Glühwein-WanderungenGute Stimmung bei Weihnachtsmarkt-Ersatz – Bagatelle steigt aus

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Wartende Kunden vor einem Stand am Rudolfplatz

Wartende Kunden vor einem Stand am Rudolfplatz

Köln – Menschen laufen mit prall gefüllten Einkaufstaschen über den Neumarkt. Dort, wo sonst um diese Jahreszeit der Markt der Engel steht, sieht es aus wie immer. Nur die Lichterketten in den Bäumen weisen darauf hin, dass es Adventszeit ist. Zwei ältere Damen schauen sich die Lichter erfreut an. „Das ist schließlich immer noch besser als nichts“, sagt die eine. Aber für richtige Vorweihnachtsstimmung fehle dann doch der Glühwein und der Reibekuchen. Im nächsten Jahr sei das hoffentlich wieder möglich. „Man muss ja optimistisch bleiben“, sagt sie.

Zwar haben Weihnachtsmärkte, Restaurants und Bars geschlossen, doch der Verkauf von Essen und Getränken zum Mitnehmen ist weiterhin erlaubt, solange sie nicht vor Ort verzerrt werden. Die Kölnerinnen und Kölner haben diese Ersatzangebote gut aufgenommen. So etwa beim „Winterzauber am See“ in Köln-Lindenthal. Die Schlange für den Glühweinstand ist schon am Nachmittag über 50 Meter lang. Holzscheite auf dem Boden geben den Mindestabstand zwischen den wartenden Menschen vor, Schilder an den Bäumen erinnern die Besucher zusätzlich.

„Glühwein im Gehen, das verfehlt den Zweck“

Auf halbem Weg zum Glühweinstand stehen Melanie und Anja. Weihnachtsstimmung kommt bei ihnen trotz der Deko aus Lichterketten und Nussknackern noch nicht auf. Das sei zwar schön, aber kein Vergleich zu einem Weihnachtsmarkt. „Ich fürchte zudem, dass das bald auch verboten wird“, sagt Melanie. Sie sei sich nicht sicher, ob die Menschen sich wirklich an die Abstände halten könnten. Die beiden wollen mit ihren Getränken anschließend einen Spaziergang im Stadtwald machen.

Am See sitzen Dagmar und Harald aus Köln-Marienburg mit dampfenden Glühweinbechern in den Händen. Auch bei ihnen ist die Vorweihnachtsstimmung noch nicht richtig da. „Dabei haben wir sogar schon seit Anfang November weihnachtlich geschmückt“, sagt Dagmar. Ohne Corona wären die beiden zwei bis dreimal die Woche auf Weihnachtsmärkten, um sich mit Freunden zu treffen.

„Und danach würde man noch ins Brauhaus weiterziehen“, sagt Harald. Auch die Weihnachtsfeier auf der Arbeit oder im Handballverein fallen weg. Ständig müsse man sich Gedanken machen, ob und mit wem man sich treffen könne. Da sei es schon schwierig, in die übliche Weihnachtsstimmung zu kommen. Der Glühwein-Wanderweg kommt für Harald nicht infrage. „Glühwein im Gehen, das verfehlt den Zweck“, sagt er.

Bagatelle nimmt nicht mehr am Glühwein-Wanderweg teil

Viele Kölnerinnen und Kölner sehen das anders. Die einzelnen Stationen der Bars in Ehrenfeld, Südstadt und Kwartier Latäng sind gut besucht. Zum Teil sogar zu gut: Am Freitag versammeln sich immer mehr Menschen vor der „Bagatelle“ in der Südstadt, sodass die Mindestabstände nicht mehr eingehalten werden können. Die Bar erklärt daraufhin auf Facebook, dass sie bis auf weiteres nicht mehr an dem Glühweinwanderweg teilnimmt. Tags darauf kommen dennoch immer wieder erwartungsvolle Menschen, vielen bringen ihre eigenen Tassen. Doch die Entscheidung der Bar trifft bei den meisten auf Verständnis.

Junge Kunden

Ein verhaltenes Fazit vom Wochenende zieht der Handelsverband Aachen-Düren-Köln. Der Black Friday sei weit unter den Zahlen des Vorjahres zurückgeblieben. 80 Prozent der befragten Händler beschrieben das Samstagsgeschäft als „äußerst wechselhaft und sehr ruhig“. Vor allem jungen Kunden waren unterwegs. Gefragt waren Dekoartikel. (cv)

So auch bei der Freundesgruppe aus Nadine, Marzellina, Maike, Andi und Nico. Sie sind extra früh losgegangen, da sie vermuten, dass es am Abend voller wird. Die Bagatelle sollte für sie die zweite Station an diesem Nachmittag sein. Es ist Nadines 27. Geburtstag. „Und weil wir anders ja gerade nicht feiern können, war der Glühwein-Wanderweg eine tolle Alternative“, sagt Maike. Zuhause haben die fünf schon weihnachtlich dekoriert. „Sozusagen als Ersatz für die Atmosphäre, die man sonst auf dem Weihnachtsmarkt hätte“, sagt Nadine.

Ordnungsamt kontrolliert immer wieder Abstandsregeln

Ein paar Stationen weiter herrscht großer Andrang. Doch der Johann-Schäfer-Biergarten am Rhein hat damit schon Erfahrung, sie haben den Verkauf schon vor drei Wochen begonnen. Es gibt zwei Schlangen, eine nur für Glühwein, eine für Essen. Ordner weisen die Besucher auf die Abstände hin und bitten sie nach dem Kauf den Ort zu verlassen. „Das ist einfach, weil es entlang des Rheines ja noch viele schöne Plätze gibt, die man empfehlen kann“, sagt einer der Ordner. Die Reaktionen der Menschen seien bislang immer freundlich gewesen. Gelegentlich schaue außerdem das Ordnungsamt nach dem Rechten.

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Etwa abseits von dem Glühwein-Wanderweg stehen zumindest ein paar Buden am Rudolfplatz. Bratwürste, Crêpes und Süßwaren werden hier verkauft und natürlich heiße Getränke. Aus Lautsprechern klingt Weihnachtsmusik. Claudio hat sich hier mit einem Freund auf eine heiße Schokolade getroffen. In Weihnachtstimmung ist er noch nicht richtig. „Obwohl das natürlich hilft“, sagt er lachend, als Mariah Carey´s „All I want for christmas is you“ aus den Lautsprechern schallt. Die aktuellen Maßnahmen hält er aber für gerechtfertigt. „Corona ist größer als wir alle. Wenn wir uns jetzt etwas zurücknehmen, haben wir es beim nächsten Weihnachten geschafft.“  

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