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Wirt der Kölner Kultkneipe „Roxy“Horst Leichenich ist tot

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Horst Leichenich

Köln – Horst Leichenich ist tot. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ aus Freundeskreisen erfuhr, ist der gelernte Fotograf und langjährige Wirt der Kultkneipe „Roxy“  am Mittwoch einem Krebsleiden in Verbindung mit einer Lungenentzündung erlegen. Horst Leichenich, gebürtiger Zollstocker (seine Eltern hatten dort eine Lottoannahmestelle), der zuletzt mit seiner Frau Dominique Renault in Maastricht gewohnt hatte, wurde 73 Jahre alt.

Stammgast im alten Roxy war Philosophie-Professor Raymund Weyers, der Anfang der 70er Jahre noch studierte. Es sei eine spannende Mischung aus Künstlern, Wissenschaftlern und anderen schrägen Typen gewesen.

„Horst war ein ruhiger Mensch, der zu allen Gästen einen persönlichen Bezug hatte. Es war ihm ein Anliegen, eine Melange aus interessanten Menschen zusammenzubringen.“ Was man nicht vergessen dürfe: „Die sich da allabendlich im Wohnzimmer trafen, waren noch nicht vom Erfolg gekrönt“, sagt Weyers.

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Der Heimattresen von Jürgen Klauke, Rudi Bonvie, Heiner Lauterbach

Der Anteil derer, die Karriere gemacht hätten, sei allerdings hoch gewesen. „Viele haben reüssiert.“ Leichenich, „von beträchtlicher Leibesfülle und immer schwarz gekleidet und mit Hut – das war sein Markenzeichen“, war immer selbst anwesend im „Roxy“, so Weyers. „Der hat mitgesoffen bis vier, fünf, sechs Uhr. Viel Alkohol, viele Zigaretten, das ist pumpenfeindlich.“

Weyers erinnert sich besonders an die skurrilen Weihnachtsfeier an Heiligabend, „so ab Mitternacht, wenn der bürgerliche Kram erledigt war.“ Da hätten dann schon mal die Dämmerlouis um Theo Lambertin und Arno Steffen hawaiianische Musik zum besten gegeben und die Damen sich der Oberbekleidung entledigt. „Der Express titelte: Exzess im Roxy.“

Das Roxy war der Heimattresen von Künstlern wie  Jürgen Klauke, Rudi Bonvie, Heiner Lauterbach, Dirk Bach, Rune Mields oder Charly Banana. „Ich habe Anfang der 70er so häufig in Kneipen rumgehangen, dass ich irgendwann fand, dass es lukrativer sei, in einem eigenen Lokal Kölsch zu trinken“, sagte Horst Leichenich vor ein paar Jahren dem „Express“.

Und so eröffnete er 1974 an der Maastrichter Straße die Kneipe, die in den Folgejahren zum Wohnzimmer der jungen Wilden dieser Stadt wurde.  Udo Kier, der später als Schauspieler in Hollywood Karriere machte, half er in jungen Jahren mal als Zappes aus.

Dann kam die neue Musik ins Kölner „Roxy“

Horst Leichenich beschrieb Kiers unvergessene Premiere  mal so: „Der hat Bierdeckel auf die Theke gelegt – aber die falschen... Das waren die, auf denen man anschreiben ließ! Ich hab's bemerkt, als es schon zu spät war: Alle nass –nix mehr zu lesen. Jaja, der Udo..“ Statt Heino oder Heintje wurde im „Roxy“ neue, internationale Musik gespielt.

Platten von Velvet Underground oder Roxy Music zog die junge Avantgarde an. Michael Buthe oder Sigmar Polke, der später weltberühmt wurde, kippten hier ihr Kölsch. Und wenn einer mal nicht zahlen konnte, sagte Horst nur: „Dann mal mir halt ein Bildchen." Das sei durchaus ein Risiko gewesen, erinnerte sich der Wirt, schließlich sei nicht jeder was geworden, der bei ihm mal die Zeche nicht zahlen konnte.

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Das Roxy wurde Kult, auch nach dem Umzug 1983 an die Aachener Straße. Das lag auch an Top-Produzent Conny Plank (Gianna Nannini, Eurythmics), der 1979 die Geburtsstunde des Kölschrocks in dem Lokal mitschnitt: Das Live-Konzert von Jürgen Zeltinger und dessen Band, unter anderem mit Roxy-Stammgast Arno Steffen („L.S.E.“), ist legendär. Zeltinger erinnert sich so daran: „Der Bassist stand auf dem Damen-Klo, der Gitarrist auf der Herrentoilette, und ich stand neben der Theke. Ich war praktisch während des Saufens am Singen.“

Schluss für immer im Jahr 2020

Nach 46 Jahren kam das Aus: 2020 schloss das Roxy für immer. Da war Horst Leichenich schon längst im Ruhestand. Seine Nachfolger hatten vor allem mit der Pandemie zu kämpfen. Die bekannte Leuchtreklame, die Leichenich und sein Kumpel Michael Nopens einst vom alten „Roxy“-Kino am Chlodwigplatz retteten, kam zum Gastronom nach Hause. Der kleine Roxy-Schriftzug dagegen hängt seit einigen Jahren im Kölnischen Stadtmuseum.

Auch Michael Nopens ist tief betroffen. Der Kameramann arbeitete während des Photoingenieurstudiums als eine Art „Mädchen für Alles“ im alten Roxy an der Maastrichter Straße. Später war er u.a. Assistent bei Jürgen Klauke. „Von dem habe ich kölsches Denken und Maggeln gelernt“, sagte er. „“Der Horst war ein echtes Original.“

Nicht überrascht vom Tod Leichenichs war Musiker Arno Steffen, der im Kroatienurlaub davon erfuhr. „Zumindest früher hat der Horst ja Raubbau mit seinem Körper betrieben. Zu ihm hatte man ein besonderes Verhältnis.“ Leichenich sei bis zum Schluß immer zu Konzerten gekommen. „Der war immer gut gelaunt und hat dir was gegeben“, sagt Steffen, dem die Trauer anzumerken ist.

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