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Umstrittene KahlschlägeKampf um Bäume in Köln wird immer mehr zur Grundsatzdebatte

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Bonner Straße Kahlschlag Grabkerze 171025

Auf der Bonner Straße wurden im vergangenen Jahr Bäume gefällt.

Köln – Es wächst sich schnell zu einer grundsätzlichen gesellschaftlichen Debatte aus, wenn es in einem Ballungsraum wie Köln zu Eingriffen in die Natur in der Großstadt kommt. Etwa durch Rodungen im Stadtgrün, wie zuletzt etwa die 136 Bäume, die für die Erweiterung des Weidener Georg-Büchner-Gymnasiums weichen mussten. Oder die Fällung der erst ein Jahr zuvor gepflanzten Bäume am Gregor-Mendel-Ring in Lövenich, wo der Landesbetrieb Straßenbau NRW seit Ende März einen Lärmschutzwall für die Anwohner in dem Quartier um den Egelspfad errichten lässt. Viele Anwohner sind über den Beschnitt nicht glücklich, ihre Kritik blieb aber ungehört.

„Es gibt Bäume, auf deren Fällung ein Aufschrei der Bürger folgt, bei anderen wird nicht wahrgenommen, dass sie weg sind“, sagt Joachim Bauer, stellvertretender Leiter des Kölner Amts für Landschaftspflege und Grünflächen. Er befürworte es, wenn die Bewohner einer Stadt sich für den Erhalt der Natur darin einsetzten, trotzdem stelle er oft fest, „dass die Debatten darüber mit mehr Emotionalität als Sachlichkeit und Fakten geführt werden“.

Wohin soll die Stadt wachsen? Nach außen und in die Breite, oder verdichtet man die verfügbaren Flächen im Innern? Letzteres sei derzeit politischer Konsens in Köln, so Bauer, darum müssten für das Erreichen dieses Ziels Bäume weichen – maßvoll und gut abgewogen. Wo und wie viele das seien, könne jedes Jahr öffentlich nachvollzogen werden. Wie sehr einige Bürger davon überzeugt sind, dass dieses Augenmaß häufig nicht angewandt wird, zeigten die massiven Proteste gegen die Fällung Hunderter Bäume im Oktober 2017 entlang der Bonner Straße, die für die dritte Baustufe der „Nord-Süd-Stadtbahn“ weichen mussten. Christoph Loesch aus Rodenkirchen demonstrierte damals mit vielen anderen Menschen gegen die Fällung. „Ich bin resigniert, wenn ich sehe, wie in Köln mit Bäumen umgegangen wird. Es ist so wichtig, dass sie da sind und zum Beispiel Schadstoffe aus der Luft filtern. In dieser Stadt wird ihnen aber kein Respekt entgegengebracht“, kritisiert Loesch, „sie werden reihenweise und oft grundlos gefällt“.

Der Mitbegründer der 2007 ins Leben gerufenen Initiative „Kölsche Baumschützer“ bemängelt das Vorgehen der Stadt in den vergangenen Jahren als „schleichende und an Profitstreben orientierte Abholzung des Kölner Baumbestandes“. Es gehe um Fristen für Fördergelder und Prestigeprojekte, dabei müssten viele Bürger täglich beobachten, wie das städtische Grün immer weiter reduziert werde. Als Begründung würde es sich in vielen solcher Fälle seitens der Stadt offiziell um Pflegemaßnahmen handeln, dass man der Verkehrssicherungspflicht nachkomme oder Stellflächen für Baufahrzeuge benötige, so die Kritik der Baumschützer. Die Proteste gegen die Entfernung einer Pappel-Allee am Rodenkirchener Rheinufer hatten Loesch damals dazu bewegt, sich dem Schutz der städtischen Pflanzenwelt zu widmen.

Seitdem hat der Geschäftsmann versucht, mit der Initiative „Kölsche Baumschützer“ ein „Sammelbecken für Gleichgesinnte stadtweit“ zu etablieren. Mit mäßigem Erfolg, wie er einräumt. Zwar gebe es in allen Kölner Stadtbezirken Menschen, die sich untereinander über den Schutz und den Erhalt von Bäumen austauschten, aber ein Netzwerk, um der Stadt und den Entscheidungsträgern in den zuständigen Ämtern das aus seiner Sicht oft beliebige oder von wirtschaftlichen Interessen geleitete Roden von Bäumen zu erschweren, ist daraus bislang nicht geworden.

Zu viele Vereine seien mit unterschiedlichen Zielsetzungen in der Stadt aktiv – örtlich wie inhaltlich. Eine wie von Loesch gewünschte „Kontrollinstanz der Bürger“ sei weder notwendig noch hilfreich, hält Joachim Bauer dagegen. Aus seiner Sicht stehen mit der städtischen „Baumschutzordnung“ sowie „fachlich bestens ausgebildeten“ Mitarbeitern etwa aus seinem Amt ein umfangreiches Regelwerk sowie kompetentes Personal zur Verfügung, um einen „rücksichtsvollen und angemessenen Umgang“ mit den Bäumen in Köln zu gewährleisten.

