Abo

Vor EuropawahlKatharina Barley nutzt ungewöhnlichen Kölner Ort für Wahlkampf

Lesezeit 3 Minuten
Applaus für Katharina Barley, Spitzenkandidatin der SPD bei der Europa-Wahl, von Christiane Jäger (l.) und Karl Lauterbach (r.).

Applaus für Katharina Barley, Spitzenkandidatin der SPD bei der Europa-Wahl, von Christiane Jäger (l.) und Karl Lauterbach (r.).

Köln – Wer nicht genau hinschaute, hätte sie auf dem Wiener Platz nicht erkannt. Die jugendlich wirkende Frau in Jeans, bunter Bluse und weißen Sportschuhen, von Jusos umringt, ist die Bundesjustizministerin und SPD-Spitzenkandidatin für die Wahl zum Europäischen Parlament: Katarina Barley. Die gebürtige Kölnerin hat sich für ihren Wahlkampfauftritt nicht eben den prominentesten Platz ausgesucht. Wenn die Jusos nicht eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn Flyer verteilt hätten, nichts hätte an diesem Dienstagnachmittag auf Barleys Auftritt hingewiesen.

„Europa ist die Antwort“, sprühen die Jusos mit Schablonen aufs Pflaster – Fragen aber haben die Vorübereilenden kaum an Barley zu stellen. Dabei ist dies der wohl multikulturellste Platz der Stadt und nicht wenige, die kein Interesse an der Wahl zeigen, profitieren doch von einem offenen Europa.

In Köln sei kein Ort zu finden, der noch „roter“ sei

Für Tobias Jacquemain, Vorsitzender der SPD Mülheim, hätten die Menschen in Buchforst, Buchheim und Mülheim einigen Grund zur Europawahl zu gehen, denn der Stadtteil habe durch das Strukturförderprogramm „Mülheim 2020“ „erheblich profitiert“. „Kommt zusammen“ wirbt die SPD also auf Plakaten, rund 150 zumeist SPD-Mitlieder waren ins Bistro des Mülheimer Bezirksrathauses gekommen, „ein bewährtes Heimspiel“, so Jacquemain. In Köln sei kein Ort zu finden, der noch „roter“ sei.

Alles zum Thema Karl Lauterbach

Das könnte Sie auch interessieren:

Und dann kommen doch Fragen. Warum sie nach Brüssel gehen wolle? „Ich habe einen wunderbaren Job“, sagt Barley. Aber sie auch „in jeder Phase meines Körpers Europäerin“. Letztlich habe der Brexit, die Europa- und SPD-Krise sie davon überzeugt, dass sie mit ihrer Patchworkfamilie nach Brüssel zu gehen. „Wenn noch mehr Länder kippen, noch mehr Rechtspopulisten Europa untergraben, dann ist es mit Demokratie, Freiheit, Rechtstaatlichkeit und Frieden schlecht bestellt.“

Einsatz für europäischen Mindestlohn

Barley will sich für einen europäischen Mindestlohn einsetzen. Der soll bei 60 Prozent des Durchschnittslohns des jeweiligen Mitgliedslandes liegen. „Dann können die Leute da bleiben, wo ihre Heimat ist.“ SPD-Gesundheitspolitiker Lauterbach forderte „eine Art Clearingstelle für die Menschen, die eine gesundheitliche Versorgung brauchen, aber keine Versicherung haben.“ Es müsse „einen steuerfinanzierten Ausgleich geben, der sicherstellt, dass diese Leute behandelt werden können. Das kann nicht auf die Kliniken abgewälzt werden.“

In Mülheim wurde insbesondere zu Barleys Stimmverhalten in Sachen Upload-Filter im Internet gefragt. Sie erklärte, sie habe zwischen den Urheberrechten der Kreativen und der Freiheit des Internets entscheiden müssen. Es sei jetzt eine Frage der Umsetzung der EU-Richtlinie, das Problem der Uploadfilter praktisch zu lösen.

Forderung nach einer Mietpreisbremse

Warnende Worte fand Barley vor dem Rechtspopulismus insbesondere in Ungarn. Sie fordere ein jährliches Monitoring zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit in der EU. Wer dagegen verstoße, dem müsse die EU-Förderung entzogen werden.

Viel Beifall erhielt sie für ihre Forderung nach einer Mietpreisbremse. Außerdem will sie sich dafür einsetzen, dass öffentliche Investitionen der Kommunen für bezahlbares Wohnen von den Maastricht-Kriterien ausgenommen werden. Die Kriterien erlauben den EU-Mitgliedstaaten nur eine jährliche Neuverschuldung von höchstens drei Prozent der Wirtschaftsleistung. Außerdem sollten Kommunen, die bei Neubauprojekten eine Quote von mindestens 30 Prozent sozial geförderter Wohnungen erreichen, höhere Zuschüsse aus den EU-Strukturfonds erhalten.

Wer ihr in Berlin nachfolge? „Eine Frau, so viel ist sicher“, erklärte Barley in Mülheim.

KStA abonnieren