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Wohnen ohne eigene WändeWie lebt es sich im schmalsten Haus von Köln am Eigelstein?

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Thomas Käding muss jedes Möbelstück genau ausmessen.

  • Es war eine architektonische Herausforderung die nur 2,60m breite Baulücke am Eigelstein mit einem bewohnbaren Gebäude zu füllen.
  • Dem Architekten Arno Brandlhuber ist das Kunststück gelungen. Nun wohnt Redakteur Thomas Käding in dem Wohnkomplex.
  • Warum ausgerechnet seine Schuhe ihm den Zuschlag für die Wohnung gesichert haben und was der Platzmangel in seinem Leben verändert hat.

Köln/Innenstadt – Dass Freitag ist, merkt Thomas Käding immer daran, dass sich wieder Menschentrauben vor seinem Haus versammeln und Stimmen zu ihm in den obersten Stock schallen. Der 56-Jährige lebt im schmalsten Haus von Köln, das längst fester Bestandteil von Stadtführungen ist.

Ganz unten ist ein Dental-Labor, darüber wohnt eine Chinesin namens Yang, darüber wohnt noch eine Chinesin namens Yang. Ganz oben in den obersten beiden Etagen ist Thomas Kädings Zuhause.

Drei Parteien übereinander

„Meine Wohnung hat 44 qm, die beiden Yangs haben jeweils nur 32 qm. Die müssen sich platztechnisch noch mehr einschränken als ich“, sagt Käding, der vor knapp zwei Jahren in den markanten Bau einzog, den man gerne übersieht, wenn man den Eigelstein entlangläuft.

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Kein Wunder, ist die Front des Hauses doch nur 2,56 Meter breit und im Erdgeschoss auch noch in zwei Segmente geteilt: Links ist die Glastür des Zahntechnik-Labor, rechts die Eingangstür, die in ein sehr schmales freiliegendes Treppenhaus und zur Rückseite des Gebäudes führt. Von dort klettert man eine Industrie-Stahltreppe hoch zu den Bewohnern.

In Kädings Wohnung steht man direkt in der Küche. Einen Flur gibt es nicht. Neben der Küchenzeile ist das Bad, im vorderen Teil der Etage ist die Glasfront, die auf den Eigelstein hinausgeht.  „Im hinteren Bereich der Küche beträgt die Breite sogar 2,58 Meter“, weiß Käding, der auf das Haus gekommen ist, weil er den Architekten Arno Brandlhuber persönlich kannte und dessen waghalsigen Baustil bewunderte.

Eigentümerin unter Bauzwang

„Die Eigentümerin der Baulücke, in der jahrelang ein Kiosk stand, sah sich wegen eines Baugebots der Stadt Köln gezwungen, dort etwas hinzubauen. Brandlhuber, der aus Franken stammt, und heute in Berlin lebt, bekam schließlich den Job.“ So erzählt Käding die Geschichte, die die Stadtführer vor seinem Haus mit unterschiedlichen Gewichtungen zum Besten geben.

Die damalige Eigentümerin, eine Ärztin aus Neu-Ulm gewann Brandlhuber als Architekten, der sich an die Herausforderung wagte das 32 Meter lange und nur zweieinhalb Meter breite Grundstück zu füllen. Anfang der Nuller Jahre ließ er schließlich die Glas-Beton-Konstruktion hochziehen, die wie ein fehlender Lego-Stein in die Lücke passt. 

Haus ohne Wände

„Das Haus hat praktisch keine eigenen Wände, die Wände sind die der Nachbarhäuser“, erklärt Kädinig. Sollten diese Häuser jemals abgebrochen werden, müssten die Wände stehen bleiben, damit die Hausnummer 115 erhalten bleiben kann. Inzwischen gehört das Haus dem Designer Michael Rösing.

Bei der Wohnungsbesichtigung bekam Käding den Zuschlag, weil beide die gleichen Schuhe trugen. „So erkläre ich es mir jedenfalls, denn angeblich gab es noch 60 weitere Interessenten“, sagt Käding, der täglich mit dem Fahrrad zur Redaktion in Leverkusen pendelt. Sein Auto lässt er dort in der Tiefgarage, denn „hier finde ich ja eh keinen Parkplatz, vor allem wenn ich spät nach Hause komme.“

Auch in der Wohnung ist das Platzangebot bescheiden. 50 Prozent seines vorherigen Hausstandes musste er zurücklassen, immerhin war sein vorheriges Domizil knapp doppelt so groß. „Mein Sofa hätte hier schlicht nicht reingepasst. Ich musste vor jedem Möbelkauf akribisch nachmessen. Spontankäufe sind unmöglich“.

Eine Lektion, die er schmerzlich gelernt hat: Neben die Küchenzeile wollte er seinen Traumkühlschrank stellen. Das gute Stück war schon bestellt, bis auffiel, dass zwischen Küchenschrank und Heizkörper nur 70 Zentimeter Platz waren. Der Kühltraum aber maß 71 Zentimeter. „Die Bestellung musste ich dann ändern.“ Kädings Bett steht auf einer Art Galerie, die er über eine Treppe erreicht. Wäre es nicht auseinandernehmbar gewesen, hätte er sich wohl auch davon trennen müssen.

Von der Galerie führt eine Treppe hoch zur Dachterrasse, deren Zugang mit einem Glasschiebedach verschließbar ist. Von oben hat er einen fantastischen Blick auf Eigelsteintorburg, das Treiben auf dem Eigelstein und den Dom zu seiner Rechten. Was nach Luxus klingt, hat auch Nachteile. „Es ist schon sehr zugig da oben. So oft sitze ich dort gar nicht.“

Sein Abstellraum fasst gerade mal seine Waschmaschine und ein Regal, auf dem sich Schuhe, Drucker und Koffer drängen. Um an den Koffer dranzukommen, muss er erst andere Gegenstände aus dem Weg räumen. „Es ist ein bisschen wie im Flugzeug oder auf einem Boot“, schmunzelt Käding, der seinen Umzug in Kölns schmalstes Haus aber nicht bereut.

Minimalismus durch Platzmangel

Den minimalistischen Lifestyle, den ihm seine Wohnung diktiert, findet er eigentlich gut. „Ich muss halt erstmal überlegen, wo ich eine Tasche hinstellen kann, bevor ich sie kaufe. Das ist aber vielleicht ja auch ganz gut so. Es bewahrt mich jedenfalls vor unnötigen Anschaffungen“.

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Außerdem müssen die gut 1000 Euro Miete ja auch bezahlt werden. Wie hoch genau der Quadratmeter-Preis ist, will Käding lieber gar nicht ausrechnen. Stattdessen genießt er den Blick auf das rege Treiben am Eigelstein und lauscht den Stadtführern, die Neugierigen von der besonderen Baulücke und der Entstehung des schmalsten Hauses von Köln berichten.

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