Abo

Umstrittene ErinnerungWie Köln mit Denkmälern aus der Kolonialzeit umgeht

Lesezeit 4 Minuten
Reiterdenkmal Köln beschmiert

Das Reiterdenkmal an der Hohenzollernbrücke wurde Ende Juni mit roter Farbe beschmiert. Mittlerweile hat die Stadt das Denkmal gesäubert. Doch die Diskussionen um die Denkmäler bleiben.

  • Im Zuge der Rassismus-Debatten und der „Black lives matter“-Proteste sind Denkmäler zum Diskussionsgegenstand geworden.
  • In Köln wurde das Reiterdenkmal an der Hohenzollernbrücke beschmiert. Mittlerweile ist es wieder gereinigt, doch die Diskussionen um die Kolonial-Statuen bleiben.
  • Wie soll man mit ihnen umgehen? Eine Analyse über den Umgang mit den Denkmälern in Köln.

Köln – Aufrecht wie eh und je reitet Wilhelm II. an der linksrheinischen Rampe der Hohenzollernbrücke der Kölner Innenstadt entgegen, bronzen und sechs Meter hoch. Doch jetzt ist sein Stolz getrübt: In der Nacht zum 24. Juni färbten Unbekannte den Sockel des Reiterstandbildes und die Unterseite des kaiserlichen Pferdes in unterschiedlichen Rottönen, als Hinweis auf die blutige Kolonialgeschichte des Deutschen Reiches unter seinem letzten Kaiser. Plakate und Zettel, die den Sinn der Aktion erläutern, wurden von der Polizei beschlagnahmt. Der Staatsschutz ermittelt.

Der Anschlag auf das ungeliebte Denkmal ist das lokale Ergebnis einer globalen Bewegung: Nachdem der Afroamerikaner George Floyd durch Polizeigewalt in Minneapolis getötet worden war, erhoben sich zuerst in den USA und bald darauf auch in Europa Proteste gegen den alltäglichen Rassismus, der die Gesellschaften der ehemaligen Kolonialmächte immer noch prägt.

Kampf gegen eine Erinnerungskultur

Die Entrüstung richtet sich dabei auch gegen eine Erinnerungskultur, die Personen und Taten mit Denkmälern und Straßennamen glorifiziert, die man nach heutigem Verständnis als verbrecherisch brandmarken würde. „Black Lives Matter“-Aktivisten stürzten im englischen Bristol die Statue eines Sklavenhändlers und versenkten sie im Hafen der Stadt, in den USA fackelte die Diskussion um die Entfernung von Monumenten wieder auf, die Generäle und Politiker der konföderierten Sklavenhalterstaaten feiern.

„Stadt mit K“ – Der Newsletter

Alles, was Sie heute in Köln wissen müssen

Die Corona-Krise hat unser Leben in den vergangenen Wochen bestimmt, nun kehrt langsam aber sicher ein Stück Normalität in unser Leben ein. Mit unserem Newsletter „Stadt mit K“ wollen wir mit Ihnen gemeinsam aus der Krise gehen. Mit Ausgeh-Tipps, Verlosungen und natürlich dem Überblick über die aktuelle Nachrichtenlage in Köln – in nicht mal fünf Minuten Lesezeit. Bis 7 Uhr liefern wir Ihnen von Montag bis Freitag alle Infos für den Tag und erzählen Ihnen außerdem, was in Köln wichtig ist und was über den Tag wichtig wird. Als Newsletter-Abonnent erhalten Sie außerdem regelmäßig exklusive Infos und Geschichten. Alles komplett kostenlos und mit nur einem Link bestellbar. Hier geht's zur Anmeldung.

