Venloer StraßeAnwohner stoppen Supermarkt-Bau in Ehrenfeld

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Länger als geplant wird das Gebäude an der Venloer Straße 310 von Bauplanen verhüllt sein. Demnächst ruhen die Arbeiten.

Länger als geplant wird das Gebäude an der Venloer Straße 310 von Bauplanen verhüllt sein. Demnächst ruhen die Arbeiten.

Köln-Ehrenfeld – „Wir sind für Sie da“, verkündet ein Schild auf der Baustellenplane, die das Gebäude Venloer Straße 310 verdeckt. Noch ist es nicht so weit, aber der Rewe-Konzern macht schon einmal ein bisschen Werbung für seine Filiale, die er „ab 2018“ hier eröffnen will. Ob die Kunden tatsächlich im kommenden Jahr hier einkaufen können, ist zumindest fraglich, denn die Fertigstellung wird sich verzögern.

Demnächst wird die Baustelle nämlich stillgelegt. Das Kölner Verwaltungsgericht gab jetzt den Klagen zweier Anwohner Recht, die gegen die Baugenehmigung Beschwerde eingelegt hatten. Jetzt ist es zunächst Aufgabe der Stadtverwaltung, die vor Gericht eine Niederlage erlitten hat, einen Baustopp zu verhängen. Faktisch ist die im März erteilte Baugenehmigung nämlich nichtig.

Da das Urteil noch nicht schriftlich den Beteiligten zugegangen ist, wird zurzeit noch im Gebäude gearbeitet. Dabei gehe es aber vor allem darum, die Baustelle zu sichern für die Zeit, in der sie stillgelegt sei, erklärte Christoph Keilbar, Projektleiter des Immobilienunternehmens WVM, das auf dem Areal zwischen Venloer-, Hansemann- und Philippstraße Wohnhäuser, Büros und den Rewe-Markt errichten will.

Streitpunkt ist die Warenanlieferung in der Philippstraße

Die Baugenehmigung dafür wurde vom Richter entzogen, weil die in der Genehmigung geregelte Warenanlieferung in einer Seitenstraße der Venloer Straße für die Anwohner nicht hinnehmbar sei. Bei der Seitenstraße handelt es sich um die Philippstraße, die sich in einem „Besonderen Wohngebiet“ befindet. Daher genießen – dem Urteil zufolge – die Anwohner einen Gebietsgewährleistungsanspruch. Sie müssen die Emissionen des Gewerbebetriebes nicht hinnehmen.

Ein „Besonderes Wohngebiet“ unterscheidet sich laut Baunutzungsverordnung vom „Allgemeinen Wohngebiet“ dadurch, dass Gewerbebetriebe zwar zugelassen sind, jedoch nur „soweit diese Betriebe und Anlagen nach der besonderen Eigenart des Gebiets mit der Wohnnutzung vereinbar sind“.

An der Philippstraße ist ein neues Wohnhaus (M.) mit einer Zufahrt zur Ladezone geplant.

An der Philippstraße ist ein neues Wohnhaus (M.) mit einer Zufahrt zur Ladezone geplant.

Der Gerichtsbeschluss ist der vorläufige Höhepunkt einer seit längerem schwelenden Auseinandersetzung zwischen Anwohnern, Stadtverwaltung und Investor, dem Kölner Immobilien-Unternehmen WVM. Auch ein Treffen im Juni brachte offenbar keinen Durchbruch.

Damals hatte WVM erklärt, dass ein neues Wohnhaus an der Philippstraße eine schallhemmende Toreinfahrt bekommen soll. Durch diese fahren die Liefer- und Entsorgungsfahrzeuge und werden in einem rundum zugebauten Hof be- und entladen. Als zusätzliche Maßnahme schlug die WVM vor, die Einbahnstraße in der Philippstraße bis zur geplanten Anlieferung aufzuheben.

