Übersterblichkeit in Köln2021 teils 41 Prozent mehr Tote pro Woche als vor Corona

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Corona Symbolbild Pflege im KH

Pflegefachkräfte versorgen einen Intensivpatienten (Symbolbild)

  • Seit dem Ausbruch von Corona sind in Deutschland mehr Menschen gestorben als es statistisch erwartbar gewesen wäre.
  • Das zeigen Vergleiche mit den Werten der Jahre vor 2019.
  • Ein Zusammenhang mit der Pandemie liegt auf der Hand, jedoch ist Covid-19 nicht der alleinige Grund.

Köln – 1.016.899 – so viele Menschen sind nach ersten Ergebnissen des Statistischen Bundesamts im vergangenen Jahr in Deutschland gestorben. Zum ersten Mal seit 1946 hat dieser Wert auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik die Millionengrenze überschritten. Das sind nach Angaben der Behörde acht Prozent mehr Gestorbene als 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie. Auch die Vergleiche mit den Jahren vor 2019 zeigen, dass seit dem Ausbruch von Corona mehr Menschen in Deutschland ihr Leben lassen als es statistisch erwartbar gewesen wäre. Wissenschaftler habe dafür ein sicherlich zutreffendes, aber gleichwohl schlimmes Wort ersonnen: Übersterblichkeit. Ein Zusammenhang mit der Pandemie liegt auf der Hand, sind sich Behörden einig. Auch wenn Covid-19 nicht der alleinige Grund ist.

In Köln lag die Zahl der Gestorbenen 2020 mit 10.180 erstmals seit Jahrzehnten über der Grenze von 10.000. Die vorläufigen Berechnungen der Stadtverwaltung für das vergangene Jahr, die dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vorliegen, zeigen, dass 2021 mit 10.218 sogar noch mehr Menschen gestorben sind. Und dabei sind die Toten der letzten Woche des Vorjahrs noch gar nicht erfasst, weil „noch marginale Korrekturen durch verspätete Meldungen erwartet werden“, erläutert die Stadt. Die Verwaltung hat die Menge der 2021 Verstorbenen mit dem Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019 – also vor der Pandemie – verglichen.

Schon in den ersten Wochen von 2021 lagen die Sterbefälle deutlich über dem der Vergleichszeiträume der Vorpandemiejahre. In der allerersten Wochen starben mit 229 24,5 Prozent mehr Menschen als im Durchschnitt der Jahre 2015 bis 2019. Nun sind die Sterbezahlen in den Wintermonaten wegen der regelmäßigen Grippenwellen oft hoch. Aufgrund von Kontaktbeschränkungen und Maskenpflicht gab es jedoch kaum Influenza-Fälle – dennoch lag die Sterberate über dem Durchschnitt.

Alles zum Thema Robert-Koch-Institut

Im Januar „deckten sich die zusätzlichen Sterbefälle nahezu komplett mit den beim Robert Koch-Institut gemeldeten Covid-19-Todesfällen“, bilanziert das Statistische Bundesamt in seiner Betrachtung der bundesweiten Zahlen. „Durch die ausgefallene Grippewelle“ seien die Werte im Februar/März kurzfristig unter den Schnitt der vorpandemischen Zeit gefallen, heißt es weiter. Danach stiegen sie indes wieder, auch in Köln. Anfang Mai, während der dritten Corona-Welle, starben mit 229 rund 30 Prozent mehr Kölnerinnen und Kölner als üblich.

