Vom Keyboardsound zur Mondscheinsonate

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Mülheim –  Technisch perfektes Klavierspiel – laut Musiklehrer Thomas Frohn ist das Grund genug, den Hut vor jungen Schülern zu ziehen. Der Tiefgang in musikalischen Interpretationen aber falle nicht vom Himmel, sei nicht zwangsläufig erlernbar.

Alina Siegl bildet für ihn die Ausnahme. Gerade 15 Jahre alt geworden gilt die Schülerin als Ausnahmetalent am Rhein-Gymnasium. Vor drei Jahren hat sie begonnen, Klavier zu spielen. „Sie hat ihre ersten Schritte bei uns getan. Ihr fliegt das nur so zu. Wichtig ist eben, dass es die Kinder selbst wollen und der Wunsch nicht von den Eltern ausgeht“, ist Frohn stolz auf seine Schülerin. Vor einigen Wochen gab sie in der Schule ihr erstes Konzert, das erste Mal abseits der Schulband, in der sie seit der fünften Klasse Keyboard spielt und singt. „Ich war schon sehr angespannt und nervös, und natürlich habe ich mich auch einige Male verspielt. Aber die Aufregung verflog direkt, als ich gesehen habe, wer alles gekommen ist, um mich spielen zu hören“, denkt Alina Siegl an ihren ersten Solo-Auftritt zurück.

Dabei hatte die junge Kölnerin vor einigen Jahren noch gar nichts zu tun mit dem Tasteninstrument. Sie hatte nicht vor, ihre Keyboard-Kenntnisse zu vertiefen. „Wenn wir Lehrer aber bemerken, dass ein Kind eine Begabung hat, sprechen wir es im Rahmen unserer Talentförderung an. So war es auch bei Alina“, erzählt Frohn. Am Anfang der sechsten Klasse sei man die Sache ganz spielerisch angegangen. Zwischendurch habe es sogar eine drei-monatige Pause gegeben, weil Schule, Hausaufgaben und Freunde parallel weiterliefen. Mit „Fantasie-Impromptu“ von Chopin habe es dann aber den entscheidenden Durchbruch gegeben, Alina wollte mehr. Von leichten Walzern steigerte sie sich nach eineinhalb Jahren Unterricht so zu dem „von Pianisten gefürchteten Stück, wegen der gegensätzlichen Sextolen in der linken, und 16teln in der rechten Hand“, so Lehrer Frohn, „Alina interpretiert das Stück auf eine besondere Art, wie ich sie selber vorher noch nicht gehört habe.“ Heute kann sich die 15-Jährige ein Leben ohne ihr E-Piano zu Hause und den Flügel in der Schule kaum noch vorstellen. „An manchen Tagen übe ich sehr viel, bis zu vier Stunden. Aber natürlich ist es immer auch tagesformabhängig. Manchmal fällt es einem eben nicht so leicht, sich in die Musik reinzufühlen“, sagt Alina. In jedem Fall aber gehe es ihr nach der Übungsstunde mit schwarzen und weißen Tasten unter ihren Fingern und dem Pedal unter ihrem Fuß besser – einfach, um mal alle Gefühle abzulassen. So verankert, wie Alina Siegl schon jetzt mit ihrem Instrument ist, will sie auch in Zukunft bleiben. „Mein Wunsch wäre es ja, dass Alina eine freie Pianistin wird. Sprich, dass sie beim Klavierspielen improvisieren, auch blindspielen kann. Das ist wirklich die Königsklasse“, meint Frohn. Ein Schritt in die richtige Richtung: Alina plant, sich an der Musikhochschule Köln zu bewerben – dort, wo auch ihr Lehrer ausgebildet wurde.

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Parallel zum Abitur könnte sie dann den Abschluss zur Konzertpianistin machen. Das Bewerbungsverfahren ist streng. Zeit zum Üben bleibt noch bis zum kommenden Frühjahr: Bis dahin ist vielleicht auch Beethovens Mondscheinsonate kein Problem mehr für die junge Pianistin – bei ihrem ersten eigenen Konzert stand das als sehr schwierig geltende Stück eher als Experiment auf dem Programm, denn „der dritte Satz ist schon anspruchsvoll“, so Siegl. Vielleicht ist dieses Stück dann der zweite Durchbruch für die Klavierbegeisterte.

Thomas Frohn, Musiklehrer

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