Wertvolles aus KriegszeitenUnterwegs mit dem Kölner „Treasure Hunter“

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Carsten Konze ist Sondengänger. Fast jeden Tag sucht er die Erde in der Nähe von Köln mit einem Metalldetektor ab. Nicht selten stößt er dabei auch auf Überbleibsel aus dem Zweiten Weltkrieg.

  • Im Boden liegen zahlreiche Wertgegenstände aus vergangenen Tagen. Auch aus dem Zweiten Weltkrieg.
  • Wir waren unterwegs mit einem, der sie finden will.
  • Carsten Konze kommt aus Köln und ist auf Youtube bekannt als der „German Treasure Hunter“, der Deutsche Schatzjäger.
  • Aus unserer Serie: 75 Jahre Weltkriegsende.

Es ist Mittag geworden an einem Montag im März, die Sonne knallt, dass die Wolken sich nicht hinaustrauen, da steht am Rand eines Ackers bei Köln ein kräftiger Mann in Tarnkleidung und versucht die Polizei zu erreichen.

Das Handy klebt am linken Ohr, die Falten der glänzenden Jacke ergeben sich dem Bizepsmuskel. Es klingelt, es tutet. Es hebt aber keiner ab. Haben wahrscheinlich Wichtigeres zu tun, sagt der Mann, ist ja gerade Corona. Dann schaut er noch einmal auf das Ding in seiner Hand. Länglich, verdreckt. Vorne spitz, hinten breit. Munition. Sie ist scharf.

Der Mann hat sie vor wenigen Minuten gefunden, in der Erde, hat sie ausgebuddelt. Sie lag da, seit beinahe 75 Jahren wohl, hatte sich gut zwischen den Regenwürmern versteckt, nachdem sie ihrer eigentlichen Aufgabe entkommen war. Deutsche Soldaten töten.

Hier, sagt der Mann, man kann noch die Kennung lesen und streicht mit seinem Handschuhzeigefinger über die Patrone. DEN. Denver Ordance Plant. Während des Zweiten Weltkriegs das größte Artilleriewerk in Colorado, USA.

Der Bauernhof im Rücken des Mannes schweigt. Klar, hier werden Kartoffeln angebaut, Kartoffeln machen keine Geräusche. Aber auch sonst macht hier nichts, überhaupt nichts Geräusche und das macht es dann schwierig, sich jetzt vorzustellen, wie es wohl geklungen haben muss, in Bedburg-Grottenherten, Ort an der Landstraße 258, heute 390 Einwohner, als die U.S. Army kam. Am 27. Februar 1945, im Zuge der „Operation Grenade“. Wie es geklungen haben muss, als sie die 11. Panzer-Division der Wehrmacht nach zwei Nächten Dauerbeschuss vertrieb.

Da, sagt der Mann, in der Scheune sieht man noch die Einschusslöcher. Und die Munition hier. Die hat wohl ein amerikanischer Soldat fallen lassen, als er nachlud.

Hinweise auf ein dunkles Deutschland

Es sind Hinweise, darauf, dass auch dieses Stück Land mal Teil eines vergangenen, dunkleren Deutschlands war. Wer eine Schaufel hat, der kann noch mehr finden, hier, wo einst die Frontlinie verlief wie eine entzündete Vene.

Der Mann hat einen orangenen Sparten dabei, hat er immer dabei, im Kofferraum seines Autos, genauso wie den Rest seiner Ausrüstung. Er sucht im Boden die Vergangenheit.

Er heißt Carsten Konze, er kommt aus Köln, er hat kurze dunkle Haare und ein Lachen, das man nicht mehr vergisst, wenn man es einmal gehört hat. Er betreibt eine Firma für Videoproduktion. Konze aber hat auch noch einen zweiten Namen, im Internet. „German Treasure Hunter“, der Deutsche Schatzjäger. So nennt er sich selbst und seinen Kanal auf der Videoplattform YouTube.

Fast 30 000 Fans hat er dort. 30 000, die ihm bei seinem Hobby zusehen: Carsten Konze ist Schatzsucher. Oder auch: Sondengänger, wie sie im Fachjargon heißen, die Menschen, die sich mit einem Metalldetektor aufmachen, um lange Vergessenes auszubuddeln. Allein in Köln gibt es gut 100 solche Leute, schätzt Konze.

Dunkles Knacken: Immer nur Granatsplitter

Seit gut einer Stunde schon gräbt er das Feld in Grottenherten um. Hört auf das Piepen seiner Geräte. Dunkles Knacken, weiß er, heißt Eisen. Da muss er gar nicht erst graben. Sind eh Granatsplitter. Immer nur Granatsplitter. Uninteressant. Liegen fast in jedem ehemaligen Kriegsgebiet noch zu Tausenden herum. Konze sagt dazu: „Wo gekämpft wurde, hat es eben auch »Peng« gemacht.“

Helles Fiepen bedeutet: Könnte was Gutes sein. „Könnte aber auch Scheiße sein“, sagt Konze, sticht seinen Spaten in den Boden, gräbt um, greift hinein, zieht einen zweiten, kleineren Detektor aus der Hosentasche, scannt den Klumpen in seiner Hand. Und hält wenige Sekunden später die nächste Munition zwischen seinen Fingern. Immerhin nicht mehr scharf, immerhin ungefährlich. Aber auch total wertlos.

