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Wohnungslose in KölnPublizist Stankowski und Dezernent Rau streiten über Situation

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Obdachlose_Koeln

Mitte Februar in Köln: Ein Obdachloser übernachtet bei klirrender Kälte unter der Hohenzollernbrücke. 

Köln  – „Bleiben Sie zuhause!“ lautet der bekannte Appell in Corona-Zeiten. Was aber ist mit denen, die kein Zuhause haben? In Köln müsse „niemand, der es nicht möchte, ohne ein Dach über dem Kopf nächtigen“, und auch tagsüber auf der Straße leben, bekräftigte am Donnerstag Sozialdezernent Harald Rau. Die Stadt komme mit ihren Hilfen für Obdachlose, zu denen ein ausgeweitetes Tagesangebot gehöre, ihrem „gesetzlichen Auftrag“ nach.

Martin Stankowski, Publizist, Rundfunkautor und Kabarettist, widersprach. Was Köln – wo im Januar ein Ukrainer auf der Straße erfroren ist – bislang tue, genüge bei weitem nicht. Er verwies auf ein Urteil vom vorigen Jahr, mit dem das Oberverwaltungsgericht Münster befand, die Stadt habe eine fünfköpfige obdachlose Familie zu Unrecht auf nur 30 Quadratmetern untergebracht und müsse ihr eine größere Unterkunft zur Verfügung stellen.

Stankowskis und Raus unterschiedliche Ansichten prallten in der jüngsten Folge der Gesprächsreihe „frank & frei“ aufeinander, die Joachim Frank, Chefkorrespondent des „Kölner Stadt-Anzeiger“, moderierte. Die Veranstaltung der Karl-Rahner-Akademie wurde live gestreamt.

Stankowski: Unterkunft Vorgebirgsstraße ist abschreckendes Beispiel

Ein besonders abschreckendes Beispiel nannte Stankowski, der das kürzlich erschienene Buch „RatSchläge. Gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung in Köln“ mit herausgegeben hat, die Unterkunft in der Vorgebirgstraße für Menschen aus Osteuropa. Diese „schreckliche Einrichtung“ mit ihren Vier-Bett-Zimmern ohne Türen zeige, dass mit zweierlei Maß gemessen werde: hier die deutschen Obdachlosen, da die Zuwanderer, die kein Recht auf Sozialleistungen haben.

Rainer Best vom Sozialdienst Katholischer Männer (SKM), der die Einrichtung trägt, betonte, die ehemalige Flüchtlingsunterkunft sei aufwändig saniert worden, entspreche „hohen Hygienestandards“, biete eine Kleiderkammer, medizinische Versorgung, Beratung und mittlerweile auch die Möglichkeit des „Tagesaufenthalts“.

Wenn Stankowski forderte, Rau müsse sich entschiedener für Obdachlose einsetzen, entgegnete dieser, er sei „ein echter Lobbyist für die schwächsten Menschen in der Gesellschaft“.

Deshalb habe er „von Anfang an gesagt“, dass es eine „Anschlussperspektive“ für die 30 Leute geben müsse, die im März 2020 ein Haus am Großmarkt besetzt hatten und sich zur Initiative „Obdachlose mit Zukunft“ (OMZ) zusammenschlossen.

Rau: Wir haben Obdachlosen ein Gebäude überlassen

Inzwischen sind sie in ein GAG-Gebäude in der Gummersbacher Straße in Deutz umgezogen, das ihnen die Stadt überlassen hat. Zwar wandte sich Rau dagegen, die Initiative zu „romantisieren“, doch das selbstverwaltete Wohnprojekt könne als Modell dafür dienen, wie sich Obdachlose in Selbsthilfe organisieren – auch wenn am Anfang ein „Rechtsbruch“ gestanden habe. Stankowski konterte: In der Abwägung der Rechtsgüter sei es schlimmer, Menschen auf der Straße liegen zu lassen.

Einig waren sich die Gesprächsteilnehmer über die wichtige Rolle des Wohnungsmarkts. Best, der beim SKM die Unterbringungshilfe leitet, bestätigte, in den letzten Jahren sei das Problem, bezahlbaren Wohnraum zu finden, „wesentlich gravierender“ geworden; dabei habe nach Auffassung des SKM „jeder Mensch das Recht auf eine Wohnung“.

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Rau sagte, jedes Jahr würden in Köln 100 Millionen Euro – hauptsächlich Landesmittel – in den Bau von Sozialwohnungen fließen. Obwohl aktuell 300 Wohnungen aus der Förderung herausfallen würden, gebe es noch einen „Nettozuwachs“.

Das werde sich voraussichtlich ändern; deshalb brauche es ein Programm, dem entgegenzusteuern. Alles in allem sieht der Dezernent die Stadt auf einem guten Weg. Stankowski beharrte darauf, für die Bereitstellung von preisgünstigem Wohnraum sei mehr Engagement nötig.

Ein Hindernis sei das Liegenschaftsamt, das er „Verhinderungsbehörde“ nannte. Die Stadt sollte für soziale Zwecke mehr Immobilien erwerben als bisher – oder gegebenenfalls beschlagnahmen.

Kurz zur Sprache kam, dass am Rosenmontag zahlreiche bekannte Persönlichkeiten in Köln den Verein „Arche für Obdachlose“ gegründet haben mit dem Ziel, Spenden zu sammeln. Offensichtlich reicht ihnen das bestehende Hilfsangebot, zumal in der Pandemie, nicht aus.

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