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Warnstreik bei Kitas, Kliniken und KVB„Klatschen zahlt unsere Miete nicht“

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Trotz des unfreundlichen Wetters versammelten sich hunderte Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu einer Streik-Kundgebung am Rhein.

Trotz des unfreundlichen Wetters versammelten sich hunderte Beschäftigte im öffentlichen Dienst zu einer Streik-Kundgebung am Rhein.

  • Fachkräftemangel und Arbeitsüberlastung - darüber klagen sowohl Erzieherinnen als auch das Klinik-Personal.
  • Verdi fordert 4,8 Prozent mehr für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst.
  • Eltern haben Verständnis für den Streik der Erzieherinnen, sind aber dadurch auch stark belastet.

Köln – Es ist nasskalt an diesem Mittag an der Deutzer Werft. Frierend treten einige Streikende von einem Fuß auf den anderen, während vorne auf der Verdi-Bühne die Gewerkschafter versuchen, Stimmung zu verbreiten. „Ich kann gar nicht so schlecht arbeiten, wie ich bezahlt werde“, steht auf einem Transparent, auf einem anderen „gestern systemrelevant, heute irrelevant“.

Zu der Streikkundgebung ist vor allem Personal von kommunalen Krankenhäusern und Kitas gekommen. Auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der KVB streikten am Dienstag wieder. Ende dieser Woche gibt es eine neue Verhandlungsrunde für den öffentlichen Dienst, da will Verdi noch mal Druck machen: 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro fordert die Gewerkschaft für die Beschäftigten.

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Bis zu 4000 Streikende hatte Verdi trotz der Corona-Pandemie erwartet. Doch ganz so viele dürften es nicht sein, die sich mit Mundschutz und Abstand trotz des ungemütlichen Wetters am Rhein versammelt haben.

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Ihr geht es nicht nur ums Geld, sagt Anja Harig. Sie ist seit 28 Jahren in den Kliniken der Stadt Köln tätig, momentan in der Kinderklinik an der Amsterdamer Straße. Im Vergleich zu früher gebe es deutlich weniger Personal und immer mehr Stress, erzählt sie. Das sei für junge Leute nicht attraktiv: „Die machen das vier, fünf Jahre und dann sind die wieder weg. Und meine Generation stirbt irgendwann aus.“

"Klatschen zahlt unsere Miete nicht"

„Klatschen zahlt unsere Miete nicht“, steht auf dem Schild, das Bianca Jüngermann mit zu der Kundgebung gebracht hat. Sie ist Krankenpflegerin in einer psychiatrischen Klinik und bildet nebenbei noch Pflegeschüler aus. Und „nebenbei“ ist in ihrem Fall wörtlich zu nehmen, denn sie bekommt dafür weder mehr Zeit, noch mehr Geld. „Das ist quasi ein Ehrenamt.“ Und das, obwohl ihre Vollzeit-Stelle im Schichtbetrieb schon stressig genug sei. Mehr Geld oder wenigstens mal einen freien Tag als Ausgleich wünscht sie sich.

Eine Schulsozialarbeiterin für 2000 Schüler

Fachkräftemangel und Arbeitsüberlastung – das sind Probleme, die das Personal in Krankenhäusern und Kitas gleichermaßen betreffen. Auch Sarah Schunck, die als Schulsozialarbeiterin tätig ist. Die 24-Jährige ist für drei Schulen zuständig, insgesamt für 2000 Schüler und Schülerinnen. Wenn Kinder beispielsweise gemobbt werden, es Gewalt in der Familie gibt oder ein Kind sich selbst verletzt, wird sie hinzugezogen. Da bleibe überhaupt keine Zeit, vorbeugend zu arbeiten: „Ich bin immer nur die Feuerwehr, die kommt, wenn es schon brennt.“ Seit zwei Jahren sei eine halbe Stelle in ihrem Bereich unbesetzt: „Die Bezahlung ist einfach zu unattraktiv für das, was wir leisten müssen.“

Dem Warnstreik haben sich auch viele Erzieherinnen angeschlossen – einige städtische Kitas haben trotzdem einen Notbetrieb aufrecht erhalten. „Von uns wird immer mehr verlangt“, sagt Jessica Hallmann. „Wir sollen ja längst nicht nur betreuen, sondern auch bilden. Aber wie soll das funktionieren, wenn wir nur zu zweit in einer Gruppe sind?“ Durch Corona sei der Personalnotstand noch schlimmer geworden, viele Kolleginnen müssen sich krank melden oder gehören zur Risikogruppe.

"Noch nie war die Belastung in den Kitas so hoch"

„Der Druck und die Ansprüche der Eltern sind viel größer geworden“, erzählt eine 60-Jährige Erzieherin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. Seit 1980 arbeitet sie in Kölner Kitas. Aber noch nie sei die Belastung so hoch gewesen wie zur Zeit. „Der Anreiz, diesen Job zu machen, müsste größer sein – auch der finanzielle“, sagt sie.

Eltern von Kita-Kindern wissen natürlich, was das Personal dort leistet. Viele haben deswegen Verständnis für die Forderung nach einer Lohnerhöhung. Auch Phillipp Völker, dessen drei Jungs in eine städtische Kita gehen. „Der Zeitpunkt der Warnstreiks und die Kombination der Berufsgruppen ist allerdings mehr als unglücklich“, findet er. Denn letztendlich seien ja nicht alle Streikenden systemrelevante Helfer in der Corona-Zeit. „Da fühlt man sich bewusst in Geiselhaft genommen und dadurch schwindet unser Verständnis.“

Eltern - zwischen Solidarität und Betreuungssorgen

Wie seine Familie an den Warnstreik-Tagen die Kinder-Betreuung organisiert? Mehr als schwierig sei das, berichtet der Vater. „Unser Urlaub wurde im ersten Lockdown aufgebraucht. Und die Großeltern fallen wegen Corona auch aus.“ Er findet: „Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie fällt uns in diesen Tagen schwerer denn je.“

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