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Wahlkreis 94SPD oder Grüne könnten CDU-Dominanz im Kölner Südwesten brechen

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Sven Lehmann sitzt für die Grünen im Bundestag und tritt im Kölner Wahlkreis 94 an.

Köln – Im Kölner Südwesten waren die Verhältnisse bei den vergangenen Bundestagswahlen absolut klar – dreimal in Folge gewann die CDU im traditionell und strukturell eher konservativen Wahlkreis 94 Köln II, der die Stadtteile Altstadt-Süd und Neustadt-Süd sowie die Stadtbezirke Rodenkirchen und Lindenthal umfasst, das Direktmandat. 2009 zog Michael Paul in den Bundestag ein, 2013 und 2017 setzte sich jeweils Heribert Hirte gegen die Konkurrenten der anderen Parteien durch.

Diese Dominanz der CDU wird sich in diesem Jahr jedoch aller Voraussicht nach nicht fortsetzen. Zeichnete sich zunächst ein enger Zweikampf zwischen CDU-Kandidatin Sandra von Möller und Grünen-Kandidat Sven Lehmann ab, hat sich das Duell inzwischen zu einem Dreikampf entwickelt. Der SPD-Kandidatin Marion Sollbach werden nun ebenfalls ernstzunehmende Chancen eingeräumt, die meisten Erststimmen auf sich zu vereinen.

Einfluss umstrittener Werteunion spürbar

Dass es zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen den Kandidaten von CDU, SPD und Grünen kommen wird, hat vielerlei Ursachen. Bei der CDU begann das bereits mit der Auswahl der eigenen Bewerberin, die für bundesweites Aufsehen sorgte. Heribert Hirte, kommissarischer Leiter des Bundestags-Rechtsausschusses, hatte seinen Platz nicht freiwillig geräumt. Nachdem er den Wahlkreis zweimal hintereinander souverän gewann, wollte er am 26. September erneut antreten. Doch gleich drei Gegenkandidaten bewarben sich – eine Delegierten-Versammlung der Kölner CDU entschied sich im Mai für die Unternehmerin Sandra von Möller und gegen Hirte.

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Die anderen Bewerber im Wahlkreis

Zwölf Direktkandidatinnen und -kandidaten treten im Wahlkreis 94 an – bei der  Bundestagswahl  2017  waren es noch acht. Neben den drei Favoriten stellen sich  am 26. September Joachim Krämer (FDP), Matthias W. Birkwald (Linke), Luca Leittersdorf (AfD), Judit Géczi (Die Partei), Torsten Ilg (Freie Wähler), Mahdi Rezai (MLPD), Walter Stehling (DKP), Markus Hoffleit (Die Basis) und Olivier Fuchs (Volt) zur Wahl. (att)

Ergebnis bei der Bundestagswahl 2017 (Erststimmen): 

CDU: 34,9%

SPD: 26,9%

Grüne: 14,6%

Linke: 8%

FDP: 9,1%

AfD: 4,6%

Sonstige: 2%

Der Jura-Professor vertrat daraufhin die These, das insbesondere in seinem Wahlkreis ein zunehmender Einfluss der umstrittenen „Werteunion“ zu spüren gewesen sei mit dem Ziel, die Union auf einen konservativeren Kurs zu bringen. Ralf Höcker, Presseanwalt und früheres Mitglied von CDU und Werteunion, hatte von Möller per Twitter gratuliert: „Ich bin zwar kein CDU-Mitglied mehr, gratuliere Sandra von Möller aber trotzdem ganz herzlich, werde sie bei der BTW sicher wählen“, schrieb er im Mai.

