Welche Strategie hat Köln?Wie dramatisch der Klimawandel die Stadt verändern wird

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Köln – Wir könnten uns den Klimawandel grün tünchen. Die Menschen in Kalifornien machen das ganz gern, wenn eine Dürre mal wieder die Rasenflächen in ihren eigentlich so schönen Vorgärten in verdorrte Äcker verwandelt. Einfach Farbe aufsprühen, und fertig. Hält angeblich etwa drei Monate. In und um Köln begegnet manch einer den heißer werdenden Sommern, indem er sich mannshohe Palmen in den Garten stellt. In echt, ohne Sprühfarbe. Andere nehmen einen Kredit auf, um einen Pool zu finanzieren. Wenn schon Klimawandel, dann bitte mit Stil. Im ersten Corona-Sommer 2020 kamen die Poolbauer gar nicht mehr hinterher, so sehr wurden sie mit Anfragen überhäuft. Da fungierten die Pandemie und der Klimawandel in Personalunion als Treiber für einen Geschäftszweig. Schön für die Schwimmbeckenbauer. Aber dieses doppelte Schreckenswesen, ein Alptraum.

Wer ernsthaft hinter den schönen Schein blicken möchte, sollte im Buch „Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ von Nick Reimer und Toralf Staud lesen. Es ist keine angenehme Lektüre. Eher eine aufrüttelnde. Das Südsee-Flair im eigenen Garten verliert nach ein paar Kapiteln sehr schnell seinen Reiz. Die Veränderungen, die uns durch den menschengemachten Klimawandel sicher bevorstehen, sind enorm. Und jene, die uns zusätzlich drohen, wenn wir nicht endlich konsequent den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren, sind unvorstellbar. „Für große Teile der Menschheit ginge es dann ums Überleben“, sagt Karsten Schwanke, Meteorologe, Wetter-Journalist und Kölner.

Reimer und Staud schreiben: „Der Klimawandel wird Deutschland drastisch verändern.“ Aber auch: „Noch haben wir es in der Hand, ob die Veränderungen beherrschbar bleiben.“

Alles zum Thema Klimawandel

Das heißt: Was bis etwa 2050 passieren wird, auch in und um Köln, ist bereits entschieden. Das Klimasystem der Erde ist träge, es reagiert in den kommenden 30 Jahren zunächst mal auf das, was der Mensch schon angerichtet hat. Für Deutschland bedeutet das wohl eine Erwärmung um etwa 1,5 Grad. Und für die Region im Detail etwa, dass Fichtenwälder nicht mehr überleben können, dafür aber die Bedingungen für den Anbau von Wein oder Süßkartoffeln besser werden. Wie es nach 2050 weitergeht, haben wir jetzt in der Hand. So schildern es Reimer und Staud. Schaffen wir einen wirklich strengen Klimaschutz, könnte die Erhitzungskurve ab Mitte des Jahrhunderts abflachen. Dann hätten wir im Jahr 2100 ähnliche klimatische Bedingungen wie 2050. „Land und Leben sehen dann zwar deutlich anders aus als heute, aber man würde es wiedererkennen“, schreiben die Autoren.

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Der Rat der Stadt Köln hat sich in diesem Zusammenhang viel vorgenommen und große Themen im neuen Dezernat für Umwelt, Klima und Liegenschaften gebündelt. Dessen Leitung hat am 1. September Diplom-Geograph William Wolfgramm (44) übernommen. In Sachen Erderwärmung verfolge die Stadt zwei Strategien, erklärt er: Einmal drehe sich alles um die Klimaanpassung. Und einmal gehe es um den Klimaschutz.

William Wolfgramm

Kölns Umweltdezernent William Wolfgramm.

Bei der Anpassung an den Klimawandel spielen Dinge wie die Regenwasserversickerung eine Rolle. Starkregenereignisse wird es wieder und wohl vermehrt geben. Also müssen Ideen her, wie das Kanalsystem der Stadt in solchen Fällen entlastet werden kann. Und es geht um mehr und zukunftsfähiges Grün. „Wir müssen ein Mikroklima in der Stadt schaffen, damit man es hier auch im Sommer 2050 noch gut aushalten kann und die Menschen nicht alle in ihren Wohnungen mit Klimaanlagen sitzen müssen. Damit würden wir die Stadt noch zusätzlich aufheizen und unseren Energieverbrauch weiter erhöhen“, sagt Wolfgramm. „Dass wir den inneren und äußeren Grüngürtel haben, ist für Köln ein unglaublicher Mehrwert. Diese Grünflächen müssen wir uns als Frischluftschneisen erhalten.“ Über das Neubaugebiet „Parkstadt Süd“ soll der Grüngürtel daher auch bis zum Rhein verlängert werden.

