KnotenpunktDeutsche Bahn gibt Bankrotterklärung für Köln ab

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250 Millionen Euro steckt die Bahn in diesem Jahr in den Ausbau des Kölner Bahnknotens.

250 Millionen Euro steckt die Bahn in diesem Jahr in den Ausbau des Kölner Bahnknotens.

Köln – Ein grauer Novembermorgen im S-Bahn-Reparaturwerk Köln-Nippes. Alle sind bester Laune: die wichtigsten Nahverkehrs-Bosse aus Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz und die Vertreter der DB des bevölkerungsreichsten Bundeslands. Der neue NRW-Regio-Chef Andree Bach hat auch allen Grund dazu. Nachdem DB Regio etliche Regionalstrecken an die private Konkurrenz verloren hat und auch beim Prestigeobjekt Rhein-Ruhr-Express nicht zum Zuge kam, hat der Platzhirsch wieder zugeschlagen und drei Regionalbahn-Linien ab 2019 gewonnen – immerhin 6,3 Millionen Zugkilometer pro Jahr. Darauf kann man schon mal mit einem Gläschen Sekt anstoßen.

Doch die wichtigste Nachricht des Tages ist kein Grund zum Feiern und wird von Heiko Sedlaczek, Geschäftsführer des Nahverkehrs Rheinland, nebenbei serviert. Für Tausende Pendler, die täglich im Zug-Stau auf der Hohenzollernbrücke stehen, kommt sie nicht überraschend. Die Bahn gibt für Köln eine Bankrotterklärung ab. Zwischen dem Hauptbahnhof und Mülheim geht nichts mehr. Die Brücke mit ihren sechs Gleisen, von denen zwei ausschließlich für S-Bahnen vorgesehen sind, ist der Engpass im Bahnknoten Köln. Jetzt hat das die DB Netz AG eingeräumt und den Abschnitt zwischen dem Hauptbahnhof und Köln-Mülheim als „überlastet“ angezeigt. Die Erklärung wurde vor wenigen Tagen abgeschickt.

Die Überlastungsanzeige

Sie beinhaltet, dass die verschiedenen Bahn-Unternehmen auf diesem Abschnitt mit mehr Zügen fahren wollen, als es die Trassen hergeben. Die DB Netz AG hat darüber die Bundesnetzagentur und das Eisenbahn-Bundesamt informiert. Die Überlastungsanzeige ist in zwei Abschnitte unterteilt – zwischen dem Hauptbahnhof und dem Bahnhof Köln-Messe/Deutz und von dort bis Köln-Mülheim. Das ist eine rein formale Trennung, weil es sich um verschiedene Strecken handelt. „Die DB Netz AG als Eigentümer der Trassen ist dort nicht mehr in Lage, alle Wünsche nach Zugfahrten zu erfüllen“, sagt NVR-Chef Sedlaczek.

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Die Zweiteilung

Im Abschnitt zwischen dem Hauptbahnhof und Köln-Messe/Deutz mit 1220 Zugfahrten pro Tag erweist sich die Hohenzollernbrücke als Engpass. Das betrifft nur die vier Gleise, auf denen die Regional- und Fernzüge unterwegs sind. Die beiden S-Bahn-Gleise auf der Nordseite der Brücke sind kein Problem. Um den S-Bahn-Takt zu erhöhen, ist die Erweiterung des Hauptbahnhofs und des Bahnhofs Köln-Messe/Deutz um jeweils einen Bahnsteig mit zwei Gleisen bereits beschlossen. Ab Köln-Messe/Deutz bis Mülheim gelten nur Strecken Richtung Düsseldorf und Wuppertal als überlastet, Richtung Siegburg/Bonn reichen sie aus.

Kein Ausweichen auf S-Bahn

Weil es keine Verbindungen zwischen den S-Bahn- und den Regionalgleisen gibt, kann nicht flexibler gefahren werden. Außerdem wird die S-Bahn-Trasse spätestens nach dem Ausbau der Bahnsteige im Hauptbahnhof und in Deutz ausgelastet sein. Die Züge sollen im Berufsverkehr im 90-Sekunden-Takt über die Brücke fahren.

