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Von Lille bis Rio de JaneiroSo ergeht es Kölner Partnerstädten in der Corona-Krise

Lesezeit 8 Minuten
Rio Partnerstadt

In Rio de Janeiro ist nicht klar geregelt, ob man auf die Straße darf oder nicht.

Köln – Unsere Stadt ist mit 23 internationalen, über die ganze Welt verstreuten Städtepartnerschaften zumindest deutschlandweit, aber wohl auch in Europa federführend. Zur Liste gehören Millionenstädte wie Rio, Istanbul oder Peking aber auch kleine Städte wie Corinto in Nicaragua oder Esch-sur-Alzette in Luxemburg. Alle haben in diesen Zeiten eine Gemeinsamkeit: sie müssen gegen die Corona-Pandemie ankämpfen.

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Deshalb werfen wir einen Blick auf den Alltag in unseren Sister-Cities, auf die Sorgen der Bewohner und wie sie sich mit den Umständen arrangieren. Auch die kleinen Freuden sollen erzählt werden, Gemeinsamkeiten, die stark machen, und Perspektiven für den „Exit“, was wichtig ist in dieser schweren Zeit.

Die Welt steht still in Rio de Janeiro, mit fast sieben Millionen Bewohnern eine der Megastädte und Kölns jüngste Partnerstadt. Rio steht für Lebendigkeit und Lebensfreude, ob Copacabana, Karneval oder Zuckerhut. Das ist vorbei. Lange hat Brasiliens Präsident Bolsonaro Corona verharmlost, jetzt scheint sich das Virus durchgesetzt zu haben. Die Infektions- und Sterbezahlen steigen bedenklich, nicht nur in den Armenvierteln, den Favelas.

Wie Mitglieder des Städtepartnerschaftsvereins mitteilen, ist nicht klar geregelt, ob man auf die Straße darf oder nicht. Der Bundesstaat Rio de Janeiro ist für eine strikte Ausgangssperre, der Präsident dagegen und der Bürgermeister der Stadt Rio schließen sich dessen Vorgaben an. Kleinere Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Virus werden allerdings getroffen. Nur lebensnotwendige Geschäfte und Verkaufsstände dürfen öffnen, Schulen und Kindergärten bleiben vorerst geschlossen, die Zugänge zu einigen Favelas säubert man regelmäßig mit Wasser und Reinigungsmitteln. Sogenannte Basiskörbe mit Grundnahrungsmitteln werden an die Ärmsten verteilt. Viele NGOs in Favelas haben eigene Maßnahmen zur Information und Unterstützung der Bevölkerung ergriffen und sammeln Spenden.

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„Unglaublich viele Menschen arbeiten in Rio als Verkäufer auf Straßen, Plätzen, am Strand, in Bussen und Zügen. Die haben es besonders schwer, denn sie alle verdienen nichts mehr und erhalten vom Staat keinerlei Unterstützung“, sagt Christoph Quade Couto vom Köln-Rio-Städtepartnerschaftsverein.

Ein anderes Vereinsmitglied, eine junge Dame, die kurz vor dem Abschluss ihres Medizinstudiums steht und aktuell beim Gesundheitsamt in Köln arbeitet, hat angeboten, die hiesigen Vorgehensweisen weiterzugeben. Die Stadtverwaltung von Rio war an das Kölner Büro für internationale Angelegenheiten mit der Anfrage für einen Austausch auf medizinischer Ebene herangetreten. Diese haben den Kontakt zum Kölner Gesundheitsamt vermittelt, der Austausch hat jedoch noch nicht stattgefunden. 

Seit 62 Jahren ist Köln mit dem nordfranzösischen Lille verschwistert. Organisiert etwa durch die Deutsch-Französische Gesellschaft sind viele Freundschaften zwischen den Partnerstädten entstanden, Kultur- und Schulaustausch gehören genauso dazu wie wechselseitige Besuche. Nun hat Corona unsere Nachbarn schwer getroffen. Die Maßnahmen der Regierung sind unbequem, die Menschen werden streng kontrolliert. So drucken Zeitungen Formulare ab, die jeder beim Verlassen des Hauses ausgefüllt bei sich tragen muss, um per Unterschrift bestätigt Auskunft zu geben, wann, wohin und zu welchem Zweck der Gang nach Draußen stattfindet. Wer spazieren gehen will oder einkaufen muss, darf das nur allein und im Radius von einem Kilometer tun, muss innerhalb einer Stunde wieder zurückkehren.

