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Veedels-CheckIn Dünnwald steht das D für Kölner Dorf

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Der Dünnwalder Wildpark mit seinen Mufflons

Köln-Dünnwald – Der Blick auf das Gebäude am Dünnwalder Mauspfad mit der Nummer 391 ist wie eine Zeitreise: Ein klassisches Dreifenster-Haus, wie es um das Jahr 1900 viele gab. Im Innern geht die Reise weiter: In die Welt des Fasteleers. Das Gebäude ist das Hoppeditz-Hüsje der Großen Dünnwalder KG von 1927. Es ist Kölns erstes Karnevalsmuseum. Eröffnet 2002, noch vor dem Haus des Festkomitees am Maarweg. Das Museum beherbergt Unikate und Sammlerstücke: Neben dem Originalkostüm des Büttenredners Toni Geller finden sich dort die ersten Schallplatten der Paveier und Originalnoten von Willi Ostermann. Das Museum steht auch für Leidenschaft.

Die ist in Dünnwald sehr ausgeprägt – nicht nur für den Karneval. Gerade im vergangenen Jahr, dem Jahr des runden Geburtstages. „900 Jahre Dünnwald – die Feierlichkeiten haben die Menschen wieder näher zusammengebracht“, sagt Fabian Lagodny, Vorsitzender des Dünnwalder Bürgervereins. Die Initialzündung kam allerdings schon ein paar Jahre vorher, 2011, mit dem Dünnwalder Frühling. Der Beginn des Probelaufs für die Festlichkeiten im vergangenen Jahr. Das Motto einfach: „Von Dünnwaldern, mit Dünnwaldern und für Dünnwald“. Das habe viele Menschen begeistern können. „Da ist der Funke übergesprungen.“ 

Das findet auch Stephani Hürten. Die 56-Jährige wohnt zwar im benachbarten Höhenhaus, führt aber seit 26 Jahren die Buchhandlung „Lesezeichen“ auf der Berliner Straße. „Die Menschen sind wieder aktiver geworden“, erzählt die Mitinitiatorin der Musiknacht, die jüngst zum zweiten Mal im Veedel stattfand. Auch weil sie den Stadtteil – wieder – als Zuhause begreifen. 

Alles zum Thema Paveier

Diese Verbundenheit kennt Brigitta Altgassen. Ihre Familie ist seit Jahrzehnten in Dünnwald verwurzelt. Der Vater Architekt, dem Großonkel gehörte eine Gaststätte. Die 47-jährige Apothekerin stellt fest, dass sich Dünnwald wieder neu aufstellt – zumindest, was die Menschen betrifft. „Als Kind dachte ich, der Himmel ist blau und alles ist super.“ Doch das war es nicht. Vereine hätten gegen-, nicht miteinander gearbeitet.

Als die Studienzeit anbrach, hatte Brigitta Altgassen nicht gedacht, dass sie Dünnwald als Wohn- und Arbeitsort wiedersehen wird. Doch es kam anders. Der Weg führte zurück. Und das nicht nur bei ihr. „Es kommen immer mehr zurück“, sagt sie. „Weil Dünnwald eine gute Lebensqualität bietet“, ist Fabian Lagodny überzeugt. Was das ist, zeigen anschaulich ein paar Holzfiguren auf dem Kreisverkehr an der Leuchterstraße, die auf Wildpark und Waldbad hinweisen. Die grünen Oasen im Veedel. Auf den Nummernschildern der Autos, die den Kreisel passieren, steht das „K“ am Anfang.

Doch vom hektischen Leben einer Großstadt ist man in Dünnwald weit entfernt – irgendwie ist es ein wenig wie auf dem Land. Dünnwald sei ein großes Dorf, sagt Hürten: Das sei auch in den Köpfen der Menschen verankert. „Wir gehen ins Dorf“, heißt es bei ihnen. Doch auch das hat sich gewandelt. Das merkt man besonders an der Berliner Straße. Früher gab es Geschäfte mit Haushaltswaren, Schuhen, auch Metzger, so die Buchhändlerin. Sie alle sind verschwunden. 

Nicht so die Zeugen der Vergangenheit. Sie sind allgegenwärtig. Ob die Hügelgräber oder Haus Haan, die 1230 erstmals urkundliche Wasserburg, die heute eine luxuriöse Eigentums-Anlage ist. Oder die alte Arbeitersiedlung Am Kunstfeld – die älteste im Rheinland – mit ihren „Siebenzylindern“, Deutschlands einzige denkmalgeschützte Toilettenanlage. St. Nikolaus darf natürlich nicht fehlen.

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Die Nachbarschaft zum Klosterhof spielte bei der Namensgebung der Straßen eine Rolle: „Am Portzenacker“ meint den Acker vor der Klosterpforte. Ein Weg ist nach der Heiligen Hildegund benannt, die bei der Schenkung des Klosters beteiligt war. Ihr Vater Graf Hermann von Liedberg findet man genauso auf den Straßenschildern wie Jutta von dem Bongert, 1290 bis 1304 „Meisterin“ des Klosters. 

Auf einer Anhöhe in Richtung Stammheim liegt der Bildstock „Der weiße Mönch“, gewidmet dem Heiligen Norbert von Xanten. Er gilt als Gründer des Prämonstratenser-Ordens. Um ihn ranken sich einige Legenden. Franz Peter Kürten, im Jahr 1891 in Dünnwald geborener Schriftsteller und Dichter, hat sie aufgeschrieben.

