VeedelsheldenWarum diese 86 Kölner kostenlos im Rosenmontagszug mitlaufen

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Der Rosenmontagszug ist ein fester Bestandteil des Kölner Karneval

  • Passend zum diesjährigen Sessionsmotto „Et Hätz schleiht em Veedel“ wurden in den vergangenen Monaten besondere Menschen gesucht.
  • Die „guten Seelen der Veedel“, die sich ehrenamtlich engagieren oder sich um Veedel und Nachbarschaft in auffälliger Weise kümmern.
  • Dafür werden sie nun belohnt – mit einer kostenlosen Teilnahme am Rosenmontagszug. Wir stellen Ihnen die 86 Kölner vor.

Köln – Sie engagieren sich in sozialen Projekten, kümmern sich um Kinder, Menschen mit Behinderungen, Senioren oder einfach um die Menschen in ihrer Nachbarschaft. Sie sind „die gute Seeseln des Veedels“. Und genau deshalb haben sie sich eine Belohnung verdient, das findet jedenfalls Zugleiter Holger Kirsch. Daher ermöglichen das Festkomitee Kölner Karneval und der „Kölner Stadt-Anzeiger“ in einer gemeinsamen Aktion 86 Kölnern eine Teilnahme am Rosenmontagszug. Eine einmalige Chance, denn die Teilnahme am Zoch ist normalerweise nur den Mitgliedsgesellschaften vorbehalten.

Editorial von Zugleiter Holger Kirsch

Liebe Helfer, liebe Leser,

Alles zum Thema Festkomitee Kölner Karneval

Der Kölner Rosenmontagszug ist der krönende Höhepunkt einer jeden Session. Die Teilnahme an unserem prächtigen Umzug ist in erster Linie den Mitgliedern der uns angeschlossenen Gesellschaften vorbehalten.

Der Kölner Karneval steht und fällt aber mit dem Ehrenamt. Deshalb weiß ich aus eigener Erfahrung, dass die, die die Arbeit machen, die, die sich die Hände schmutzig machen und diejenigen, ohne die so vieles nicht möglich wäre, leise im Hintergrund bleiben. Was für unser geliebtes Fest gilt, das gilt aber mindestens genauso für unseren Alltag. Ehrenamtliches Engagement ist einer der zentralen Pfeiler unseres zwischenmenschlichen Miteinanders.

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Wer hat einen der 86 Plätze verdient? Die Jury bei der Arbeit: Zugleiter Holger Kirsch (M.) mit Stefan Worring (l.) und Jan Wör­den­we­ber aus der Redaktion

In Verbindung mit unserem wundervollen Sessionsmotto „Et Hätz schleiht im Veedel!“ ist die Idee geboren, den „Guten Seelen“ unserer Stadt in Form einer Teilnahme am Rosenmontagszug einmal die Anerkennung und die Wertschätzung entgegen zu bringen, die sie verdienen. Meine Mutter hat mir stets mit auf den Weg gegeben: „Nichts im Leben ist einfacher als Danke zu sagen!“ Menschen aus dem Umfeld, denen deren selbstloses Geben und Handeln aufgefallen ist, haben die Helfer vorgeschlagen – das macht es umso kostbarer.

Stellvertretend für alle die Menschen, die vom Einsatz und Engagement des Ehrenamts profitieren, sagt das Festkomitee Kölner Karneval und mit ihm eine Million Menschen, die der Gruppe an Rosenmontag zujubeln werden: Danke – hier sind die guten Seelen unserer 86 Veedel!

Rosenmontagszug: Die guten Seelen der Kölner Veedel

Aufgezeichnet von Stefan Worring

Anne Kuras, 11, hilft ehrenamtlich in einem Seniorenheim

Ich heiße Anne Kuras und bin elf Jahre alt. Ich bin ausgesucht worden, weil ich ehrenamtlich im Seniorenheim helfe. Ich rede mit den Leuten, oder manchmal helfe ich auch beim Essenmachen. Meine Uroma wohnt ziemlich weit weg von hier, deswegen sehe ich sie nicht so oft. Aber immer, wenn wir sie besucht haben, hat sie sich ganz doll gefreut, mich zu sehen. Auf meinem Schulweg – ich bin im FWG und wohne in der Altstadt – komme ich jeden Tag an einem Seniorenheim vorbei. Irgendwann habe ich gedacht, dass es da bestimmt auch Omas gibt, die nicht so oft Besuch kriegen, weil sie vielleicht nur wenige Verwandte haben. Das fand ich voll schade.

Ich habe dann immer wieder meine Mutter gefragt, ob ich da nicht ab und zu hingehen kann. Als sie gemerkt hat, dass ich es wirklich ernst meine, hat sie dort angerufen und sich erkundigt, ob ich auch Besuche machen kann, ohne Verwandte dort zu haben.

Heldin Anne Kuras

„Ich selbst bin total karnevalsjeck“, sagt Anne Kuras.

Da ist ein Herr im Seniorenheim St. Georg, der ist zuständig für die Ehrenamtler. Meine Mama hat dann auch besprochen, dass die mich betreuen, etwa wenn jemand stirbt, das kommt im Altenheim ja schon mal vor. Dass ich mit sowas nicht allein gelassen werde. Meine guten Freunde finden das total gut, dass ich das mache. Aber es gibt auch welche in der Klasse, die sagen, dass das doch totaler Schwachsinn ist. Mir macht das trotzdem Spaß.