Außerdem will die Stadt ihre Einwohner mit dem Förderprogramm „Grün hoch 3“ dazu animieren, weiteren Flächen zu entsiegeln und Fassaden sowie Dächer zu begrünen. Oliver Fink, Inhaber der Gartenbaumschule Becker in Refrath und Vorsitzender des Verbandes der Garten-Baumschulen, begrüßt den grünen Willen in der Stadtplanung. Er hat aber auch so seine Bedenken: „Da wird auf den Projekt-Bildern viel schön grün gemacht, aber es könnte daran scheitern, dass es dieses Grün oft gar nicht gibt.“ Aktuell habe die Bepflanzung von Stadtflächen und Neubaugebieten alles andere als Priorität. Bauträger setzten in der Regel auf optisch hübsch und billig, die Stadt bilde keine Fachleute mehr aus und immer mehr Betriebe müssten schließen. Weil es an Fachkräften mangelt oder ein Nachfolger fehlt.

Um das Grün einer Stadt zukunftsfähig zu machen, brauche es aber Fachwissen und Qualität, sagt Fink. Es müsse eine neue Artenvielfalt unter den Stadtbäumen Einzug halten, um beim Befall mit Schädlingen oder Krankheiten, die der Klimawandel noch bringen mag, nicht immer gleich große Bestände zu verlieren. Auf Palmen zu setzen, hält Fink dabei für keine gute Idee. Schließlich drohe nicht nur extreme Hitze im Sommer, sondern durchaus auch mal extreme Kälte im Winter. Beides gut aushalten könnten eher Bäume, die zum Beispiel an das Kontinentalklima Osteuropas gewöhnt sind.

Bei der Klimaschutzstrategie geht es um den Beitrag, den Köln zur Eindämmung der Erderwärmung leisten kann. „Wir haben das politische Ziel, bis 2035 klimaneutral zu sein“, sagt Wolfgramm. Besonders wichtig dabei: so viel Solarenergie wie möglich gewinnen. „Wir wollen ein großes, dezentrales Solarkraftwerk errichten und alle Dachflächen, die wir haben und bei denen es möglich ist, gemeinsam nutzen.“

15.000 Dachflächen in Köln

Im kommenden städtischen Haushalt solle ein Förderprogramm für den Solarausbau auf privaten Dächern aufgelegt werden. Für 2022 stünden demnach 20 Millionen Euro zur Verfügung. Das wäre ein Anfang, mehr aber auch nicht. „Um unser Klimaziel zu erreichen, müssten wir pro Jahr 15.000 Dachflächen aktivieren, das ist eine große Aufgabe“, sagt Wolfgramm. Zusätzlich müsse die Stadt energieeffizienter werden, dafür sei die Sanierung vieler Gebäude nötig.

Und dann wäre da noch der Verkehr: „Nach unserem bisherigen Strategiepapier „Köln mobil

2025“ wollen wir den öffentlichen Nahverkehr, das Radfahren und auch das zu Fuß gehen auf zwei Drittel ausbauen“, sagt Wolfgramm: „Allein um die Lebensqualität in der Stadt aufrecht und hochzuhalten.“ Mehr Ladesäulen für Elektroautos solle es natürlich auch geben. Zudem prüfe man alternative Mobilitätskonzepte wie ein Wasserbussystem oder ein Seilbahnsystem über den Rhein.

Handeln wir in Köln zu langsam?

Ideen und Pläne gibt es also viele. Aber wird das reichen, um ernsthaft und zum Teil schmerzhaft einer Krise entgegenzuwirken, die uns so richtig wohl erst in 30 Jahren und danach erfassen wird? Wettermann Karsten Schwanke fürchtet, dass zu langsam gehandelt wird, weil die Auswirkungen das Klimawandels (noch) in zu weiter Ferne liegen. Steuerte ein Asteroid auf uns zu, der die Erde in zehn Tagen treffen könnte, würde man sich der Gefahr mit ganz anderen Mitteln entgegenstellen, meint er.

Die Autoren Nick Reimer und Toralf Staud versuchen es mit einem Appell an jene, die Klimaschutz als zu harten Einschnitt in ihr Leben empfinden. Sie schreiben: „In Wahrheit bedeutet nicht Klimaschutz eine große Veränderung – vielmehr würde ein Verzicht auf Klimaschutz unser aller Leben auf den Kopf stellen.“ Kölns Umwelt-Dezernent William Wolfgramm, ganz Mann der Politik, blickt pragmatisch nach vorn: „Wichtig ist, dass wir es anfangen.“

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