Anwohner wollen keinen Lkw-Verkehr im Viertel

Doch die Anwohner der Philippstraße wollen prinzipiell keine Anlieferung in ihrer Straße und auch keinen Lkw-Verkehr in ihrem Viertel. Sie wollen den Lärm der Autos nicht haben, sind aber auch in Sorge wegen der Gefahren des Schwerlastverkehrs in den engen Straßen. Zum einen durch die Abgase, zum anderen durch das notwendige Rangieren beim Ein- und Ausfahren in den Ladebereich des Marktes. „Gegen den Rewe-Markt selbst haben wir nichts“, betonten die Anwohner stets. Die gesamte Anlieferung für den Markt solle jedoch am Haupteingang an der Venloer Straße abgewickelt werden. Unterstützung bekamen sie dabei von der Bezirksvertretung Ehrenfeld. Sie nahmen die Verwaltungsvorlage zur Baugenehmigung nur unter dem Vorbehalt zur Kenntnis, dass keine Anlieferung über die Philippstraße erfolgen dürfe.

Allerdings hat die Politik in Baugenehmigungsverfahren gar keine Entscheidungsbefugnis. Dies ist Sache des Bauaufsichtsamtes. Dort sah man sich schon im Frühjahr dem Unmut der Anwohner, aber auch den juristischen Drohgebärden des Investors ausgesetzt.

In der März-Sitzung der Bezirksvertretung begründete Mareike Boller vom Bauaufsichtsamt, die damals kurz zuvor erteilte Baugenehmigung mit dem Hinweis, dass der Investor alle geforderten Auflagen hinsichtlich des Lärmschutzes und des Lieferverkehrs erfülle und daher einen Rechtsanspruch habe. Um dessen mögliche Regressforderungen zu vermeiden, war die Baugenehmigung erteilt worden.

Darin ist unter anderem die Höchstzahl an täglichen Fahrten durch die Philippstraße festgelegt. Geregelt wurde auch, dass ein Teil des Lieferverkehrs - vor allem Fremdfirmen wie Brot-, Tabak- oder Süßwarenlieferanten - seine Fracht an der Venloer Straße entladen und durch den Kundenbereich des Markts ins Lager bringen soll.

Baufirma will vor Oberverwaltungsgericht ziehen

WVM-Projektleiter Christoph Keilbar zeigte sich verärgert und zuversichtlich zugleich: „Es wird auf jeden Fall eine weitere Verzögerung bei der Fertigstellung des Marktes geben“, sagte er. In dieser Woche will sich WVM mit Vertretern der städtischen Bauaufsicht zusammensetzen, um darüber zu beraten, wie mit dem Urteil umgegangen werden soll. Von Seiten der Stadtverwaltung gab es keine Stellungnahme. Das schriftliche Urteil und dessen Begründungen müsse erst bewertet werden. Das werde Zeit in Anspruch nehmen, hieß es seitens des Presseamtes.

„Wir werden wahrscheinlich in Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht gehen“, sagt indes Christoph Keilbar. Er sieht gute juristische Chancen. Das im Bebauungsplan festgelegte „Besondere Wohngebiet“ lege einen Bestandsschutz für bestehendes Gewerbe oder Einzelhandel fest. Darauf wolle man sich berufen, denn dort, wo einmal der Rewe-Markt hin soll, habe es früher schon mit der „Kaufhalle“ und dem „Woolworth“ großflächigen Einzelhandel gegeben. Der habe sogar eine größere Verkaufsfläche gehabt als der jetzt geplante Rewe mit 1285 Quadratmetern Verkaufsfläche. Der Lieferverkehr sei damals schon über die Philippstraße erfolgt. Das Gericht habe das Projekt aber wie eine neue Nutzung bewertet, so Keilbar.

Unabhängig davon, ob und wie das Oberverwaltungsgericht in Münster die Klagen der Ehrenfelder Anwohner bewertet, werde es nötig sein, nochmals über alternative Anlieferungskonzepte nachzudenken, so Keilbar weiter. Ausgeschlossen sei es aber, auf der anderen Seite des Marktgebäudes in der Hansemannstraße eine Anlieferungsmöglichkeit zu schaffen. Das gebe der Gebäudegrundriss nicht her. Die Lagerräume seien zur Philippstraße hin ausgerichtet.

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