Der Planer und der GehetzteZwei Kölner Einbrecher verraten, was Diebe abschreckt

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Ge­spräch mit Ali (weißes T-Shirt) und Flo­rian (schwarzes T-Shirt) in der JVA Köln Ossendorf

  • Blumen auf der Fensterbank mögen Einbrecher gar nicht. Oft sind es einfache Tricks, die Kriminelle davon abhalten, in Wohnungen oder Einfamilienhäuser einzubrechen. Wer wüsste da besser als die Einbrecher selbst?
  • In diesem Interview erzählen zwei zum Zeitpunkt des Gesprächs in der JVA Ossendorf inhaftierte Einbrecher, wie sie bei ihren Taten vorgegangen sind und wo sie zuerst nach materiellen Schätzen in der Wohnung suchen.
  • Teil 15 unserer neuen Serie „Verbrechen: Tätern auf der Spur.“ Aus unserem Archiv.

Einbrüche können traumatisch sein für die Hausbewohner sein. Die Unsicherheit wirkt oft sehr viel länger nach als der erlittene finanzielle Schaden. Wie man sein Haus oder seine Wohnung besser schützen kann und was Diebe wirklich abschreckt, verraten zwei Profi-Einbrecher in einem Interview, das sie aus dem Gefängnis heraus geführt haben. -> Hier alle Folgen der Serie lesen! Wenn ich weiß, dass ich im Herbst oder Winter abends spät nach Hause komme, aktiviere ich morgens eine Zeitschaltuhr, damit in meiner Wohnung trotzdem Licht brennt. Das soll Einbrecher abschrecken. Schlau, oder? ALI: Na ja, eigentlich völlig egal. Wenn ich in einer Wohnung Licht gesehen habe, habe ich versucht, von außen in die Zimmer zu gucken, habe an der Tür gehorcht, ob zum Beispiel der Fernseher an ist, die Dusche läuft oder das Radio. Und ich habe geklingelt. Wenn niemand geöffnet hat, bin ich davon ausgegangen, dass auch niemand zu Hause war. Dreistigkeit siegt. Haben Alarmanlagen Sie abgeschreckt?

FLORIAN: Mich schon. Jeder Widerstand ist irgendwo abschreckend. Wenn ich zum Beispiel ein Fenster in ein, zwei Minuten nicht aufgekriegt habe, habe ich es bei der nächsten Wohnung versucht.

Waren heruntergelassene Jalousien auch so ein Widerstand?

ALI: Jalousien kann man hochschieben. Aber das ist natürlich laut.

FLORIAN: Als Einbrecher versuchst du, leise zu sein. Wenn da zum Beispiel Blumen auf der Fensterbank stehen, die runterfallen würden, wenn man das Fenster aufdrückt, ist das schon mal schlecht.

ALI: Es sei denn, es ist ein Einfamilienhaus. Dann kann auch ein ganzer Schrank umfallen, solange keiner zu Hause ist. Deswegen bin ich meistens in Einfamilienhäuser gegangen. Sind Sie nur eingebrochen, wenn Sie sicher waren, dass niemand zu Hause war?

FLORIAN: Mal so, mal so. Ich bin ausschließlich nachts losgegangen. Wenn die Leute oben geschlafen haben, habe ich mich unten sehr leise bewegt und zugesehen, dass ich schnell wieder draußen war.

Ist mal jemand wach geworden?

FLORIAN: Zum Glück nie. Ich wäre sofort abgehauen, hätte keine sinnlose Gewalt angewendet. Ich habe immer darauf geachtet, dass nichts zwischen mir und dem Ausgang liegt. In Mehrfamilienhäusern bin ich auch nicht in oberen Stockwerken eingebrochen. Der Fluchtweg ist zu lang.

ALI: Ich wäre sofort durchs Fenster wieder abgehauen.

Auf demselben Weg, den Sie auch hereingekommen sind?

ALI: Ja, ich habe mir sogar Fenster vom Schrottplatz geholt und das Aufhebeln zu Hause geübt.

Und wie?

ALI: Mit einem Schraubendreher. Bei meinen Einbrüchen hatte ich eine kleine Tasche dabei mit einem Schraubendreher, einer Zange und dünnen Metallstäben.

FLORIAN: Häufig stehen Terrassentüren oder Fenster auch auf Kipp. Dann ist es total einfach: einmal mit der Hand durchgreifen, den Griff umlegen, und das Fenster ist auf.

Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Tatorte ausgewählt?

ALI: Ich habe die Wohnungen oder Häuser vorher ausgeforscht, mir die Bewohner genau angesehen und mir gemerkt, wann sie kommen und gehen.

