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„Musterquartier“Warum bei Kölns größtem Bauprojekt derzeit alles stillsteht

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Verwaiste Baufelder: Nach dem Abriss der alten Hallen wurden die Bauarbeiten weitgehend eingestellt.

Köln – Die Natur holt sich ein Stück Stadt zurück: In verlassenen Baugruben wachsen Pflanzen und in den verlassenen Industriehallen des geschichtsträchtigen Otto-und-Langen-Quartiers bohren sich Bäume und Wurzeln durchs Gestein.

Es sieht nicht gut aus im „spannendsten städtebaulichen Raum“ Kölns, wie der damalige Stadtentwicklungsdezernent Franz-Josef Höing das Areal vor zehn Jahren nannte – zumindest wenn man das zum Maßstab macht, was die Stadt als Ziel ausgegeben hat: 70 Hektar für ein neues lebendiges Quartier, in dem unterschiedlichste Nutzungen zusammen kommen. Bis zu 4000 Wohnungen sollten hier entstehen, dazu Orte für Gewerbe und Kultur, Schulen und Kitas sowie begrünte Korridore und mehrere neue öffentliche Plätze. Davon sieht man nichts.

Am trostlosesten sieht es auf dem Areal aus, auf dem bis 2018 noch die Deutz AG produzierte. Die Immobiliengruppe Gerch hat außer zwei Hallen an der Deutz-Mülheimer Straße nichts stehen lassen, was an die ruhmreiche Kölner Industriegeschichte erinnert – und dann die Arbeit offensichtlich eingestellt. Zuletzt war von einer aufwendigen Bodensanierung die Rede, die nötig geworden sei. Doch auch in dieser Hinsicht geschieht nichts mehr.

Denkmäler in Köln verfallen

Ähnlich sieht es auf dem Areal aus, für das einst die CG-Gruppe des umtriebigen Bauunternehmers Christoph Gröner zuständig war. Nichts deutet auf Bautätigkeiten hin. Man hat freie Sicht auf eines der ungewöhnlichsten Denkmäler der Stadt, den so genannten „eckigen Rundbau“, dem man beim Verfall zusehen kann.

Zwischen den verwaisten Baustellen befindet sich das Otto-und-Langen-Quartier mit der ehemaligen Hauptverwaltung von Klöckner-Humboldt-Deutz, deren Kauf vom Stadtrat gerade beschlossen wurde. Dahinter verfallen große Fabrikhallen, unter anderem die denkmalgeschätzte Möhring-Halle. Eigentümer ist das Land NRW, das sein Areal nun europaweit anbietet. Die Stadt will es haben. Ob sie es bekommt, ist unklar.

Mit jedem Eigentümerwechsel wird der Boden in Köln teurer

Aus dem Vorzeigeprojekt für Kölns Stadtentwicklung ist ein Anschauungsobjekt für den Umgang mit Grund und Boden geworden, der in den vergangenen Jahrzehnten mehrfach den Eigentümer wechselte, dabei immer teurer wurde und immer noch nicht für das genutzt wird, für das er gedacht war. Die Stadtverwaltung sagt, dass sie mit allen Investoren in Kontakt sei. Baudezernent Markus Greitemann will dem Eindruck entgegen treten, dass man in dieser Angelegenheit nur ohnmächtiger Zuschauer ist.

Immerhin drückt die Stadt jetzt beim Otto-und-Langen-Quartier aufs Tempo: Nachdem sie hier jahrelang wenig bis nichts getan hat, bringt sie nun nur kurze Zeit nach dem Kaufbeschluss des Stadtrates das Verfahren für die Beteiligung der Öffentlichkeit an der Bauleitplanung auf den Weg. Das Beteiligungs-Verfahren läuft vom 23. September bis 7. Oktober.

Gemeinsamer Plan soll formuliert werden

Für das bald städtische sowie für das Landes-Grundstück soll ein gemeinsamer Plan formuliert werden, der die Ideen der vergangenen Jahre aufgreifen soll. So gilt die Vorgabe, so viel wie möglich von der Industriearchitektur zu erhalten, und gleichzeitig eine vielfältige Nutzung möglich zu machen.

