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Veedels-CheckKölner auf der Jagd nach wildem Müll

Lesezeit 5 Minuten

Köln – Sie kämpfen gegen überfüllte Mülleimer, Elektroschrott in dunklen Parkecken und mutwillig weggeworfenen Hausrat auf dem Bürgersteig: Tag für Tag reinigen Mitarbeiter der Abfallbetriebe das Stadtgebiet von illegal entsorgtem Müll – denn der wird zunehmend zum Problem. Wir haben einen AWB-Eingreiftrupp einen Tag durch Mülheim begleitet.

Mit einem ohrenbetäubenden Quietschen frisst die Presse des Müllwagens einen Einkaufswagen, Reste eines Bettgestells und ein aus der Wand gerissenes Waschbecken – dann hustet das Fahrzeug aus seinem Innenraum noch eine Staubwolke aus, die in der kalten Morgen-Luft von Mülheim verpufft. „Die Leute schmeißen einfach alles illegal auf die Straße“, sagt Karl Schaak.

Er arbeitet seit elf Jahren bei der AWB, zwei davon nun schon bei dem auf illegalen Müll spezialisierten Eingreiftrupp. Kopfschüttelnd füttert er die malmende Presse mit weiteren Holzbrettern und einem schwarzen Damenstiefel. „Der ganze normale Wahnsinn.“

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Der Morgen von ihm und seinem Kollegen beginnt in aller Frühe auf dem Wertstoffhof in Deutz. Tags zuvor haben Mitarbeiter telefonisch Dutzende Hinweise nach wildem Müll von Bürgern entgegengenommen. Die Liste der Fundorte liegt jetzt auf dem Schreibtisch des Mülheimer Bezirksleiters Stefano Losmargiaggo-Krüger. „Wir bearbeiten jeden Tag circa 15 bis 20 Fälle – Tendenz steigend“, schätzt der 47-Jährige und greift dann zu seiner Jacke.

An diesem Morgen will er selbst hinausfahren in sein Revier, das ihm schon länger Sorgen bereitet. Dabei ist die Zahl des Gesamtmüll-Aufkommens in Köln in den vergangenen 20 Jahren um fast ein Viertel gesunken. Rund 309 000 Tonnen Müll hat Köln 2016 produziert. Ungefähr 3000 davon wurden illegal entsorgt. 7300 Mal haben sich Bürger 2016 über wilden Abfall bei der AWB beschwert – 16 Prozent der Meldungen kommen aus dem Spitzenreiterbezirk Mülheim.

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„Das ist schon ein riesiges Problem, dass immer mehr Müll illegal entsorgt wird, gerade beim Hausmüll wird es mehr“, sagt Losmargiaggo-Krüger. Inzwischen ist er im AWB-Auto selbst in Mülheim unterwegs. „Hier findet man eigentlich immer etwas. Wir kennen unsere Ecken“, sagt er. Er lenkt in die Genovevastraße, schaut mit prüfendem Blick aus dem Fenster seines Autos, bremst ab, steigt aus und greift zum Funkgerät: „Wir haben wieder was.“

Gleich werden Schaak und sein Kollege Peter Kolzen mit dem Presswagen kommen. Sie sind zwei von 1700 Mitarbeitern der AWB – und wundern sich inzwischen über gar nichts mehr. Widerrechtlich entsorgte Badewannen, kistenweise CDs, Ölfässer, Schränke, Betten, sogar Sexspielzeuge haben die Männer schon mit ihren Müllfahrzeugen – 154 gibt es in der Stadt – eingesammelt. „Weggeschmissen wird durch die Bank alles, da gibt es nichts, was es nicht gibt“, sagt Schaack.

