Schießplatz in DünnwaldWo in Köln einst Soldaten hingerichtet wurden

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Parallel verlaufende Erdwälle im Wald sind die Überreste des Dünnwalder Schießplatzes.

Parallel verlaufende Erdwälle im Wald sind die Überreste des Dünnwalder Schießplatzes.

Dünnwald – Lange Zeit wuchs Gras über den Dünnwalder Schießplatz und seine dunkle Vergangenheit. Fünf parallele Erdwälle sind übrig geblieben von dem Areal, auf dem nicht nur auf künstliche, sondern auch auf lebende Ziele geschossen wurde.

Die Natur hat sich das Gelände zwischen Höhenfelder See und Waldbad längst zurückerobert. Kaum ein Passant achtet auf die 400 bis 600 Meter langen Hügel, die sich neben einem Spazierweg im Wald verbergen und früher die Schießbahnen trennten. Nichts erinnert an die Toten.

„Bis vor Kurzem hatten wir nur eine vage Idee, dass dort Erschießungen stattgefunden haben“, sagt Karola Fings, stellvertretende Direktorin des NS-Dokumentationszentrums. Sie hat in den vergangenen Jahren mühsam dieses finstere Kapitel der Dünnwalder Geschichte recherchiert.

Die Quellenlage sei mau, noch immer seien Fragen offen. Auch die Dünnwalder wissen kaum etwas von den grausamen Vorgängen auf dem einstigen Schießübungsplatz im Wald.

23 Hinrichtungen

Mittlerweile ist klar: Vom 15. Oktober 1940 bis 23. Dezember 1943 wurden dort 23 Männer hingerichtet, zwei weitere im März und April 1945 in einer angrenzenden Kiesgrube. Es waren Soldaten der Wehrmacht, die von Militärgerichten zum Tode verurteilt worden waren – wegen Fahnenflucht oder „Zersetzung der Wehrkraft“.

Der Älteste war 41, der Jüngste 18. Nach dem Klingelpütz, wo etwa 70 Deserteure mit dem Fallbeil getötet wurden, war der Schießplatz in Dünnwald die bedeutendste Kölner Hinrichtungsstätte für Fahnenflüchtige während des NS-Regimes.

Die Anlage am Kalkweg hatten die Nationalsozialisten lediglich übernommen. Schon 1887 wurde sie von den Preußen angelegt. Nach der Niederlage des Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg wurde sie im Zuge der Entmilitarisierung durch die Alliierten außer Betrieb genommen. 1936 dann reaktivierten sie die Nazis und wandelten sie später zur Exekutionsstätte um.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Wer die Opfer der Hinrichtungen waren.

„Die wenigsten der Hingerichteten hatten eine prinzipielle Gegnerschaft zum NS-Regime“, sagt Karola Fings. Es seien auch NSDAP-Mitglieder darunter gewesen. Trotzdem fielen die Männer eher kleineren, manchmal sogar unbewusst begangenen Delikten zum Opfer. Es seien meist sehr persönliche Gründe gewesen, weshalb sich die Soldaten dem Dienst in der Wehrmacht entzogen.

Oder sie hatten schlicht Pech, wie Jakob Brock, der mit 23 Jahren starb. Er war Soldat an der Ostfront und hatte während eines Heimat- und Genesungsurlaubs im Februar und März 1945 eine Kölnerin geheiratet. Er versuchte, seinen Urlaub verlängern zu lassen, wurde jedoch verhaftet: Die Genehmigungen für die Verlängerung waren offenbar in den Wirren der letzten Kriegstage nicht bei seinem Kommandeur angekommen.

Am 7. April 1945 wurde der gebürtige Lindenthaler von einem Standgericht in Höhenhaus zum Tode verurteilt und noch am selben Tag in der Kiesgrube neben dem Dünnwalder Schießplatz erschossen. Zu dem Zeitpunkt hatten die amerikanischen Truppen das linksrheinische Köln schon eingenommen. Brock, nach dem heute ein Weg in Höhenhaus benannt ist, hinterließ eine schwangere Frau, die erst nach seiner Erschießung unterrichtet wurde.

Als Kind die Schüsse gehört

Nach dem Krieg wurde auf dem Schießplatz weiter trainiert. Wolfgang Corzilius kann sich noch gut an diese Zeit erinnern. Bis Mitte der 1970er Jahre sei das Gelände von belgischen Streitkräften, aber auch von der Bundeswehr und der Polizei genutzt worden.

„Der Platz war umzäunt und es gab Sicherheitspersonal“, sagt der 65-jährige Dünnwalder, der als Kind die Schüsse vom Schießplatz hörte, wenn er im angrenzenden Waldbad schwamm. Der Eingang habe sich am Kalkweg befunden, dort stand auch ein Pförtnerhäuschen. Geschossen wurde in Richtung des Waldbads – auf eine Ziegelmauer mit Kugelfängen, von der heute nichts mehr zu sehen ist.

Wolfgang Corzilius arbeitet seit zwei Jahren für den Dünnwalder Bürgerverein die NS-Zeit des Stadtteils auf und damit auch das Kapitel Schießplatz. Seine Ergebnisse sollen demnächst in einem Buch zum 900-jährigen Bestehen Dünnwalds erscheinen.

„Die Erschießungen waren in Dünnwald lange nicht bekannt“, sagt Corzilius. Auch er wisse erst durch seine Recherchen, was sich im Wald abspielte. Sowohl Corzilius als auch das NS-Dokumentationszentrum wollen sich nun für eine Gedenktafel im Dünnwalder Wald einsetzen, damit nicht länger Gras über diese Geschichte wächst.

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