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Veedels-CheckHöhenhaus hält einen bedeutenden jecken Rekord

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Die Finnensiedlung in Höhenhaus entstand in den 1940er Jahren.

Köln-Höhenhaus – Jedes der 86 Veedel Kölns hat seinen eigenen Charakter, das sagen die Kölner gern selbst über ihre Stadt. Eine Tradition oder einen Ort, für die oder den der Stadtteil bekannt ist, eine Eigenschaft, die man dem Menschenschlag zumindest nachsagt. In Höhenhaus ist möglicherweise diese Suche nach einer Gemeinsamkeit, einer Identität genau die Eigenheit, die dem Quartier im Herzen des rechtsrheinischen Bezirks Mülheim zu eigen ist – denn sie dauert bis heute an. Die Bedeutung des Ortes war vor allem als Standort von Werkswohnungen des Drahtseil- und Kabelherstellers Felten & Guilleaume während der Industrialisierung gewachsen, zahlreiche Einfamilienhäuschen boten den Arbeitern ein neues Zuhause. Der Stadtteil wuchs beständig, heute leben in Höhenhaus rund 16 000 Menschen.

Die schnelle Entstehung auf dem Reißbrett wegen des hohen Bedarfs an Wohnraum dürfte das Entstehen einer eigenen Mentalität erschwert haben. „Echte Höhenhauser sind selten“, sagt Manfred Schmitz. Nichtsdestotrotz, „die Menschen sind nett, man kennt und unterstützt sich, aber Höhenhaus ist nun mal kein über viele Jahre gewachsener und geformter Stadtteil, so wie das bei den meisten anderen Veedeln der Fall ist“, sagt Manfred Schmitz.

Der 62-Jährige hat fast sein gesamtes Leben in Höhenhaus verbracht, für ihn ist der gut fünf Quadratkilometer große Stadtteil Heimat. Ein Alleinstellungsmerkmal fällt Schmitz aber doch ein. Als leidenschaftlicher Jeck und 1. Vorsitzender der Karnevalsgesellschaft (KG) „Löstige Höhenhuuser von 1939“ – neben den „Naaksühle von 1949“ eine von zweien im Ort – muss er nicht lange überlegen: „Kein anderer Stadtteil Kölns, womöglich keine Stadt weltweit kann einen Präsidenten vorweisen, der länger für einen Karnevalsverein amtiert hat als bei uns in Höhenhaus“, sagt Schmitz lächelnd. Und tatsächlich, 1951, im Alter von gerade mal 22 Jahren, wurde Hans-Josef „Jupp“ Decker die Präsidentenkette der KG umgelegt. Für fünfmal elf Jahre sollte er sie behalten und die Geschicke der Höhenhauser Narren maßgeblich lenken.

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„Das ist absoluter Rekord und fester Bestandteil der Kölner Karnevalsgeschichte“, sagt Schmitz stolz. 2009 wurde er zum Nachfolger Deckers gewählt, „kein leichter Amtsantritt“, sagt er.

Schmitz sitzt im Restaurant „Galija“ an der Straße Im Weidenbruch, der Hauptverkehrsachse in Höhenhaus. Früher einmal wurde das Lokal von dem berühmten Kölner Büttenredner Karl Küpper geführt, heute ist es das Vereinsheim der KG. Die rund 50 aktiven der insgesamt etwa 100 Narren der „Löstige Höhenhuuser“ treffen sich hier einmal monatlich zum Austausch und um vergangene sowie künftige Aktivitäten zu besprechen. Schmitz lässt den Blick über die Kreuzung mit der Berliner Straße schweifen, an der „mal wieder stop and go“ herrscht. „Mit der S-Bahn und der Stadtbahnlinie 4 der Kölner Verkehrs-Betriebe ( KVB) sind wir sehr gut an die Stadt angeschlossen“, urteilt der Vereinspräsident, „die zahlreichen Pendler zwischen Köln und Leverkusen sind allerdings ein echtes Problem – das wird leider immer schlimmer.“

Gut angebunden, trotzdem unter sich – vielleicht beschreibt diese Formel das Leben in Höhenhaus. Wenn auch wenig Wert auf ausgeprägtes Gemeinschaftsleben vor Ort gelegt wird, der Stadtteil ist für viele Menschen attraktiv. Fakt ist, Höhenhaus wächst kontinuierlich, zahlreiche neue Häuser entstehen, Familien erfüllen sich den Traum vom Eigenheim mit Garten – nach wie vor vor allem Angestellte großer Firmen der Umgebung. Eine Einzelsiedlung in Höhenhaus ist die sogenannte Finnensiedlung.

Die hübschen, zweistöckigen Holzhäuser, deren Baumaterial finnische Firmen aus nicht vollständig geklärten Gründen in den 1940er Jahren nach Deutschland geschickt hatten, sind eine Abwechslung in den sich ansonsten ähnelnden Wohnstraßen. „Viele der Grünflächen sind bereits bebaut worden, inzwischen ist es sogar schwierig geworden, in Höhenhaus eine Wohnung zu finden“, weiß Manfred Schmitz.

