Wohnungsnot in KölnNeues Buch dokumentiert Protest gegen Politik der Stadt

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Abriss statt Sanierung? Der Streit um die Häuser in der Stammheimer Egonstraße gilt Kritikern als Beispiel für die falsche Wohnungspolitik der Stadt.

Abriss statt Sanierung? Der Streit um die Häuser in der Stammheimer Egonstraße gilt Kritikern als Beispiel für die falsche Wohnungspolitik der Stadt.

Köln – Würde man nur auf die Zahlen schauen, müsste man keine große Sache draus machen: Es war kein Massenprotest, der sich da sieben Wochen lang unter dem Fenster der Oberbürgermeisterin formierte. Und doch hat er Henriette Reker und den sie unterstützenden Parteien im Wahlkampf wehgetan.

Unermüdlich und mit reger Anteilnahme in den sozialen Medien hatten ein paar Streiter gegen die Wohnungspolitik der Stadt und für verbesserte Lebensbedingungen von Obdachlosen Tag für Tag ihre Kritik vorgetragen. Die Autoren und Aktivisten Klaus Jünschke, Rainer Kippe und Martin Stankowski haben nun ein Buch über die „Mahnwache gegen Wohnungsnot“ auf dem Alter Markt in den Wochen vor der Kommunalwahl vorgelegt, dem sie selbstbewusst den Titel „Ratschläge – Gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung in Köln“ gegeben haben. Es geht ihnen um mehr als die Dokumentation einer Protestaktion, die ganz klassisch mit Klapptisch, Sonnenschirm, gemalten Plakaten und viel Ausdauer für Aufmerksamkeit gesorgt hat.

Aussichten auf einen anderen Stadtplan

Ein in seiner Zusammensetzung recht ungewöhnlicher Unterstützerkreis – mit Hedwig Neven DuMont, Pfarrer Franz Meuer, Kabarettist Jürgen Becker und dem Geschäftsführer des Vereins Region Köln/Bonn zur Standortentwicklung, Reimar Molitor – hat bei der Finanzierung des Buchs geholfen, sodass es nun zu einem günstigen Preis im Buchhandel steht. Die „Tagesberichte“ vom Alter Markt, die Jünschke von Ende Juli bis zur Wahl im September im Internet veröffentlichte, sind ein Diskussionsbeitrag für eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit den Themen Obdachlosigkeit und Stadtentwicklung.

Alles zum Thema Henriette Reker

Das Buch zeigt mit „Aussichten auf einen anderen Stadtplan“ Alternativen auf und gibt immer wieder auch Betroffenen eine Stimme, die sonst kaum zu Wort kommen. Jünschkes Texte werden mit weiterführenden Informationen, Zeitungsberichten und Beiträgen zu Lösungsstrategien verbunden.

Kritik an Oberbürgermeisterin

Ganz nebenbei eröffnet sich ein spannender Einblick ins grün-linke Spektrum der Stadt, weil es eben immer auch um die Frage geht, wer für den Wohnungsmangel und die unzureichende Bekämpfung der Obdachlosigkeit verantwortlich ist. Auch diejenigen, denen die Protestierer mutmaßlich nahestehen, müssen sich viel Kritik gefallen lassen. Die Tagesberichte bezeugen eine Vielzahl von Solidaritätsbekundungen während der Mahnwache – auch von vielen Politikern aus dem Stadtrat.

Doch die Willensbekundungen werden unglaubwürdig, wenn die Praxis der Stadt nicht zu ihnen passt. Und so werden von Seiten der Betroffenen und ihrer Fürsprecher auch immer wieder Enttäuschung und Wut deutlich: „Wenn die Grünen ernst genommen werden wollen, müssen sie Frau Reker ermöglichen, endlich als Rechtsanwältin zu arbeiten“, heißt es zum Beispiel zornig in einem der Tagesberichte.

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Eine kleine Fotoserie von Petra Metzger führt die Armut in einem reichen Land vor Augen – Szenen, wie man sie zurzeit überall in Köln antreffen kann. Das Buch ist ein Beitrag wider die Gewöhnung an dieses Leid, es fordert politische Strategien statt Almosen. Es ist keine wissenschaftliche oder hoch anspruchsvolle Auseinandersetzung, mehr ein plakatives Schlaglicht auf schmerzhafte Versäumnisse. Den Autoren ist ein lesenswertes Zeitdokument gelungen.

Ratschläge – Gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung in Köln, herausgegeben vom „Mach Mit e.V.“, Weissmann Verlag, 112 Seiten, 8 Euro

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