Den Ausgangsbeschränkungen setzen die Menschen aus Lille großen Einfallsreichtum entgegen: ein Jogging-Club lobt einen Wettbewerb für einen Benefiz-Laufparcours im eigenen Garten aus, es soll selbst die Marathonstrecke schon erreicht worden sein. Eine andere Initiative will nicht die Natur, sondern den Computer aufräumen, um den Energiebedarf zu senken. Überfüllte Postfächer leeren zugunsten des Klimas!

Axel Bornkessel, der Vorsitzende des Freundeskreises Köln-Lille, weiß, dass auch die französische Küche nicht zu kurz kommt. „Einige Gastronomen bieten Gutscheine an, die – nach der Krise – plus zehn Prozent abgeschlemmt werden können.“ Dann kann ein Menü für 110 Euro mit dem 100-Euro-Gutschein bezahlt werden. Verlockend um so mehr, als es Anzeichen gibt, dass sich auch in Frankreich die Pandemie abschwächt.

Kattowitz: Polen hat sehr früh zentral auf die Verbreitung des Virus mit Grenzschließungen und Reisebeschränkungen reagiert. Mit knapp 12.000 Infizierten und etwa 600 Verstorbenen ist die Lage vergleichsweise gut. Seit letzten Montag dürfen Hotels, Einkaufszentren und einige Museen wieder öffnen, Kindertagesstätten ab Mittwoch, 6. Mai. Die Maskenpflicht in der Öffentlichkeit bleibt jedoch weiter bestehen. Auch die geltenden Abstandsregeln müssen eingehalten werden. In Geschäften ist weiterhin nur ein Kunde pro 15 Quadratmeter zugelassen. „Wir öffnen die Wirtschaft erheblich, aber wir rücken nicht einen Zoll von den Sicherheitsregeln ab“, sagte Regierungschef Mateusz Morawiecki.

In Pandemiezeit sind die Menschen in Kattowitz noch solidarischer geworden. Auf Initiative der Pfadfinderin Annamaria Stawowy wurden innerhalb weniger Tage 14.000 Schutzmasken für Krankenhäuser aus der Region genäht. Andere bringen Bedürftigen Essen vorbei.

„Wir sind alle bemüht die Vorschriften zu beachten. Was uns fehlt, sind die Waldspaziergänge. Kattowitz besteht zu 50 Prozent aus Wäldern“, sagt Katarzyna Włodarczyk, die in Kattowitz für die Partnerschaft zuständig ist. Ulrich Freitag, Vorsitzender des Partnerschaftsvereins Köln-Kattowitz, und seine Stellvertreterin Monika Moj, die selbst aus der schlesischen Stadt kommt, stehen in engem Kontakt. Welche gemeinsamen Pläne für das Jahr können noch realisiert werden? Wann sind Besuche wieder möglich? „Sorgen und Sehnsüchte beschäftigen uns gleichermaßen, aber Freunde stehen das gemeinsam durch.“ (mit dpa) 

Obwohl Wolgograd, das ehemalige Stalingrad, fast 1100 Kilometer von Moskau entfernt liegt, hat Covid-19 die Stadt erreicht. Die Zahl der Infizierten liegt aktuell laut Robert-Koch-Institut bei 578, zwölf Personen sind gestorben, 109 genesen.

In Wolgograd gilt, wie in ganz Russland, seit Wochen eine strickte Quarantäne. Das Haus verlassen kann man nur, um zur Arbeit zu gehen, zu lebensnotwendigen Einkäufen oder um den Müll wegzubringen. Selbst mit dem Haustier darf man nicht weiter als 100 Metern von Zuhause spazieren gehen – natürlich mit Mundschutz und gebotenem Abstand. Kleine Ausnahme: Mit dem Auto oder Taxi kann man zur Datscha fahren, weil dort die Ansteckungsgefahr geringer ist. Der öffentliche Verkehr reduziert sich morgens und abends auf jeweils vier Stunden.

Die Mehrheit der Bevölkerung akzeptiert und respektiert diese Maßnahmen. Der Staat stellt älteren Menschen eine kostenfreie Telefonnummer zur Verfügung stellt, um Lebensmittel oder Medikamente zu bestellen, die von Volontären gebracht werden.

Wie überall führt das Leben in meist kleinen Wohnungen auch bei den Menschen an der Wolga zu Angst und Depressionen. Das brachte die Wolgograder Künstlerin Elena Orlova auf die Idee einer Künstler-Facebook-Gruppe. Frei nach Dostojewski „Schönheit wird die Welt retten“, lud sie spontan zu virtuellen Ausstellungen ein. Jeden Tag wird ein anderes Thema vorgegeben, wie „Die Farbe Blau“. Die Gruppe zählt schon 455 Teilnehmer, davon 82 Künstler aus Wolgograd, die anderen aus der ganzen Welt.