Längst hat die Diskussion auch Deutschland erreicht. In Hamburg streitet man über die Sanierung der überlebensgroßen Bismarck-Statue am Hamburger Hafen. Sie soll um kritische Einordnung ergänzt werden. Bismarck selbst war zwar ein Gegner deutscher Kolonialpolitik, doch als Reichskanzler hatte er mit der sogenannten Kongokonferenz 1884 die Aufteilung Afrikas unter den Kolonialmächten eingeleitet. Kaiser Wilhelm II., dessen Kölner Standbild inzwischen wieder mit Heißwasser und Hochdruckreiniger generalüberholt wurde, war als Oberster Heerführer für den Völkermord an den Herero und Nama in Namibia verantwortlich, den die deutsche Kolonialmacht zwischen 1904 und 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika verübt hatte.

Denkmal-Proteste sind nicht komplett neu

Bereits vor zwei Jahren hatten Aktivisten vor dem Sockel des Reiterstandbildes die Inschrift „Kaiser Wilhelm II. Völkermörder“ aufgestellt, auch diese Diskussion schwelt also schon länger – gleichwohl wurde sie mit gehöriger Verspätung begonnen. Aus guten Gründen stand die Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit über Jahrzehnte hinweg im Schatten zweier Weltkriege; Wilhelm II. war vor allem „schuldig“, das Kaiserreich in den Untergang geführt zu haben, die NS-Verbrechen in Afrika oder an Afrodeutschen erschienen gering im Vergleich zum Holocaust. 

Mittlerweile wurden aber auch in Köln zahlreiche düstere Kapitel der Kolonialzeit in Ausstellungen und durch Forschungsprojekte erhellt; es gibt koloniale Stadtteilführungen, im Nippeser „Afrika-Viertel“ wurden mehrere, deutschen „Kolonialherren“ gewidmete Straßen umbenannt, und selbst Konrad Adenauer muss sich posthum kritische Fragen gefallen lassen, weil er sich Anfang der 1930er Jahre dafür hergab, als stellvertretender Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft für die Rückgabe der im Ersten Weltkrieg an die Siegermächte „verlorenen“ Kolonien zu kämpfen.

Die Aufarbeitung der eigenen Kultur

Am engsten ist in Köln das städtische Rautenstrauch Joest Museum für Ethnologie mit dem deutschen Kolonialerbe verflochten – weshalb das Haus vergleichsweise früh damit begann, die koloniale Geschichte der eigenen Sammlung aufzuarbeiten. Im Jahr 2004 thematisierte es die Gräuel des deutschen Kolonialkrieges im heutigen Namibia, in der preisgekrönten Dauerausstellung des 2010 eröffneten Museumsneubaus wird sowohl dem Thema Kolonialismus wie auch der Biografie von Wilhelm Joest, auf den die Sammlung zurückgeht, viel Platz eingeräumt.

Das könnte Sie auch interessieren:

Den 1852 geborenen Sohn eines Kölner Kommerzienrats trieb das Fernweh um die halbe Welt, von seinen zahlreichen Forschungsreisen, die überwiegend durch europäische Kolonien führten, brachte er mehrere Tausend Objekte heim – rund 3500 von ihnen bildeten den Grundstock für das 1901 gegründete damalige Völkerkundemuseum. Glaubt man Joests Reisetagebüchern, erwarb er die Museumsstücke auf ehrliche Weise, doch ist die Geschichte der Joest'schen Sammlung noch längst nicht ausreichend erforscht, um dies beurteilen zu können – zumal bei Kauf- und Tauschgeschäften, die meist im kolonialen Rahmen stattfanden.

Das beschmierte Reiterstandbild war übrigens schon zur Zeit seiner Einweihung im Jahr 1911 umstritten: „Der Kaiser befindet sich bei dieser Denkmalsidee im Widerspruch mit den weitesten Kreisen des Volkes“, schrieb die „Rheinische Zeitung“. Normalerweise wurden solche Denkmäler erst nach Ableben des so Geehrten errichtet – und nicht auf Betreiben desselben. Wegen des unrühmlichen Abgangs des Kaisers ist die Kölner Statue übrigens das einzige Denkmal Wilhelms II. hoch zu Ross geblieben.

KStA abonnieren