sie sich. Zudem würden Hebammen durch die Bewachung des Schwangerschaftsverlaufs bereits vieles auffangen, ist sich die zweifache Mutter sicher. In der Tat gebe es laut Hebamme Murn entsprechende Regelungen. „Die Frau muss gesund sein und muss ein gesundes Kind erwarten, um im Geburtshaus entbinden zu können.“

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