Höhepunkt der Sterberate Mitte Juni

Den Höhepunkt des Vorjahrs verzeichnete die Stadtverwaltung Mitte Juni. In einer Woche verloren 41 Prozent mehr Menschen ihr Leben als im Mittel der Jahre vor Corona. Seit Mitte September liegen die Sterbezahlen durchweg über denen zwischen 2015 und 2019, mit bis zu 34,5 Prozent zum Teil deutlich. Damit lag Köln im Bundestrend. So resümiert das Statistische Bundesamt für Deutschland: „Im September (plus zehn Prozent) und Oktober (plus elf Prozent) lagen die Sterbefallzahlen wieder deutlich über dem Vergleichswert der Vorjahre. Die Sterbefallzahlen für November und Dezember übertrafen während der vierten Corona-Welle den Vergleichswert nochmals stärker: So starben im November 21 Prozent und im Dezember 22 Prozent mehr Menschen als im Mittel der vier Vorjahre.“

„Aus den vorliegenden Zahlen geht hervor, dass in Köln 2020 und 2021 eine Übersterblichkeit zu beobachten ist“, sagt die Stadtverwaltung. „Inwieweit diese Übersterblichkeit ausschließlich auf die Pandemie zurückzuführen ist, lässt sich statistisch nicht zweifelfrei belegen. Aber der gleichförmige Verlauf der Kurve der Sterbefälle mit den Wellen der Pandemie deutet auf einen Zusammenhang“, heißt es weiter.

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Bei der Betrachtung der absoluten Zahl der Gestorben muss indes berücksichtigt werden, dass auch die Bevölkerung wächst. Auch wenn dieses Wachstum zuletzt teils stagnierte. Zudem bringt der demografische Wandel mit sich, dass mehr ältere Menschen in Deutschland und Köln leben, die eher versterben als jüngere. Gleichzeitig steigert unter anderem der medizinische Fortschritt die Lebenserwartung. Mehr Senioren und höhere Lebenswartung, „bei gleichzeitigem Wirken beider Effekte stiegen die Sterbefallzahlen vor Beginn der Pandemie jährlich um durchschnittlich ein bis zwei Prozent“, konstatiert das Statistische Bundesamt für die gesamte Republik. Seit Corona habe sich das jedoch verändert. „Bereits 2020 war der Anstieg im Vergleich zum letzten Vorpandemiejahr 2019 stärker ausgeprägt (plus fünf Prozent)“, sagt die Wiesbadener Behörde. „Ausgehend von 2019 wäre für 2021 eine Sterbefallzahl von 960.000 bis 980.000 erwartbar gewesen, also ein Anstieg um zwei bis vier Prozent. Tatsächlich ist sie von 2019 auf 2021 um acht Prozent gestiegen“, analysiert das Bundesamt.

Hohe Infektionszahlen, hohe Sterberate

Auch auf Länderebene ließen sich Verbindungen zwischen Sterbefallzahlen und Pandemie herstellen, sagen die Statistiker. Beispiel November, wo die Menge der Gestorbenen „in allen Bundesländern über dem jeweiligen mittleren Wert“ der Vorjahre lag. Am höchsten seien die Abweichungen im November 2021 in Sachsen (plus 49 Prozent), Thüringen (plus 47 Prozent) und Bayern (plus 32 Prozent) gewesen. „Damit waren die Befunde zur Übersterblichkeit in den Bundesländern am deutlichsten, in denen auch die Corona-Infektionszahlen zuvor am höchsten waren“, erläutert das Bundesamt in seinem Bericht. In Nordrhein-Westfalen starben im vergangenen November etwa 12,5 Prozent mehr Menschen als durchschnittlich in den Jahren vor Corona.

Das Netzwerk Euromomo, das seit einigen Jahren die Übersterblichkeit in vielen Ländern Europas ermittelt und auf das auch das Bundesamt für Statistik verweist, sieht ebenso in den Nachbarstaaten Deutschlands eine erhöhte Mortalitätsrate. In den letzten Tagen von 2021 stellen die Statistiker zum Beispiel für Frankreich – wie auch für Deutschland – eine hohe Übersterblichkeit fest. In Dänemark und den Niederlanden war sie „moderat“, in Belgien, Österreich und der Schweiz immerhin noch „niedrig“ erhöht. Für die östlichen Nachbar Polen und Tschechien lieferte Euromomo kein Daten.

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