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William Shakespeare zum Mitturnen

Lesezeit 4 Minuten
Der Brite Patrick Spottiswoode brachte den Kölner Schülern William Shakespeares Welt nahe.

Der Brite Patrick Spottiswoode brachte den Kölner Schülern William Shakespeares Welt nahe.

Innenstadt – Patrick Spottiswoode vom Globe Theater wirbt mit Energie und Spielfreude für den englischen Barden

„Everybody is afraid of Shakespeare“, (Alle haben Angst vor Shakespeare), sagt Patrick Spottiswoode und er muss es wissen. Spottiswoode ist Direktor des Global Education Institute, das dem Londoner Globe Theatre angeschlossen ist, dem Pilgerort – neben Stratford on Avon – für Shakespeare-Adepten aus aller Welt. Tatsächlich kommen jährlich 130 000 Studenten an die Themse, um die Angst vor dem großen englischen Barden zu verlieren.

Zudem ist der Engländer immer wieder auf dem Kontinent unterwegs, um an Schulen seine „lecture performances“, seine Vortragsauftritte zu absolvieren. In dieser Funktion machte er jetzt auch am Königin-Luise-Gymnasium am Friesenplatz halt. Den Kontakt hergestellt hatte Peter Clemm, Fachleiter für Englisch, der im Mai mit seinem Leistungskurs am Globe war.

Dass sich Shakespeare selbst im Grabe umdrehen würde, wenn er wüsste, dass seine Stücke 400 Jahre nach seinem Tod als Schullektüre herhalten müssen, das betont der Experte aus London. „Keep Shakespeare alive, it’s music“, ruft er den 170 Oberstufen-Schülern zu, die seiner fulminanten Einführung in Shakespeares Welt beiwohnen. Shakespeares Sprache ist wie Rap, ein Rhythmus, sagt Spottiswoode. Sein Vortrag ist ein Plädoyer für die lebendige Kraft des Theaters, die Lust am Spiel, dem Live-Erlebnis einer Schauspieler-Darbietung. Und die bietet er gleich selbst, indem er die Schüler direkt anspricht, zum Mitmachen auffordert und von einem Bühnenrand zum anderen wirbelt. Anschaulich, witzig und mit einem Feuerwerk an Anekdoten bringt er den Schülern nahe, wie im London des 16. und 17. Jahrhunderts Theater funktionierte. Man saß nicht in einem Rechteck züchtig in Reihen hintereinander, stattdessen versammelten sich 3000 Menschen im Rundbau des Theaters. Die Zuschauer konnten sich also ansehen und so die Reaktionen auf das Gezeigte am anderen wahrnehmen. „Verschiedene Reaktionen waren nur hier möglich, ein wahrer Akt der Demokratie“, nennt Spottiswoode die unmittelbare Folge der Architektur des klassischen Globe Theaters aus dem 17. Jahrhundert, dessen Nachbau direkt am Themse-Ufer den typischen Grundriss bewahrt. Heute steht es mitten in der Stadt, damals musste das Theater vor den Toren der Stadt gebaut werden, denn es war nicht respektabel, wie der Londoner betont.

Und auch gar nicht erlaubt. Schauspieler waren nicht viel besser als Prostituierte, die Zielgruppe – man sprach nicht von audience (Publikum), sondern crowd (Menge) – war das einfache, vergnügungssüchtige Volk. 1000 der 3000 Zuschauer mussten stehen, direkt vor der Bühne unter offenem Himmel, denn das Globe Theater besaß nicht mehr als ein Strohdach, das in der Mitte offen war. „And it never rains in England“ (Es regnet ja nie in England).

Spottiswoode spricht von der rohen Energie, die das Stehen in den Menschen freisetzte, dass sie im Theater ihre Fantasie ausleben konnten, während sie im wahren Leben oft gegängelt wurden von der Obrigkeit. Theater war ein Ort der Freiheit, der Geschichten, des sozialen Lebens, nicht aber ein intellektueller Kulturraum, als der es heute angesehen ist.

Dass Männer zudem alle Rollen, auch die der Frauen spielten, die sich dann wiederum in Shakespeares Komödien als Manner verkleideten, um die Verwirrung unter den Geschlechtern perfekt zu machen, demonstriert Spottiswoode, indem er einige Schüler auf die Bühne holt und die Verkleiderei am Beispiel von „Was ihr wollt“ im Zeitraffer durchexerziert. Ein weiterer Punkt, den er den Schülern vermittelt, ist der Reichtum von Shakespeares Sprache, der versuchte dem damals schmucklosen Englischen Glanz zu verleihen. 17 000 verschiedene Vokabeln gibt es bei Shakespeare, nur 7000 in zeitgenössischen Bibel-Übersetzungen.

Dass man den iambischen Pentameter, das Versmaß der Stücke, auch turnen kann, auch das konnten die Schüler erleben am Beispiel einer Zeile der wohl berühmtesten Shakespeare-Figur Julia: „But soft, what light through yonder window breaks?“. – „Didam, didam, didam, didam, didam“. Bei jeder zweiten Silbe aufstehen, Versmaß am eigenen Leib erfahren. Schülerin Mira (17) bringt es auf den Punkt: „Ich wusste nicht, was mich erwartet, aber das war wirklich toll.“

SHAKESPEARE-FESTIVAL

Ein Muss für Shakespeare-Fans ist das jährlich stattfindende Globe-Festival in Neuss. In diesem Jahr findet es vom 14. Mai bis 13. Juni statt. Das Programm wird am Freitag, 28. Februar, bekannt gegeben. Der Vorverkauf startet am 14. März. (red)

www.shakespeare-festival.de

Mira, Schülerin

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