Baum-Kontrolleure beschäftigt

„Wir beschäftigen neun Baum-Kontrolleure, die für Parks, Grünflächen und Spielplätze tätig sind“, zählt Bauer auf, weitere drei im Bereich der Forstwirtschaft sowie elf entlang der Kölner Straßen. „Sie alle besitzen einen Meisterbrief und geben die erste Empfehlung zum Umgang mit einem Baum nach einer visuellen Begutachtung ab“, erläutert er. Niemand handele dabei übereilt, und selbst die Fehler, die unterlaufen könnten, würden durch zwei weitere Kontrollinstanzen korrigiert werden, die vor der Fällung eines Baumes greifen. „Bei unsicherer Sachlage wird ein Ingenieur hinzugezogen, der den betroffenen Baum eingehender untersucht“, so Bauer. „Wenn das nicht genügt, wird ein externer Gutachter bestellt.“

Mitunter entstünden Konflikte um zu fällende Bäume aber auch aufgrund von Missverständnissen: „Wenn es etwa um die Verkehrssicherheit geht, können wir nur die Fällung eines Baums mitteilen, eine Diskussion über die Notwendigkeit zu führen, ist dann nicht mehr möglich – die Stadt ist als Eigentümerin verpflichtet, Gefahren zu beseitigen“, sagt Bauer. In diesen Bereich fallen dem stellvertretenden Grünflächenamtsleiter zufolge pro Jahr etwa 300 Fällungen von Straßenbäumen sowie auf Spielplätzen und in Parks an. Bauer gesteht aber ein, dass es in der Vergangenheit zu „Fehlern in der Kommunikation mit besorgten Bürgern“ gekommen sei. „Darum sind wir dazu übergegangen, vorab die Politik in Form der zuständigen Bezirksvertretung sowie organisierte Akteure der Kölner Baumschützer-Szene über geplante Fällungen zu informieren“, sagt er.

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Zu letzterer gehört seit dem Konflikt um die Fällung der Bäume für die Nord-Süd-Bahn an der Bonner Straße auch Thea-Maria Hullen aus Zollstock. „Die Vernichtung des äußeren und inneren Kölner Grüngürtels und seiner radialen Verbindungen durch diverse Groß-Bauprojekte kann kaum noch als schleichend bezeichnet werden“, lautet ihre Meinung. Ebenso sei die Praxis fragwürdig, dass neue Baumpflanzungen an frei gewordenen Stellen auf die vorgeschriebenen Ersatzpflanzungen im Rahmen von Bauprojekten angerechnet würden. „Köln war mit der Anlage der Grüngürtel der Zeit voraus. Wohnbedarf und Mobilität forderten seitdem immer wieder ihren Preis“, so Hullen. Andere Millionenstädte wie München, Hamburg und Berlin würden stärker nach Alternativen suchen. „Köln hat seine Zukunft schon deutlich gerodet. Das Grün und damit das Erbe Konrad Adenauers sind stark gefährdet“, mahnt sie.

Diese Kritik lässt Joachim Bauer so pauschal nicht gelten, die Zahlen sprächen eine andere Sprache: „Aus fachlicher Sicht ist es vor allem wichtig, dass etwa das Volumen der Bäume in einer Stadt nicht schrumpft. Das ist in Köln nicht der Fall, in den letzten Jahren ist hier sogar ein geringes Wachstum zu verzeichnen.“

Ob diese Entwicklung tatsächlich stimmt und welche Mittel dafür an welcher Stelle angewandt werden, das wollen Bürger wie Christoph Loesch und Thea-Maria Hullen besser überprüfen können. In Kooperation mit den Kölner Initiativen „Nabis“ und „Grüne Lunge“ sowie anderen ist darum ein neuer Versuch entstanden, die Kölner Naturschützer zu vernetzen. Seit April sind die Internetseiten des Projekts „Eco-lonia“ aktiv, die künftig eine Liste aller Kölner Gruppen, Bürgervereine und Initiativen mit Umweltschutzhintergrund enthalten sollen. 114 Adressen sind derzeit bislang unter der Adresse www.koeln4.de/s/eco zu finden. „Die Menschen müssen wieder mehr Respekt vor dem Baum und seinem Beitrag für unser Leben lernen“, fasst Christoph Loesch sein Anliegen zusammen. „Denn eine Stadt ist nur lebenswert, wenn sie nicht krank macht.“

Diese zwei Ämter sind für Bäume zuständig

Bei Privatbesitz ist in Köln das Umwelt- und Verbraucherschutzamt vornehmlich mit den Entscheidungen über zu fällende Bäume sowie Ersatzpflanzungen betraut. Leiter Konrad Peschen und sein Team entscheiden über Anträge auf Baumfällungen, die Bürger für ihre Gärten oder Unternehmen für Bauprojekte stellen.

Das Amt hat 2017 von 1084 Anträgen auf Baumfällungen 930 bearbeitet. Bei 504 Baumfällungen davon wurden insgesamt 1449 Ersatzpflanzungen angeordnet, das entspricht der Baumschutzsatzung Kölns, wonach je nach „Qualität“, also Alter oder Größe des Baums, etwa drei Neupflanzungen pro Fällung folgen.

Bei städtischem Grund ist das Amt für Landschaftspflege und Grünflächen zuständig für Planung, Neubau und Unterhaltung von Grünflächen, Wäldern und Friedhöfen. Leiter ist Manfred Kaune, sein Amt hat 2017 insgesamt 732 Baumfällungen angeordnet. Bei den Straßenbäumen gab es zeitgleich 158 Ersatz- sowie 200 Neupflanzungen. (ihi)

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