Jetzt gehe ich da seit etwa einem Jahr meistens einmal in der Woche hin. Wenn ich mit Schule und Hausaufgaben fertig bin, so um vier. Ich bespaße die alten Leute dann so bis fünf. Im Altenheim haben die das so unterteilt in verschiedene Etagen, aber ich gehe meistens zu einer bestimmten Gruppe. Die sind dann nicht immer alle da, weil vielleicht welche auf dem Zimmer sind, oder später dazu kommen. Die freuen sich, wenn ich da bin, weil ich dann sowas wie ein Enkel bin. Ich rede mit denen, und erzähle, was so passiert. Ich habe auch schon Poldi, meinen Labrador, mitgenommen. Da freuen die sich noch mehr und streicheln ihn oder schenken ihm Kekse. Manche erzählen mir dann, dass sie Besuch hatten von Verwandten, und was die so erzählt haben.

Hier lesen Sie mehr: Kölner Karneval – Zugleiter stellt erstmals die Wagen des Rosenmontagszugs vor

Aber es gibt auch welche, die hatten noch nie Besuch. Bei denen bin ich dann öfter. Manchmal gehe ich auch zu Einzelnen aufs Zimmer. Die fragen mich dann, wie es in der Schule so ist. Manchmal haben wir auch Themen, in der Adventszeit reden wir über Weihnachtsbräuche. Wenn sie sich noch dran erinnern können, erzählen sie Geschichten von früher. Eine Frau, die nicht von hier kam, hat erzählt, dass sie zum Karneval nach Köln gekommen ist. Das hat ihr so gut gefallen, dass sie regelmäßig wiedergekommen ist. Und jetzt lebt sie hier, im Seniorenheim.

Ich selbst bin total karnevalsjeck, deswegen freue ich mich sooo auf den Zoch. Ich bin schon zweimal mit der Montessori-Grundschule bei den Schollzöch mitgegangen, und dieses Jahr gehe ich zum ersten Mal mit dem FWG – die Fünftklässler dürfen leider nicht. Sonntag ist dann mein Training für Montag.

Elio Pulera, 74, hat in Worringen seine Heimat gefunden

Ich heiße Elio Pulera und bin 74 Jahre alt. Seit 1964 lebe ich in Worringen. Ich war vorher in der Schweiz, und bin Weihnachten nach Hause gefahren. Mein Glück im Unglück war, dass die Schweiz am 15. Februar 1964 die Grenze zugemacht hat. Von Mailand gab es aber einen Zug nach Köln, so bin ich hier gelandet. Ich habe auch direkt Arbeit gefunden, von 1968 an war ich dann bei Bayer bis zu meiner Pensionierung.

Anfangs hatten meine Landsleute und ich viele Probleme – mit der Schule, mit den Kindern, mit der Sprache, mit den Ämtern. Wir haben dann ein „italienisches Komitee“ gegründet und mit Unterstützung der christlichen Arbeitnehmerbewegung angefangen, den Leuten zu helfen, bei Behördengängen etwa. Oder dass die Kinder nicht weiter zur Sonderschule gehen müssen, sondern auf eine normale Schule gehen können: In Absprache mit der Schule haben wir Studenten organisiert, damals für zehn Mark die Stunde, die den Grundschülern bei den Hausaufgaben geholfen haben. Dafür hat uns die Kirche über sieben, acht Jahre Räume zur Verfügung gestellt. Heute sprechen die Kinder alle besser Deutsch als Italienisch.

Held Elio Pulera

„Zusammen sind wir stark“, sagt Elio Pulera.

1981 wurde ich dann Korrespondent des italienischen Generalkonsulats und betreue bis heute ehrenamtlich in der Region Dormagen, Grevenbroich und Neuss Landsleute, wenn es etwa um Krankenkasse oder Arbeitsamt geht. Das ist aber, auch dank der EU, heute alles viel unkomplizierter als am Anfang. Wir wollen ein Europa bauen der gemeinsamen Kulturen.

Die Mentalität ist ja nicht nur geprägt davon, wo man herkommt, sondern auch davon, wo man lebt. Und in Worringen fühle ich mich einfach sehr wohl. 1978 bin ich dann zum Zugleiter gegangen und habe gefragt, ob wir nicht als Gruppe im Worringer Rosenmontagszug mitgehen dürfen. Der sagte: „Ihr dürft nicht, ihr müsst!“ Dann haben wir den Wagen „Der schiefe Turm von Pisa“ gebaut und sind erstmals mitgegangen. Seitdem sind wir jedes Jahr dabei.

Hier lesen Sie mehr: Zugleiter im Interview – Überquert der Kölner Rosenmontagszug 2023 den Rhein?

Vor ein paar Jahren habe ich die Leitung der Gruppe dann abgegeben an meine Kinder, und wir haben den Namen abgeändert in „Kölsche Italiener“. In einem Jahr haben wir, passend zum Motto, nicht nur Kamelle geworfen, sondern auch mit einer Art Katapult Spaghetti in die Menge geschossen. Nicht gekochte, rohe. Das war wunderbar. Bei Pfarrfesten oder anderen Gelegenheiten kochen wir dann auch schon mal welche. Als Papst Benedikt 2005 beim Weltjugendtag in Köln war, haben wir 160 Italiener aus Kalabrien und 300 Ukrainer in der Alten Schule untergebracht. Da mussten wir 30 Kilo Nudeln kochen, da mussten alle zusammen anpacken, sonst hätte das nicht funktioniert, aber das ist das Tolle am Veedel.

Ich bin bei den Blauen Funken, und dort hat FK-Präsident Christoph Kuckelkorn einmal gesagt: „Meine größte Freude ist, den Menschen eine Heimat zu geben.“ Genau so ist Karneval. Ob Italiener, Türken oder Deutsche, egal, zusammen sind wir stark. Wir müssen es nur wollen. 

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