Förderung benachteiligter Kinder

Sandra von Möller selbst betont, dass sie sich der Idee der sozialen Marktwirtschaft sehr verpflichtet fühle – auch deshalb sei sie 1998 in die CDU eingetreten, weil keine andere Partei so sehr für diese Idee stehe. 2003 gründete sie den Verein „Kidsmiling“, der sozial benachteiligte Kinder und Jugendliche fördert. Die 52-Jährige, Geschäftsführerin eines mittelständischen Unternehmens, das Licht- sowie Lufteinigungssysteme anbietet, verweist außerdem auf ihre Wirtschaftskompetenz – von 2015 bis 2020 war sie Vizepräsidentin der Industrie- und Handelskammer zu Köln. „Ich setze mich mit voller Kraft für die Chancengerechtigkeit ein – in Wirtschaft, Politik und in der Zivilgesellschaft“, sagt von Möller. Ob ihr geringer Bekanntheitsgrad zum Problem werden wird, ist unklar. Mit einer breit angelegten Plakatkampagne hat sie dem zumindest entgegengesteuert.

Die Grünen spielten bislang bei den Direktmandaten in Köln keine Rolle – auch im Wahlkreis 94 erreichte Sven Lehmann 2017 lediglich 14,6 Prozent der Erststimmen. Über die Landesliste zog er dennoch in den Bundestag ein, und das mag ein Grund dafür sein, dass er dieses Mal zu den Favoriten zählt.

Der 41-Jährige ist sozialpolitischer Sprecher seiner Fraktion und gehört zu den auffälligsten Bundestagsabgeordneten, was sein Engagement für zentrale politische Themen in seinem Kölner Wahlkreis anbelangt. So positionierte er sich deutlich gegen den geplanten Ausbau des Trainingsgeländes des 1. FC Köln im Äußeren Grüngürtel – ebenso vehement spricht er sich gegen den Bau einer neuen Autobahnbrücke im Kölner Süden aus. „Im Kölner Süden entscheidet sich, ob wir die Klimakrise ernst nehmen“, sagt Lehmann.

Klare Haltung zum Grüngürtel

Nicht zuletzt die klare Haltung zum konsequenten Schutz des Grüngürtels hatte dazu beigetragen, dass die Grünen der Union ausgerechnet in der CDU-Herzkammer Lindenthal bei der zurückliegenden Kommunalwahl eine schmerzhafte Niederlage zufügten. Das könnte sich am Sonntag bei der Bundestagswahl wiederholen – und Sven Lehmann als erstem Grünen überhaupt ein Direktmandat in Köln einbringen.

Die SPD muss für die eigenen Erfolge im Wahlkreis 94 relativ weit in die Vergangenheit zurückblicken, wenngleich diese sich durchaus sehen lassen können. Die Sozialdemokraten holten das Direktmandat – wie zuletzt die CDU – dreimal in Folge bei den Wahlen 1998 mit Anke Fuchs sowie 2002 und 2005 jeweils mit Lale Akgün.

Marion Sollbach will am kommenden Sonntag an diese Erfolge anknüpfen. „Es ist mal wieder an der Zeit, dass ich für die SPD das Direktmandat gewinne“, sagt sie. Dieser Optimismus dürfte sich zu einem guten Teil aus dem Höhenflug der SPD und vor allem ihres Kanzlerkandidaten Olaf Scholz in den vergangenen Wochen speisen. Prognosen zeigen seitdem auch einen Aufwärtstrend für die den meisten Wählerinnen und Wählern eher unbekannte Sollbach, sodass die SPD im Kölner Südwesten nun wieder Morgenluft wittert.

Die studierte Biologin arbeitete als Nachhaltigkeitsberaterin für die Metro AG und Galeria Kaufhof. Sie ist zwar seit 1986 Mitglied der SPD, in Köln bislang aber politisch vergleichsweise unauffällig geblieben. Die 53-Jährige engagierte sich bislang vor allem bei der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen und nennt Gleichstellung neben Nachhaltigkeit als eines ihrer Herzensthemen. Ob das dafür reichen wird, in den Bundestag zu gelangen, wird sich am Sonntag zeigen.

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Matthias W. Birkwald, der seit 2009 für die Linke im Bundestag sitzt, wird zwar keine Chance auf das Direktmandat eingeräumt. Er hat aber gute Aussichten, erneut über die Landesliste seiner Partei einzuziehen – dort belegt er Platz zwei hinter Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht.

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