Der Städtepartnerschaftsverein Köln-Wolgograd kümmert sich seit sehr vielen Jahren etwa um ehemalige ZwangsarbeiterInnen. In Absprache mit der Stiftung EVZ und der Stadt Köln werden Besuche durchgeführt – hier und dort. „Durch die Krise gab es Probleme, dass die Sozialarbeiter¬Innen ihre Klienten nicht besuchen konnten. Durch die Genehmigung, die Budgetgelder flexibel zu verwenden, ist nun gewährleistet, dass auch während der Zeit der physischen Distanzierung Kontakt und Versorgung mit Medikamenten, Lebensmitteln und Reha-Hilfsmitteln garantiert ist“, sagt Eva Aras, die langjährige Vorsitzende des Vereins.

Kölns Partnerstädte: Von Barcelona bis Bethlehem

Barcelona, die Stadt in Nordspanien zeichnete sich in den letzten Jahren vor allem durch Nachrichten über die Unabhängigkeitsbestrebungen der Katalanen aus. Große Demonstrationen für und wider beherrschten die Szene. Nun ist alles still geworden, in jeder Hinsicht, nicht nur auf den prächtigen Straßen und Plätzen. 

Mit 1,6 Millionen Einwohnern und einem Vielfachen an Touristen steht die Metropole am Mittelmeer wie kaum eine andere Stadt für mediterranes Leben. Sie ist ein Hotspot für Kunst und Kultur, für Wirtschaft und Freizeit. Das ist alles vorbei und die Stimmung entsprechend bedrückt. Seit über vier Wochen gilt eine absolute und von Militär und Polizei radikal kontrollierte Ausgangssperre. Das lässt viele Bewohner verzweifeln, manche werden aggressiv. Kein Joggen, nicht das tägliche Spazierengehen auf den Ramblas, keine Gottesdienste, keine Tapas-Bars, Cafés und Restaurants. Alles ist geschlossen. Selbst der Besuch im Supermarkt wird reglementiert. Viele Menschen fürchten um ihren Job, Sicherheitspakete gibt es nicht. Die Krankenhäuser, im Rahmen der Wirtschaftskrise herunter rationalisiert, wurden nicht wieder aufgebaut, es herrscht Mangel überall.

Wie hilft und was unternimmt der Städtepartnerschaftsverein Köln-Barcelona? „Wir haben jeden Tag Kontakt“, sagt Heike Keilhofer, Vorsitzende des Vereins. „Wir chatten, haben Whatsapp-Gruppen gebildet, digitale Stammtische und Videokonferenzen. Jeden Sonntagmorgen treffen wir uns digital gemeinsam zu einem Aperitif, zu Vermouth und Oliven. Das tut beiden Seiten gut, wir bauen uns gegenseitig moralisch auf und hoffen darauf, dass zu Pfingsten ein Besuch wieder möglich ist. Denn dann wollen die Menschenturmbauer auf unserer Domplatte ihre Künste zeigen – ein atemberaubendes Spektakel und ein sichtbares Zeichen für Zusammenhalt.“

Indianapolis ist die Hauptstadt des US-Bundesstaates Indiana und ist mit über 800.000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt im mittleren Westen der USA. Das gute alte Köln hat damit eine kesse jüngere Schwester in der Neuen Welt bekommen –  und das funktioniert dank der Freundeskreise hüben und drüben seit 1988 bestens. So gibt es mit Indy, wie die Stadt liebevoll genannt wird, nicht nur einen FC-Fanclub, auch der Austausch mit Schülern und Feuerwehrleuten funktioniert – bisher, denn Corona behindert auch diese Aktivitäten.

Momentan bemüht man sich, die Indiana Jazz Exchange per Online-Lösung und Live-Streaming auch in diesem Jahr zu ermöglichen. Täglich werden Informationen  ausgetauscht. Sonja Simpson, die Vorsitzende des Freundeskreises Indianapolis-Köln, berichtet: „Es ist eine schwierige Zeit mit viel Unsicherheit und Angst. Die »shelter in place«-Verordnung ist in Kraft. Das bedeutet, dass man nur unterwegs sein darf, um wichtige Lebensmittel zu kaufen, zum Arzt oder zur Arbeit zu fahren oder wenn man zu den »essential workers« gehört. Die meisten Geschäfte, Schulen und öffentlichen Gebäude haben geschlossen. Ansonsten sind wir alle zu Hause, und wer Telework machen kann, ist dazu verpflichtet.“ Auch in Indianapolis kommt es zu Hamsterkäufen, obwohl die Supermärkte voller Waren sind.

