Uni KölnAuf den Spuren eines vergessenen Pioniers

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Karima Renes

Köln – Matéo Maximoff schrieb gegen den Tod und das Vergessen. Denn während in deutschen Vernichtungslagern im Zweiten Weltkrieg Hunderttausende Sinti und Roma ermordet wurden, beschrieb Maximoff in seinen Romanen das Leben der Roma, ihre Gebräuche und ihre Geschichten, die seit Jahrhunderten nur mündlich überliefert wurden. „Er hatte das Gefühl, die Kultur der Roma könnte verschwinden, und wollte dem etwas entgegensetzen“, sagt Karima Renes, die über Maximoff an der Kölner Universität forscht. In ihm sieht Renes einen „Pionier“ der Roma-Literatur.

Renes (38) studierte an der Universität Köln Französische Literaturwissenschaft und tüftelt derzeit an ihrer Doktorarbeit über „Interferenzen zwischen literarischem Schaffen und politischen Wiken Matéo Maximoffs“. Für ihre Arbeit wurde sie mit dem Schmittmann-Wahlen-Stipendium der Universität geehrt. In Rahmen des Studiums hat sie sich oft mit Stereotypen befasst, die unter anderem Sinti und Roma zugesprochen werden, und sich ein Netzwerk zu Initiativen der Roma aufgebaut. Ihre Dissertation entsteht in Zusammenarbeit mit dem Rom e.V. und den Rom-Archiven.

Geboren wurde Maximoff 1917 in Barcelona. Sein Vater stammte aus der Familie der Kalderasch-Roma, die seit Generationen den Beruf des Kesselbauers ausübten. Seine Mutter sei eine Manouche und Cousine des legendären Musikers Django Reinhardt gewesen, erläutert Renes. Die Familie wanderte aus Spanien nach Frankreich aus, nachdem die Roma dort als Nomaden registriert worden waren. Mit 14 Jahren wurde Maximoff Waise, musste sich und seine vier Geschwister als Kesselbauer durchbringen. Mit 21 Jahren wurde er verhaftet, nachdem es bei Issoire zu einer Fehde zwischen zwei Roma-Familien mit tödlichem Ausgang gekommen war. Es war die Haft, die Maximoff zum Schreiben brachte. Sein Anwalt Isorni hatte ihn aufgefordert, einen Bericht über das Leben der Roma zu verfassen, damit er sich auf seine Verteidigung vorbereiten konnte.

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Märchenhaft-realistischer Roman

Maximoff schrieb stattdessen binnen dreier Monate eine Rohfassung von „Die Ursitory“, ein märchenhaft-realistischer Romans, der im Milieu der Kalderasch-Roma spielt. Maximoff erhielt eine milde Strafe von wenigen Monaten Haft. Bevor der Roman veröffentlicht werden konnte, brach der Zweite Weltkrieg aus. Maximoff wurde in Frankreich interniert. In den französischen Lagern wurde nicht gemordet, aber die Behandlung war unmenschlich: Es gab nichts zu essen, kein Heizmaterial, keine Medizin. Die Insassen mussten sich bei Freigängen selbst versorgen. „Als ich im Alter von 23 Jahren ins Lager kam, wog ich 75 Kilo“, schrieb Maximoff. „31 Monate später hatte ich 44 Kilo und sah aus wie ein mit Haut überzogenes Skelett.“

„Die Ursitory“ konnten 1946 erscheinen und wurden ein Erfolg, weitere Bücher folgten. Realistische und magische Elemente verwob Maximoff in seinen Geschichten. Träume und Geister bevölkern seine Romane. Wie die drei Schicksalsengel, die in den „Ursitory“ den Lebensweg des jungen Arniko bestimmen, oder die Hexe in „Die Siebente Tochter“, die ihre Kräfte an das Mädchen Silenka weitergeben will, um endlich sterben zu können.

Dutzende Artikel über Leben der Roma

Maximoff hatte sich in dieser Zeit auf die Fahnen geschrieben, das Leben der Roma zu porträtieren. Dazu schrieb er nicht nur Romane, sondern auch Dutzende Artikeln für Zeitungen und machte Fotos, die er unter anderem im Band „Tsiganes“ veröffentlichte. Auf dem Höhepunkt seines Erfolgs verkehrte er mit Literaten wie Jean-Paul Sartre, vom Kulturministerium erhielt er die Ehrung „Ordre des Arts et des Lettres“. Dennoch ist er heute einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Am Ende lebte er zurückgezogen in Paris, wo er 1999 starb. In den 60er und 70er Jahren hatte er sich für eine evangelische Freikirche engagiert, für die er auch als Pastor arbeitete. „Er hat sein Schreiben in dieser Phase nicht konsequent verfolgt, sich stattdessen mit großem Elan in seine Prediger-Tätigkeit für die Pfingstkirche gestürzt“, so Renes. „Sonst hätte er vielleicht einen großen Durchbruch erlebt.“

Maximoff sei aber auch in dieser Zeit ein glühender Fürsprecher der Roma-Kultur gewesen, sagt Renes. Er habe aber nie die Schattenseiten ausgeblendet, sondern Familienfehden und Gewalt gegen Frauen verurteilt. Dass Maximoff die Gebräuche und Traditionen der Roma niedergeschrieben habe, habe ihm auch Kritik seitens der Roma eingebracht. „Mancher hat ihm vorgeworfen, internes Wissen an die Nicht-Roma zu verraten“, sagt Renes.

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Über das Schmittmann-Wahlen-Stipendium freut sich Renes besonders. Renes will sich auch nach ihrer Doktorarbeit weiter mit Maximoff beschäftigen. Derzeit arbeitet sie für das Rom-Archiv, ein Online-Projekt, dass 2019 an den Start gehen will. Sie hat bei ihrer Arbeit unter anderem die Tochter von Maximoff, Nouka Maximoff, in Paris besucht und möglicherweise einen literarischen Schatz entdeckt. Außer einigen Super-8-Filmen gibt es zahlreiche unveröffentlichte Briefe, tausende Fotos und Material für drei unveröffentlichte Romane.

Ehrung der Uni Köln

Die Ehrung wird von der Uni Köln und der Helene- und Benedikt-Schmittmann-Wahlen-Stiftung vergeben. Die Vergabe des Stipendiums erfolgt zur Ehrung des Gedächtnisses an den Kölner Universitätsprofessor Benedikt Schmittmann (1872 bis 1939), der von den Nationalsozialisten ermordet wurde. Gefördert werden Absolventen mit guten Noten und sozialem Engagement. Weitere Informationen gibt es an der Kölner Universität unter Telefon 0221/470-16 82. Informationen über die Stiftung gibt es im Internet. www.Schmittmann-Wahlen-Stiftung.de

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