Wahnsinn in Köln-WeidenWarum Jutta Schlichte 1968 Eierbecher besitzt

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Jutta Schlichte hat fast 1700 Eierbecher zusammengetragen.

Jutta Schlichte hat fast 1700 Eierbecher zusammengetragen.

  • 44 Jahre lang sammelte Jutta Schlichte Eierbecher.
  • Josephine kaufte sie im Rhein-Center. Napoleon fand ihre Nichte schließlich in North Carolina.

Weiden – Topf und Deckel. Pfeffer und Salz. Blitz und Donner. Romeo und Julia. Napoleon und Josephine. Manche Dinge oder Menschen gehören ganz einfach zusammen. Diese Erfahrung hat Jutta Schlichte einen ganz besonderen Besitz beschert. Sie ist Eigentümerin von genau 1968 Eierbechern. Alles begann im Jahr 1974.

Schlichte war gerade nach einem fünfjährigen Englandaufenthalt mit ihrer Familie zurück nach Köln gezogen, hatte sich von ihrem Mann getrennt und in Weiden an der Ostlandstraße mit ihren Kindern eine neue Wohnung bezogen, da besuchte sie einen Antikmarkt im Rheincenter. Eierbecher waren für Schlichte bislang gewöhnliche Gebrauchsgegenstände – streng genommen noch nicht einmal das, denn sie mag gar keine gekochten Eier.

Doch auf dem Markt verliebte sie sich in ein Pärchen, zwei Becherchen aus Limoges-Porzellan. Den einen Eierbecher zierte das Konterfei des französischen Kaisers Napoleon, den anderen ein Porträt seiner Ehefrau Josephine. Schlichte kaufte allerdings nur letztere. „Sie kosteten 32 Mark pro Stück“, erinnert sie sich. „Ich war zu sparsam, um beide zu nehmen und dachte: Den anderen kaufe ich beim nächsten Markt vier Wochen später.“

Napoleon war weg

Doch zu ihrem Entsetzen war Napoleon dann weg. Sie begann ihn zu suchen. Sie fragte bei der Firma Limoges nach, rief bei einem Napolenmuseum am Bodensee an. Sie durchstöberte jeden Flohmarkt, der sich gerade anbot. Schlichte fand ihn nicht. Zum Trost nahm sie jedes Mal einen anderen Eierbecher mit. In den 70er Jahren erstand sie orange, spinatgrüne und blaue Becher mit weißen Blüten darauf. Dazu gesellten sich an Räuchermännchen aus dem Erzgebirge erinnernde Holzfiguren mit einer Mulde im Kopf, Eierbecher mit Gesichtern darauf, die unterschiedliche Grimassen ziehen, ein Schweinchen, ein Kamel, ein Elefant, ein Nilpferd.

Minibecherchen bis Enteneierbecherchen

Sie hat einen riesigen Becher für Straußeneier, große Enteneierbecher und Minibecherchen für Wachteleier. Sie erwarb edle weiße Exemplare aus Porzellan der Marke Herend mit filigranen Vögelchen darauf, Eierbecher, die die ostfriesische Rose ziert, und die sie an ihren Geburtsort in der Nähe von Wilhelmshaven erinnern.

Einen Ehrenplatz in dem Regal hinter einer Glasscheibe hat der Eierbecher mit der Rose von Meißen, ein Geschenk ihrer Kollegen zum Abschied von der Firma, bei der sie 20 Jahre gearbeitet hatte. Sie hat ein riesiges becherbestücktes Regal im Flur, eines im ehemaligen Kinderzimmer ihrer Tochter, eines in der Küche.

Napoleon stammt aus North Carolina

Und sie hat einen Ehrenplatz für die wichtigsten Eierbecher ihrer Sammlung: Josephine und – Napoleon stehen im Wohnzimmer auf einem Holzschemel. Nach 44 Jahren fand ihre Nichte ihn, in North Carolina, Amerika. Die junge Frau, die selbst in Ohio lebt, kam zur Beerdigung der Mutter von Jutta Schlichte, die im vergangenen Jahr im stolzen Alter von 102 Jahren verstorben ist.

Sie erfuhr von der verzweifelten Suche ihrer Tante, fotografierte Josefine, und durchstöberte die Internetbörsen auf der Suche nach deren eierbecherden Gemahl. Bei den Kleinanzeigen des Onlineportals Ebay in den USA wurde sie fündig. Schlichte erinnert sich noch genau an das Gespräch: „Tante Jutta“, sagte sie, „es ist wirklich traurig, dass Oma tot ist, aber ich kann dir auch etwas Schönes erzählen. Ich habe Napoleon gefunden.“ Im vergangenen Jahr reiste er mit der Post von North Carolina nach Ohio und trat von dort aus die Rückreise nach Europa an.

Eierbecher-Josephine und Eierbecher-Napoleon 

Seitdem ist Eierbecher-Napoleon wieder mit Eierbecher-Josephine vereint. Sie sollen künftig nicht mehr getrennt werden. Und dasselbe wünscht sich Schlichte nun für ihre ganze Sammlung: „Ich hätte es gerne, wenn alle zusammenbleiben. Ich möchte nicht, dass sie irgendwann in einem Container landen. Deswegen suche ich ein Museum oder eine Organisation oder Person, die sie gerne übernehmen möchte.“ Denn ihren Kindern kann sie sie nicht vererben. Sie haben in ihren Küchenschränken keinen Platz für 1968 Eierbecher.

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