Leider würden viele Zugezogene die klassischen Angebote der Sport- oder Karnevalsvereine nicht nutzen. Seit Jahren haben die Karnevalisten, aber auch der große Turn und Sportverein (TuS) Höhenhaus Nachwuchssorgen. Die individuell geplanten Siedlungsteile verbindet kein echter Ortsplatz, nicht mal ein Jugendzentrum ist vorhanden. „Manchmal fühlt man sich schon etwas vergessen“, sagt Schmitz an die Adresse der Politik. Zusammen mit anderen Engagierten versucht er seit Jahren, mit seiner Vereinsarbeit dagegen zu wirken.

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Die Kneipenkultur in Höhenhaus ist ebenfalls dürftig, gerade mal zwei gibt es. Eine davon, der „Grinkeschmied“ hat dabei am ehesten noch Bezug zu einer historischen Eigenheit des Quartiers. Der Sage nach war der „Grinkeschmied“ eines der Heinzelmännchen, die aus Köln vertrieben wurden. Die freundlichen Menschen in „Donewald“ fühlten sich dem Zwerg verbunden und boten ihm einen Zufluchtsort. Im Exil ging der Heinzelmann ihnen fortan bei der Feldarbeit zur Hand und stellte für die Handwerker Grinken her, die eisernen Bereifungen für Holzräder. Am Wupperplatz haben die Höhenhauser ihrem Heinzelmann 1979 ein Denkmal aus Bronze gesetzt.

Viel Lob erhält Höhenhaus stadtweit für seine Schulen, die Grundschule am Rosenmaar etwa stellt mit dem pädagogischen Konzept von Peter Petersen einen Anziehungspunkt für Kinder aus ganz Köln dar. Und in der Aula der Willy-Brandt-Gesamtschule durften die „Löstige Höhenhuuser“ von 1976 bis zu deren Abbruch vor wenigen Jahren ihre Sitzungen veranstalten. Auch die Kirchen aller Konfessionen sind aktiv. „Wir hatten hier auch einen Bürgerverein, der hat sich vor vier Jahren aufgelöst – es kamen immer weniger Menschen zu den Treffen“, berichtet Manfred Schmitz. Er bedauert die Entwicklung, sieht aber auch Gründe, die diesen Trend bestärken: „Für die Jugend gibt es hier nicht viel, ist doch klar, dass die eher in Richtung Innenstadt geht“, sagt der KG-Chef. Dennoch bleibt der kölsche Jeck optimistisch und freut sich auf die Session: „Zum 80-jährigen Bestehen des Vereins 2019 planen wir eine besonders schöne Feier“, kündigt er an. „Und wer weiß, vielleicht kann ein tolles Fest ja ein Beitrag für mehr Zusammenhalt in Höhenhaus sein.“

Die Geschichte des Veedels Höhenhaus

Ertsmals urkundlich erwähnt wurde „Donewald“ im Jahr 1117. Von dieser Zeit an und bis ins Jahr 1935 gehörte Höhenhaus zu Dünnwald, dann wurde der Vorort abgetrennt, weil er zu groß geworden war. Bis zur Eingemeindung nach Köln im Jahr 1914 bestand der Ort aus Höhenhaus und Höhenfeld. Ab 1891 siedelte sich die Bergische Löwen-Brauerei an der Berliner Straße in Höhenhaus an. Das bekannteste Produkt des Unternehmens war das „Höhenhaus-Pilsener“. „Willst Du morgens frisch heraus, trinke abends Höhenhaus!“, lautete der Slogan, mit dem in der Vor- und Nachkriegszeit im rechtsrheinischen Köln das Bier beworben wurde. Diese Ära ging nach dem Ersten Weltkrieg zu Ende, als die Löwen-Brauerei mit der Mülheimer Balsam-Brauerei zusammengelegt wurde. Seit 1974 wird am Hauptsitz der Brauerei an der Bergisch Gladbacher Straße nur noch „Gilden-Kölsch“ hergestellt – und das ist bis heute so. 

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Die Aktiven in den Höhenhauser Vereinen klagen über eine zu geringe Beteiligung der Bevölkerung. Große Veranstaltungen wie ein Veedelsfest finden nur selten statt, zu groß ist die Angst, aufgrund mangelnder Nachfrage allein und auf den Kosten hängen zu bleiben. Allein die IG Höhenhaus, ein Zusammenschluss aus Gewerbetreibenden im Ort, veranstaltet ein- bis zweimal im Jahr einen verkaufsoffenen Sonntag entlang der Straße Im Weidenbruch. „Wünschenswert wäre außerdem mehr Unterstützung seitens der Stadt, etwa bei der Planung eines Treffpunkts für Jugendliche – davon gibt es leider nicht einen“, sagt Manfred Schmitz von der Karnevalsgesellschaft „Löstige Höhenhuuser“. Darüber hinaus müssten für Autofahrer von Nord nach Süd Alternativrouten gesucht und gefunden werden, denn im Berufsverkehr sei etwa die Berliner Straße völlig überlastet.

Sorgen bereitet die Entwicklung der zentralen Einkaufsstraße, die immer mehr an Attraktivität einbüßt und langjährig angesiedelte Geschäfte verliert. „Mit einem Penny- und einem Rewe-Markt in der Ortsmitte werden Bäckereien, Metzger und andere Läden immer mehr verdrängt“, sagt Schmitz. Auch die Möglichkeit, irgendwo mal ein Kölsch trinken zu gehen, sind zurückgegangen. Wenn es wieder einen Veranstaltungssaal gäbe, würde seine KG mit den großen Sitzungen aus dem Dorint-Hotel in Deutz zurück ins eigene Veedel kommen. 

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