Das Ziel, hier ein „Musterquartier für die Stadt der Zukunft“ (Architekt Paul Böhm) zu entwickeln, bei dem es ums Gemeinwohl und nicht um Renditen geht, hat es (noch) nicht in die offiziellen Texte der Stadt geschafft. Entsprechende Konzepte waren im Umfeld er Künstlerinitiative „Raum 13“ formuliert worden, die in den vergangenen zehn Jahren aus der KHD-Hauptverwaltung das „Zentralwerk der schönen Künste“ gemacht hatte, bevor sie vom vorletzten Eigentümer rausgeworfen wurde.

In der Nachbarschaft ist die Lage undurchsichtig. Die Gerch-Group hat die komplette Liegenschaft an die Firma Gateway abgegeben. Gateway gehört der Familie Ketterer, die vorher aus der Gerch-Group ausgestiegen ist. Dem Vernehmen nach hat Gateway versucht, neue Absprachen mit der Stadt zu treffen, um die Vorgabe zu umgehen, dass 30 Prozent der Wohnungen als Sozialwohnungen gebaut werden müssen. Im Gegenzug habe man auf den Bau von Luxuswohnungen verzichten wollen, heißt es. Die Stadt bestätigt laufende Abstimmungen, ohne ins Detail gehen zu wollen. Mancher munkelt, dass ein weiterer Eigentümerwechsel bevorstehen könnte.

Mülheimer Baufelder aufgeteilt

An die Stelle der CG-Gruppe ist ein noch komplizierteres Firmengeflecht getreten. Die Firma – benannt nach dem Unternehmer Christoph Gröner – wurde zunächst umfirmiert, dann umgewandelt und schließlich aufgeteilt. Gröner blieb dem Rechtsnachfolger seiner Firma vorübergehend als Großaktionär und Aufsichtsrat verbinden, bevor sich der Mutterkonzern Consus Real Estate AG mit ADO Properties und Adler Real Estate zur Adler Group zusammenschloss. Gröner gründete ein neues Unternehmen, die Gröner Group.

Die Mülheimer Baufelder wurden aufgeteilt. Das, was Consus gehört, liegt völlig brach, obwohl seit 2018 Bauanträge eingereicht werden können und es für einige Flächen längst Baugenehmigungen gibt. Die Stadt weiß nicht, wann und wie es weitergeht. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ streitet Consus, beziehungsweise die neue Muttergesellschaft Adler Group mit dem Generalunternehmer Condor Wessels vor Gericht um Geld und angeblich nicht erbrachte Leistungen.

Schadstoffe müssen entsorgt werden

Auf Anfrage bestätigt die Adler Group, dass man mit anderen Unternehmen in Verhandlungen sei, die die Rolle des Generalunternehmers übernehmen könnten. Einen Zeitpunkt, wann weiter gebaut wird, kann der Unternehmenssprecher nicht nennen, versichert aber, dass „im Hintergrund gearbeitet wird“. Außerdem seien auch hier bei Abbrucharbeiten Schadstoffe gefunden worden, die nun entsorgt werden müssten.

Auf der Baustelle neben Consus, für die weiterhin Gröner zuständig ist, kann man immerhin schon einiges sehen, manches ist sogar schon fertig – aber auch hier ruhen die Arbeiten seit Monaten. Nach Angaben der Stadt werden aufgrund von überarbeiteten Nutzungs- und Entwicklungskonzepten die Hochbauplanungen angepasst. Die Gröner-Group reiche neue Bauanträge ein.

Baugenehmigungen können erlöschen

Der Frage, welche Möglichkeiten die Stadt hat, wenn es beim Stillstand bleibt, weicht Dezernent Greitemann aus. Baugenehmigung verfallen, wenn nicht innerhalb von drei Jahren mit der Bauausführung begonnen oder wenn die Arbeiten ein Jahr unterbrochen worden ist. Bei Consus läuft die Uhr. Die Stadt setzt aber weiterhin auf den Dialog.

Man habe „bauplanerische Steuerungsmöglichkeiten“ heißt es zurückhaltend auf die Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Und bei den Arealen, für die es noch keine Baugenehmigungen gibt, habe man „in den Verhandlungen mit den Investoren den vollen Handlungsspielraum, unsere städtebaulichen Ziele durchzusetzen“.

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