Es gibt auch eine Straße „Am Weißen Mönch“, die mündet vom ältesten Teil Dünnwalds in der Neubausiedlung Am Donewald. Nicht mehr Nonnen oder Heilige geben den Straßen ihre Namen, sondern Menschen wie Aeltgen Dünwald, die Hebamme, die 1629 als Hexe hingerichtet wurde. Oder Auguste Kowalski langjährige Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt in Dünnwald. 

In „ihrer“ Straße steht auch das blaugestrichene Gebäude. „Henry’s H.O.P.E“ - Henrys Hoffnung steht in großen Lettern am oberen Rand. Es ist Anlaufpunkt für die Menschen in der Donewald-Siedlung. 2002 wurde es eröffnet. Vorher gab es nur provisorische Container für die Jugendarbeit. Zu wenig. Eine dreifache Mutter aus der Siedlung wandte sich an die Henry-Maske-Stiftung.

Hohe Arbeitslosenquote am Donewald

Durchboxen wie einst Maske im Ring, das müssen sich auch einige Bewohner Am Donewald, weiß Wayne Colbert. Seit zehn Jahren leitet er die Einrichtung in Trägerschaft der Christlichen Sozialhilfe Köln. Die Siedlung sei geprägt durch mangelnde Infrastruktur, die Arbeitslosenquote ist hoch. Städtebauliche Planungen seien nicht aufgegangen, findet Brigitta Altgassen, die hier auch Kunden ihrer Apotheke beliefert.

Früher, da sei die Donewald-Siedlung sehr isoliert von dem Rest des Veedels gewesen. „Die Eisenbahnschienen waren eine Art Demarkationslinie.“ Die habe es auch in den Köpfen gegeben. Doch das sei aufgeweicht, auch durch die Stadtteilkonferenzen, die in Henrys H.O.P.E stattgefunden haben. Vorurteile seien dadurch etwas abgebaut worden. Auch wenn die Donewald-Siedlung aus den 1990er-Jahren nicht so geschichtsträchtig ist, wie der restliche Teil von Dünnwald.

Eins gibt es auch hier: Leidenschaft. So ist aus der großen Hundetoilette im nahen Umfeld von „Henry’s H.O.P.E“ ein Bolzplatz entstanden, auch der Spielplatz „Zauberwald“ kommt an – nicht nur bei den Anwohnern der Donewald-Siedlung.  

Die größten Baustellen in Dünnwald

Großes Sorgenkind im Veedel ist die Berliner Straße. Zum einen wegen der Einzelhandelsstruktur, die dem allgemeinen Trend hinterher rennt – mit all seinen Folgen: Leerstände. Etliche ehemalige Geschäftshäuser sind oder werden in Wohnhäuser umgebaut. Zum anderen ist die Berliner Straße aus verkehrlicher Sicht ein großes Sorgenkind. Sind die Autobahnen 1 und vor allem 3 verstopft, merkt man dies auch in Dünnwald. Dann geht manchmal gar nichts mehr. Auch imKreuzungsbereich auf Höhe der Leuchterstraße läuft es nicht rund. Hier treffen Pkw-Verkehr und ÖPNV aufeinander. Wer von Höhenhaus kommend rechts abbiegen will, muss oft an der roten Ampel warten.

Autofahrer brauchen Geduld

Die Folge Rückstau auf der Berliner Straße. Autofahrer, die dann geradeaus fahren wollen, müssen Geduld mitbringen. Viele Dünnwalder vermissen ein generelles Verkehrskonzept für ihr Veedel. Auch in Sachen ÖPNV gibt es Nachholbedarf. Hier gibt es den Wunsch nach einer besseren Taktung von Buslinien – gerade an den Wochenenden, wenn der Bus sonntags erst ab mittags fährt.

Die Geschichte von Dünnwald 

Zwar deuten zahlreiche Hügelgräber auf eine vorchristliche Besiedelung, doch für den Stadtteil Dünnwald ist das Jahr 1117 von entscheidender Bedeutung. In einer Stiftungsurkunde wird ein Wald namens „Diunewalt“ erwähnt. Ritter Heidinricus (Heidenreich) hatte ihn als Teil seines Vermögens für kirchliche Zwecke gespendet.

Dort wurde die Basilika St. Nikolaus gebaut, die 1143 durch die Prämonstratenserinnen von Kloster Steinfeld in der Eifel übernommen wurde. St. Nikolaus gilt als „Keimzelle“ des modernen Dünnwalds. Die Industrialisierung hielt im 19. Jahrhundert Einzug. Es wurden „Berliner Blau“, ein dunkelblaues, ungiftiges Farbpigment, sowie Soda und Salmiak hergestellt. 1870 starben 15 Arbeiter bei einer Explosion einer Sprengstofffabrik. Die im Umfeld entstandene Arbeitersiedlung trägt noch heute die Bezeichnung „Kunstfeld“, volkstümlich „Hornpott“ genannt.

1914 wird Dünnwald eingemeindet

1914 wurden Dünnwald und dessen Ortsteil Höhenhaus von Köln eingemeindet. Warum das heutige Höhenhaus 1934 von Dünnwald abgetrennt wurde ist (noch) nicht bekannt – zu dünn ist bisher die Aktenlage.   

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