Die Folgen

Die DB Netz AG muss jetzt erklären, wie sie den Mangel möglichst gut organisiert und mit welchen Ausbauten man die Engpässe beseitigen kann. Noch im Jahr 2012, als ein Gutachten zum Bahnknoten Köln erstellt wurde, galt die Hohenzollernbrücke als unproblematisch. „Für die bisherigen Verkehre und den künftigen Rhein-Ruhr-Express“, sagt Sedlaczek. Fünf Jahre später sieht das anders aus. Immer mehr Verkehrsunternehmen melden Trassen an – und das nicht nur im Nahverkehr. Dazu steigt der Mobilitätsbedarf. Täglich steigen täglich am Kölner Hauptbahnhof 280.000 Menschen ein und aus.

Mögliche Lösungen

Mittelfristig können durch den Einsatz moderner digitaler Stellwerkstechnik und neuer Signale mehr Züge durch den Engpass geschleust werden. Das ist am Kölner Hauptbahnhof für die Jahre 2022 und 2024 geplant, bringt aber nur wenig Entlastung. „Wenn die Verkehrsentwicklung so weiter geht wie bisher, werden wir um einen Ausbau der Brücke nicht umhinkommen“, so der NVR-Geschäftsführer. Die DB Netz AG hat auf den Ausbau der Infrastruktur aber keinen Einfluss. Sie ist Sache des Bundes.

Ausbau beschleunigen

Der Ausbau des Bahnknotens Köln besteht aus 15 Einzelprojekten und ist im neuen Bundesverkehrswegeplan, der bis 2030 läuft, unter dem Stichwort Engpass-Beseitigung als „vordringlich“ eingestuft worden. Das ist die höchste Stufe. Eine Erweiterung der Hohenzollernbrücke um zwei Gleise ist dort allerdings nicht enthalten. „Dass Köln vom Bund als vordringlich angesehen wird, ist zwar gut, aber jetzt muss kurzfristig auch Geld dahinterstehen“, sagt Heiko Sedlaczek. „Und nicht erst in zehn oder 15 Jahren.“

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Die Bahn könnte alte Pläne wieder aufgreifen und den Hauptbahnhof sowie die Hohenzollernbrücke entlasten, indem sie einige ICE-Linien nur noch über Köln-Messe/Deutz leitet. Derzeit fahren viele ICE über den Rhein und in die gleiche Richtung wieder hinaus. Im Hauptbahnhof wird nur ein zweiter Zugteil angekoppelt. Das dauert lange und blockiert Gleise. Außerdem fahren viele Züge ohne Reisende über die Brücke, weil sie im Betriebsbahnhof Deutzerfeld abgestellt und gewartet werden.

Ein Bahnhof, zwei Terminals

Die Idee, den Hauptbahnhof und Köln-Messe/Deutz als eine zentrale Station mit zwei Terminals zu sehen, hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben. Sie könnte jetzt neue Nahrung erhalten. Dazu müsste der Deutzer Bahnhof barrierefrei ausgebaut werden. Für eine schnelle Verbindung zwischen beiden Terminals hat es in der Vergangenheit die kuriosesten Ideen gegeben. Von einem Laufband auf der Brücke bis zu einer Seilbahn. Realistisch ist beides nicht.

Bereits im Juni hat die DB Netz AG die linksrheinische Strecke zwischen Köln und Bonn als überlastet angezeigt. Das gilt vor allem für den Abschnitt zwischen Hürth-Kalscheuren, Bonn und Remagen. Auf dieser Trasse steigt die Nachfrage auf den Linien RE 5, RB 26 und RB 48 im Berufsverkehr derart, dass sie nicht mehr befriedigt werden kann. Im Gegenteil: Die Bahn geht davon aus, dass der Fahrplan ausgedünnt werden muss. „Einer der Pläne war, dass die Ahrtalbahn nicht mehr bis Bonn fahren sollte“, sagt Heiko Sedlaczek. „Das kann nicht die Lösung sein.“

Die nächsten Schritte

Die DB Netz AG muss jetzt einen Plan entwerfen, wie sie die Kapazitäten in Köln erhöhen will, welche Ausbauten sinnvoll sind. Und sie muss erklären, was sie in der Zeit bis zum Ausbau plant, um den Verkehr aufrechtzuerhalten und Ausweichstrecken vorschlagen.

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