Veedels-CheckBayenthal – ein Veedel mit viel Grün und noch mehr Rhein

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Immer präsent in Bayenthal: Der Rhein

Köln – Bayenthal ist irgendwie dazwischen. Rein räumlich zwischen Marienburg und der Südstadt. Unterschiedlicher könnten die Pole kaum sein, zwischen denen sich das Leben in dem beschaulichen Veedel mit Rheinufer abspielt. Hier das mondän-ruhige Villenviertel Marienburg, dort die quirlig-laute Südstadt. „Bayenthal hat von beidem etwas“, sagt Hannelore Bartscherer, die vor 50 Jahren nach Bayenthal gezogen ist. Da sind zum einen die gepflegten Häuser etwa an der Bernhardstraße mit den idyllischen Gärten. Hier lebt man gute Nachbarschaft, genießt aber auch die Möglichkeit, sich ins Private zurückziehen zu können.

Eher südstädtisch geht es auf der Goltsteinstraße zu. An der Lebensader des Veedels reiht sich Geschäft an Geschäft. Dort trifft man die Nachbarn. Wenn auch nicht auf dem Goltstein-Forum, das Hannelore Bartscherer für einen „seelenlosen Parkplatz“ hält. In der Tat ist die Aufenthaltsqualität überschaubar. Nirgends ein Baum, der Schatten spenden könnte. Ein paar Schüler vom Irmgardis-Gymnasium hocken am späten Vormittag in sengender Sonne auf dem Asphalt: Freistunde. Dabei hätte der Platz durchaus das Zeug gehabt, zum zentralen Platz von Bayenthal zu werden. Wären da nicht die 45 oberirdischen Parkplätze, die geschaffen wurden, obwohl in der Tiefgarage darunter 500 Stellplätze zur Verfügung stehen. Immerhin 60 Millionen Euro hat die Garbe Group 2010 in den Umbau des ehemaligen Bürogebäudes an der Goltsteinstraße investiert. Wohnungen entstanden auf elf Geschossen.

Auch das Einkaufszentrum rund um das Wohnhaus wurde aufgehübscht. Ein Bäcker mit Außengastronomie, ein Blumenladen, eine Drogerieketten-Filiale und ein Supermarkt haben sich angesiedelt. Und der Metzger im Veedel, der neben Filets und Koteletts auch das große Ganze im Blick hat. Zum Beispiel die europäische Datenschutzgrundverordnung. „Achtung: In unserer Fleischerei fragen wir Sie manchmal nach Ihrem Namen und merken uns, welches Fleisch Ihnen am liebsten ist. Wenn Ihnen das nicht recht ist, rufen Sie beim Betreten der Fleischerei laut: Ich bin nicht einverstanden. Wir werden dann zukünftig so tun, als würden wir Sie nicht kennen“, steht auf einem Schild, das Thomas Kremer vor seiner Metzgerei aufgestellt hat. Gerufen hat bislang noch niemand.

Ein Meilenstein in der jüngeren Geschichte Bayenthals war der Bau des Wohnparks. Hannelore Bartscherer erinnert sich gut: „Da war vorher die BAMAG, die Berlin-Anhaltinische Maschinenbau AG.“ Die Bayenthalerin hat zwar keine Erinnerungen an die Maschinen, wohl aber an die rauschenden Stadtteilfeste im BAMAG-Kasino. Die BAMAG kam 1909 nach Köln, weil sie mit der Kölnischen Maschinenbau Actiengesellschaft fusioniert hatte. Die wiederum hatte ein gewisser Martin Goltstein 1856 gegründet und war auf dem Gelände zwischen Alteburger Straße, Tacitus- und heutiger Goltsteinstraße angesiedelt. 1970 wurde der Industriestandort geschlossen und in einen Wohnpark umgewandelt, der Überraschungen bereit hält. Zwischen den Wohntürmen geht es idyllisch zu. Autofrei wohnen war beim Hochhausbau in den 70ern angesagt. Und so findet man im Inneren des Wohnparks Bayenthal nicht ein Auto. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Bäume im Wohnpark respektable Größen erreicht. Ein Teich macht das Mikroklima angenehm, der Spielplatz ist beliebt. Die Kinder von Hannelore Bartscherer haben diese Kita besucht, die zeitgleich mit dem Bau der Wohnungen entstand. „Damals war das üblich“, merkt sie an.

Glückliche Zeiten für junge Eltern im Vergleich zu heute. Hannelore Bartscherer lobt die kurzen Schulwege im Veedel. Die Grundschule Caesarstraße und das Irmgardis-Gymnasium seien für die Bayenthaler Kinder fußläufig erreichbar. Deshalb hat sie auch nur bedingt Verständnis für das Verkehrschaos, das jeden Morgen entsteht, wenn die Schüler des Irmgardis-Gymnasiums von ihren Eltern mit dem Auto „angeliefert“ werden. Aber die kämen dann wahrscheinlich von außerhalb.