Wie nah sich die Freundeskreise sind, zeigt, dass der Hinweis auf die Jubiläumsausstellung „50 Johr Bläck Fööss“ im Kölner Stadtmuseum begeistert aufgenommen wurde. Hartwig Prüßmann, der Vorsitzende des Köln-Indianapolis-Freundeskreises, verwies auf die virtuelle Ausstellungstour mit vielen interaktiven Funktionen. Trotz geschlossener Türen alles erlebbar – auch in Indianapolis.

„Jerusalem ist zum Beten und Tel Aviv zum Leben“, sagt man, und wer einmal in dieser jungen, quirligen Stadt war, ist davon überzeugt und kommt gern wieder: eine Wahnsinnskulisse zur Mittelmeerküste hin, der breite Strand, schöne Einkaufsstraßen und Plätze, der bunte Carmel-Markt, das Bauhaus-Ensemble „Weiße Stadt“, das vielfältige Kulturangebot, das Museum für moderne Kunst, und eine Partyzone.

„In Tel Aviv ist die Situation noch strikter als bei uns, überall gibt es Einschränkungen. Die Menschen dürfen sich überhaupt nicht draußen aufhalten, einzig Lebensmitteleinkäufe und solche in Apotheken sind gestattet,“ sagt die Vorsitzende des Vereins Köln-Tel Aviv, Monika Möller. „Letzte Woche ist die Nachricht gekommen, dass noch bis mindestens Ende Mai, eher noch bis Juli abgewartet wird, ob Touristen wieder ins Land gelassen werden.“ Keine schöne Perspektive, denn wie jedes Jahr hat Monika Möller auch in diesem Jahr eine Reise geplant, und bangt nun, ob sie stattfinden kann. „Zur Zeit planen wir auf Sparflamme.“

Auf Distanz müssen die Familien auch das Pessachfest feiern, das in diesem Jahr zeitlich mit unserem Osterfest zusammenfällt. Letzte Woche hat Ron Huldai, der seit 21 Jahren Bürgermeister der Stadt mit 450.000 Einwohnern ist, einen Hilferuf in die Welt gesendet.

Er sagt, die Corona-Krise sei die größte Herausforderung seiner Amtszeit. Er hat einen Hilfsfonds aufgelegt, der aus der ganzen Welt Spenden sammelt, um jenen Tel Avivern zu helfen, die es am härtesten trifft: Älteren, Asyl-Suchenden und Menschen, die arbeitslos geworden sind.

Bethlehem, der Geburtsort Jesu, liegt seit mittlerweile sieben Wochen unter Quarantäne, was die Menschen hier doppelt belastet. Bedingt durch die israelische Besatzung großer Teile des Westjordanlandes, umzingelt von einer acht Meter hohen Betonmauer, die Grundstücke teilt und Straßen beengt, ist das Leben für die 30.000 Bewohner sowieso nie einfach. Und nun auch noch Corona.

Die Stadt liegt in den palästinensischen Autonomiegebieten, grenzt im Norden an Jerusalem und im Süden an die judäische Wüste. Zum Jordantal und Toten Meer sind es nur knapp 40 Kilometer. Eine wunderbare, fremde Landschaft, in deren Genuss im Augenblick leider niemand kommt. Es herrscht Kontakt-, Ausgangs- und Reisesperre. Somit fällt die Haupteinnahmequelle Bethlehems, der Tourismus, weg.

Noch nie war die Geburtskirche so leer, ebenso Hotels und Andenkenläden. Die meisten Menschen haben keine finanziellen Reserven und die Arbeitslosigkeit steigt immer weiter. Sorge machen auch die 40.000 palästinensischen Arbeiter, die zur Zeit aus Israel zurückkehren, da auch dort viele Beschäftigungsverhältnisse z.B. im Bau- und Hotelgewerbe wegfallen.

Anton Salman, der Bürgermeister von Bethlehem und arabischer Christ, blickt dennoch nach vorne. Zitat aus seinem Brief an den Städtepartnerschaftsverein Köln-Bethlehem: „Von Geburtsort Jesu aus beten wir und unsere Herzen sind voller Zuversicht und Glauben, dass dieses Virus besiegt wird. Wir bleiben gemeinsam standhaft.“

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