Im AWB-Auto fährt Losmargiaggo-Krüger vorbei an Cafés, Dönerläden und Kneipen. Die Keupstraße ist mit Lokalen genauso gut bestückt wie mit Mülleimern vor den Etablissements. Und vor fast jedem der Eimer stehen säckeweise Abfälle. „Die Straßen hier sind ein Problembereich hoch sieben. Man kämpft gegen Windmühlen“, sagt Losmargiaggo-Krüger. „Man braucht nur eine Runde um den Block zu fahren, schon steht der nächste Müll wieder da.“

Eine Straßenecke weiter hält der Fachmann erneut an. Seine Auszubildende auf dem Beifahrersitz schaut ungläubig, ihn erstaunt das Bild schon lange nicht mehr: Mitten auf dem Gehweg liegen ein kaputter Drucker, eine Matratze und fünf alte Autoreifen mit abgefahrenem Profil – eingerahmt von zwei völlig überfüllten und fehlbeladenen Abfalltonnen.

Zigarre rauchend lehnt ein Mann im Hauseingang. Schweigend und misstrauisch beäugt er den AWB-Mann, der sich gerade durch die Abfälle auf dem Gehweg wühlt. „Die wissen hier natürlich alle, dass wir ihren Müll am Ende so oder so abkarren“, sagt Losmargiaggo-Krüger. Dabei erklärt die AWB schon Grundschulklassen regelmäßig, wie Müll korrekt zu trennen wäre – nämlich verteilt auf die rund 78 000 Bio-, 150 000 Papier- und 180 000 Restmülltonnen im gesamten Stadtgebiet. Gerade will Losmargiaggo-Krüger weiterfahren, da läuft eine ältere Dame auf den Bezirksleiter zu. „Wie mich sowas ärgert – das beschädigt das Stadtbild“, schimpft die Frau und zeigt auf den Müllhaufen. „Es ist doch unglaublich, wie viele Ratten es wegen diesem ganzen Mist hier mittlerweile gibt.“

„Das sind Überzeugungstäter“

Wie zum Beweis wieselt zwischen den Hauseingängen eine kleine Maus, die dann tatsächlich zwischen den überfüllten Mülltonnen verschwindet. „Das hier sind so Fälle, wo die Leute wohl einfach aus Unwissenheit ihren Müll vor die Häuser stellen“, vermutet Losmargiaggo-Krüger. Viel mehr ärgert er sich über Müll, der ganz offensichtlich weit weg der belebten Straßen entsorgt wird. Da, wo sich die Müllsünder nicht beobachtet fühlen. „Bei sowas geht es dann nicht mehr um fehlende Kenntnis. Das sind Überzeugungstäter“ sagt Losmargiaggo-Krüger.

Entlang einer Bahnlinie vor Mülheim liegen Dutzende Pizzakartons, leere Pappbehälter, in denen mal tiefgefrorene Pommes Frites aufbewahrt wurden, angebissene Fladenbrote, Alufolienverpackungen und Plastiktüten.

Projekt „Mülldetektive“ eingestampft

Früher haben bei der AWB noch sogenannte „Mülldetektive“ solche Funde ausgewertet. Sie hätten vielleicht den Schluss gezogen, dass ein nahe gelegener Schnell-imbiss für den Müllberg entlang der Bahngleise verantwortlich sein könnte – und durch geschickte Ermittlungen unter Umständen auch einen Schuldigen finden können. „Heute haben wir da keine Handhabe mehr“, sagt Losmargiaggo-Krüger. Denn erst ging die Aufgabe der „Mülldetektive“ ans Ordnungsamt der Stadt über, dort hat man die zuständige Stelle inzwischen eingestampft. „Wirtschaftlich nicht rentabel“, heißt es.

Inzwischen sind auch Schnaak und Kolzen an den Schienen angekommen. Die Presse heult auf, Pizzakartons, Mülltüten und sogar ein alter Röhrenfernseher werden vom Abfallwagen verschluckt. Bald, da sind sie sicher, werden die Männer hier wohl wieder aufräumen müssen. „Klar macht einen das wütend“, sagt Losmargiaggo-Krüger, bevor er in seinen Wagen steigt. „Aber ich will nicht meckern. Wir leben davon.“

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