FLORIAN: Ich bin immer spontan eingebrochen, habe vorher nichts groß ausgekundschaftet.

Hatten Sie vor einem Einbruch eine Vorstellung davon, wie hoch die Beute sein sollte?

ALI: 5000 Euro sollten es schon sein. Ich habe vor allem nach Schmuck gesucht, weniger nach Handys. Dafür kriegt man nicht viel.

FLORIAN: Ich war mit 300, 400 Euro zufrieden, davon habe ich mir Heroin gekauft.

Haben Sie die Wohnungen verwüstet? Schubladen herausgerissen, Schränke umgeworfen?

ALI: Nein, das war gar nicht nötig. Das meiste ertastet man mit seinen Fingern.

Wo haben Sie zuerst gesucht?

FLORIAN: Alle haben die gleichen Verstecke, aber alle denken, es sei furchtbar originell, sein Geld unter die Socken zu legen, zwischen Bücher oder Matratzen. In der Diele liegen meistens die Portemonnaies, Schlüssel und Handys. Im Wohnzimmer findet man Technik, Kameras, Männerspielzeug eben. Und im Schlafzimmer liegen Geld und Schmuck.

ALI: Das kurioseste Versteck, das ich je erlebt habe, war ein Aquarium. Es war an einem Sommertag zur Mittagszeit. Ich gehe so durch das Haus, sehe mich um und bleibe vor diesem Riesenaquarium stehen. Gucke mir die Fische an. Und plötzlich sehe ich vier kleine, verschlossene Dosen, aus denen auch keine Bläschen aufstiegen. Ich war neugierig und habe ins Wasser gegriffen, an den Guppys vorbei, und eine Dose rausgeholt. Da waren tausend Euro drin, in den drei anderen auch.

Sie haben sich die Zeit genommen, Fische zu betrachten?

ALI: Ja, ich wollte sehen, was die Leute sich da so Schönes gemacht haben. Irgendwann hatte ich bei den Einbrüchen keine Angst mehr. Das wurde zu einer Sucht, ich brauchte den Adrenalin-Kick, das war richtig krass. Ich dachte, mir passiert schon nichts. Dreimal bin ich dann aber doch von der Polizei erwischt worden.

Haben Sie jemals an die Opfer gedacht?

ALI: Draußen nicht, da hatte ich kein Herz für die Leute. Das hat mir auch Angst gemacht. Jetzt, im Gefängnis, wo ich einen klaren Kopf habe, keine Drogen mehr nehme, habe ich schon ein schlechtes Gewissen. Ich glaube, die jungen Leute kommen irgendwann darüber hinweg. Die älteren nehmen eher Schaden.

Wie kann ich mich denn schützen, damit es gar nicht erst so weit kommt?

ALI: Ganz ehrlich? Kaufen Sie sich einen Hund, der allergisch auf Fremde reagiert. Und lassen Sie den Hund zu Hause, wenn Sie die Wohnung verlassen.

FLORIAN: Man sollte seine Fenster so sichern, dass sie nicht leicht aufzuhebeln sind. Das schreckt vor allem die spontanen Einbrecher ab.

ALI: Abschließbare Fenstergriffe sind gut, die Eingangstüren sollten stabil sein. Dinge, die einem wichtig sind, sollte man zur Bank bringen. Auch wenn es Abertausende Euro kostet: Ich finde, man sollte viel Geld dafür ausgeben, seine Wohnung sicher zu machen.

Der Planer und der Gehetzte

Ali, der "Planer", baldowerte seine Tatorte gründlich aus. Ließ sich in den Wohnungen und Häusern ein bis zwei Stunden Zeit. Tastete nach Schmuck, taxierte die Beute, nahm nur Wertvolles mit. "Ich spürte währenddessen eine innere Ruhe." Erster Einbruch mit 13 Jahren. Holt derzeit im Gefängnis seinen Realschulabschluss nach.

Florian, der "Gehetzte" , war getrieben von seiner Heroinsucht. Er stieg in die Wohnungen, raffte alles zusammen, was er wertvoll fand, brauchte nur zehn bis 15 Minuten. "Ich hatte währenddessen übelste Angst." Erster Einbruch mit 13 oder 14, macht derzeit im Gefängnis sein Fachabitur. Etwa 20 Einbrüche täglich zählt die Polizei in den Wintermonaten in Köln. In drei von vier Fällen hebeln die Täter Fenster, Terrassen- oder Balkontüren auf. Laut Polizei scheitert jeder zweite Versuch, die Hälfte davon wiederum an Sicherheitstechnik.

Die Geschichte ist im November 2009 im „Kölner Stadt-Anzeiger” erschienen.

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