„Man braucht Geduld“, sagt Konze. Müll finden gehört dazu. Sonstige Ausbeute bisher: die Lasche einer alten Dose und der Verschluss einer Penaten-Creme. Was zumindest den Geschichtsschluss zulässt, dass die Soldaten hier durchaus pflegebewusst gewesen sein könnten. Oder eben die Bauern, die nach dem Zweiten Weltkrieg das Feld noch ein paar Jahre pflügten, bevor sie es gänzlich brach legten.

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Für Konze sind solche Orte ideal für seine Suchgänge. Nur mit Genehmigung darf er überhaupt graben. Und dann auch nur 30 Zentimeter tief. Maximal. Regeln, die auf dem Land besser funktionieren als in der Stadt. „Die meisten Bauern lassen einen machen“, sagt Konze. Wenn auch unter der Prämisse: Wenn Du Gold findest, reden wir noch mal. Konze aber hat auch ohne Gold mit dem Reden kein Problem. Er ist ein Mann des Plausches. Der Besitzer des Hofs fährt im Traktor vorbei, man winkt grüßend, hat sich über die Zeit irgendwie auch ein bisschen angefreundet.

Experten glauben: Erst maximal ein Fünftel der Bomben und Blindgänger in NRW ist geborgen

In den Städten ist das Sondeln, so nennen sie das, durch die dichte Bebauung kaum möglich und auch selten erlaubt. In den Städten finden Baufirmen die großen Puzzleteile der Geschichte. Bomben, Blindgänger, von denen Experten glauben, dass in Nordrhein-Westfalen maximal ein Fünftel erst geborgen ist. Wie viele kleine Teile aber, wie viel Munition, Abzeichen, Münzen, die außer Konze nur wenige suchen, noch in der Erde stecken, das kann keiner schätzen.

Manchmal stößt aber auch er auf explosive Altlasten. Auf eine Stabbrandbombe etwa. Oder, im Wald, auf eine Springmine, einst platziert von der Wehrmacht. Er habe beim Ausgraben aus Versehen auf den Zünder geschlagen, sagt Konze. „Da dachte ich echt: »Okay, entweder habe ich das Ding gerade entschärft oder ich fliege gleich in die Luft.“ Minen, heißt es von Fachmännern, sind für Laien am gefährlichsten.

Carsten Konze versichert, er habe eigentlich kein Interesse daran, zerfetzt zu werden. Er suche auch weder nach Waffen noch nach Gefahr. Er beschreibt sich selbst als: Der Typ, der nachts Dokus auf „phoenix“ schaut, bis die Augenlider sich wehren. Trotzdem fährt er fast täglich los, um zu graben. Schaut in Geo-Datenbanken, wo einst die Schützengräben verliefen.

Warum das alles?

Warum also das alles? Konze sagt, es war vor acht Jahren. Er wusste nicht, was er sich zum Geburtstag wünschen sollte. Seine Frau hörte nicht auf zu fragen. Bei einem Spaziergang sah er einen Mann mit einem Metalldetektor.

Bei seiner ersten Suche fand er ein Koppelschloss aus der Preußenzeit. Kurz danach römische Artefakte. Konze sagt, er sei süchtig geworden. Nach diesem Gefühl, irgendwo zwischen Gänsehaut und Nervosität, wenn sein Detektor flirrt und brzzzt und kssscht.

Eigentlich, sagt Konze, interessieren ihn die Römer am meisten. Der Nazikram kaum. Bei den Römern, da erkennt er mittlerweile die meisten Münzen direkt nach dem Ausbuddeln. Einmal fand er eine vergoldete. Von fünfstelligem Wert. Er durfte sie behalten. Ungewöhnlich.

Die meisten Schätze werden Eigentum des Landes

Konze macht alles legal, er hat eine Nachforschungsgenehmigung der Denkmalbehörde, fährt ständig zur zuständigen Archäologin, um seine Funde zu melden. Die wirklich wertvollen Dinge muss er schon dort abgeben. Jedes hypothetische Nazigold, jeder Wikingerschatz wird automatisch, so besagt es das sogenannte Schatzregal, Eigentum des Landes.

Wer das anders macht, muss mit harten Strafen rechnen. So hatte etwa der Finder des sogenannten Barbarenschatzes in der Südpfalz, gut 100 Gold- und Silbermünzen im Wert von einer halben Million Euro, seine Entdeckung illegal geborgen und erst ein halbes Jahr später den Archäologen übergeben. Er wurde zu 15 Monaten Haft auf Bewährung und 3000 Euro Bußgeld verurteilt. Viele Länder gehen hart gegen solche Raubgräber vor. Weil diese Menschen den wissenschaftlichen Wert eines Fundes oft zerstören, die Forscher im Nachhinein nur noch schwer rekonstruieren können, wie der überhaupt an diesen Ort kam. Deshalb seien immer noch Sondengänger bei vielen Archäologen ziemlich unbeliebt, sagt Konze.

Er macht’s nicht fürs Geld, sagt Konze. Eigentlich, so wirkt es, geht es ihm nicht einmal darum, was er findet. Sondern nur, dass er etwas findet. Irgendwas, das mehr ist als Schrott. Irgendwas, das seinen inneren Indiana Jones befriedigt.

Scharfe Munition zum Beispiel? Nein, sagt Konze, die sei doch besser beim Kampfmittelräumdienst aufgehoben.

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