So wie Hannelore Bartscherer vor 50 Jahren. Aber sie hatte es nicht weit. Sie stammt aus der Innenstadt. Und stand dann eines Tages vor St. Matthias und dachte spontan: „Was ist das denn für eine hässliche Kirche.“ Machen wir es kurz: Sie hat ihre Meinung ziemlich schnell grundlegend geändert und den 1863 geweihten Backsteinbau in ihr Herz geschlossen. Der erste Pfarrer hatte es übrigens nicht leicht. „Das sittlich-religiöse Leben lässt viel zu wünschen übrig. Die Industrie hatte aus verschiedenen Gegenden allerlei Elemente herbeigeführt, sodass sich Bayenthal in einem traurigen Zustand befand“, notierte er nach seinem ersten Besuch im Veedel. Man darf wohl sagen, die Bayenthaler haben sich gebessert und aus ihrem Stadtteil einen rundum bürgerlichen gemacht. Da sprechen wir jetzt von dem Bayenthal zwischen Rhein, Bonner Straße, Schönhauser Straße und Bayenthalgürtel.

Aber es gibt ja auch noch das andere Bayenthal. Das skandalöse. Das liegt zwischen der Schönhauser Straße und dem Bahndamm. Und dieses andere Bayenthal sorgt für schlechte Laune. „Es ist jammerschade, dass der wunderbare Biergarten abgerissen wurde. Den vermissen wir sehr“, fasst Hannelore Bartscherer die Stimmung im Veedel zusammen. Vor exakt zehn Jahren wurde der Küppers-Biergarten mitsamt der Dom-Brauerei an der Alteburger Straße abgerissen. Wohnungen sollten dort entstehen. Passiert ist seitdem: Nichts. Aber halt. Auf der einen Seite der Alteburger Straße wurde eine Flüchtlingsunterkunft für 1000 Menschen eingerichtet. Hunderte leben momentan in dem Erstaufnahmezentrum. Sie werden im Veedel aber kaum wahr genommen, weil sie tagsüber nach Bonn gefahren werden, um dort ihren Asylantrag zu stellen.

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Auf der anderen Seite der Alteburger findet man den größten mobilen Gemeinschaftsgarten Deutschlands: NeuLand. Dort gärtnern rund 100 Leute in Hochbeeten. Und Clara von Hartz-Möllmann betreibt die „Marktschwärmerei“. Immer donnerstags kommen Landwirte aus dem Umland und verteilen ihre Produkte an ihre Kunden, die Brot, Gemüse und Fleisch vorher bestellt haben. Aber sogar die Gärtner finden es unfassbar, dass in den vergangenen Jahrzehnten dort nicht gebaut wurde. Aktuell ist eine Grundschule geplant.

Geschichte Bayenthals

Erstmals erwähnt wurde Bayenthal im Jahr 1307. Verwaltungsrechtlich gehörte der bis  1830 nur aus drei Häusern und einem Kalkofen bestehende Flecken  zur Bürgermeisterei Rondorf.  Der Aufstieg zum Stadtteil vollzog sich langsam.  Dann allerdings ging es ganz schnell. Die Industriealisierung erreichte das Veedel vor den Toren der Stadt. An der Alteburger Straße entstanden im Laufe der Jahre die ersten Arbeiterhäuser, einige sind noch heute dort zu sehen. Bayenthal wuchs rasant, zahlreiche Wirtschaftsbetriebe siedelten sich an. 1875  beschäftigte die Maschinenbau AG bereits 1500 Mitarbeiter. Dazu baute man in Bayenthal die zu jener Zeit hochmoderne Holzschneidemühle von Boisserée und mehrere Brauereien. Durch Bayenthal verkehrte die erste Pferdestraßenbahn, die von Köln nach Rodenkirchen und umgekehrt führte. Zu Beginn des 20. Jahrhundert wurde diese elektrifiziert. Das St.-Antonius-Krankenhaus an der Schillerstraße 23 ist das einzige Krankenhaus im Stadtbezirk Rodenkirchen. Diese Einrichtung der Cellitinnen-Stiftung ist mit der Denkmal-Nummer 1213 seit dem 2. Dezember 1982 geschützt.

Offene Baustellen in Bayenthal

Die offenste Baustelle im Stadtteil ist gar keine. Das ehemalige Gelände der Dom-Brauerei.  Nach deren Abriss sollten auf dem Gelände luxuriöse Wohnungen entstehen. Ein Bebauungsplanverfahren war bereits in Gang gesetzt. Es wurde aber gestoppt, weil es dem potenziellen Investor nicht gelang, die notwendigen finanziellen Mittel zu beschaffen. Nachdem der Liegenschaftsbetrieb des Landes die Grundstücke rechts und links der Alteburger Straße gekauft hatte, sollten eine neue Fachhochschule und später ein neues Justizzentrum gebaut werden. Im Rahmen des Parkstadt-Süd-Verfahrens ist jetzt ein Bildungs-Campus mit einer Grundschule und einer Gesamtschule geplant. Ein weiteres Problem im Veedel sind wie in vielen anderen auch die fehlenden Parkplätze. „Hier stehen manchmal wochenlang Autos mit ausländischen Kennzeichen, die nicht bewegt werden“, hat Anwohnerin Hannelore Bartscherer beobachtet. Sie kritisiert darüber hinaus die schlechte Anbindung an den öffentlichen Personenverkehr. Sie würde sich einen engeren Takt der Buslinie 106 wünschen, die die Bahnlinie 6 ersetzt hat.

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