Wolly Düse über Konzerte in Corona-Zeiten„Ohne Publikum ist das total daneben“

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Wolly Düse

Wolly Düse ist seit 30 Jahren als Musiker unterwegs, stand mit Bands wie Rausch und Cowboys on Dope kurz vor dem Durchbruch.

  • Wolly Düse ist ein Urgestein der Kölner Musikszene. Er spricht im Interview über Konzerte in der Corona-Zeit und Touren mit Weltstars.
  • Außerdem sprich Düse über sein aktuelles Band-Projekt „Die Düsen“ und darüber, warum er 1995 nicht bei Brings eingestiegen ist.

Wolly Düse, Sie gehören seit mehr als 30 Jahren zur Kölner Musikwelt. Wie hat sich die Szene verändert?

Die Szene von damals gibt es eigentlich gar nicht mehr, die meisten Bands sind aufgelöst, deren Musiker leben verstreut auf der ganzen Welt und machen komplett andere Jobs.

Wie erleben Sie, für den Konzerte überlebenswichtig sind, die Corona-Krise?

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Wir haben natürlich auch ein paar Streaming-Gigs gespielt, aber ohne Publikum ist das total daneben, wenn du keine Reaktion, keinen Applaus, auf deine Musik erhältst.

Sie waren früher Schlagzeuger in der Band Rausch. Sogar Dave Grohl, heute Foo-Fighters-Boss, hat 1991 mit Nirvana im Tanzbrunnen auf Ihre Felle eingedroschen, weil die Jungs zu spät ankamen und keine Zeit zum Aufbauen hatten. Wie war das für Sie?

Das war nichts Besonderes, wir hatten ja schon 1989 mit Soundgarden gespielt und mit Faith No More getourt. Nirvana kannte ich überhaupt nicht. Wir haben denen auch noch 200 Dollar für das Benutzen unserer Backline abgenommen. (lacht)

Rausch war Fluch und Segen zugleich, nach der Trennung sind Sie Ihrem langjährigen Weggefährten Peter Sarach treu geblieben. Mit ihm zusammen entstand die Band Cowboys On Dope. Da schien der Durchbruch möglich.

Der Durchbruch mit Rausch war viel wahrscheinlicher als der mit den Cowboys. Wir waren jung und hatten keine Ahnung vom Business. Wir hatten auf jeden Fall eine super Zeit.

Sie hätten 1995 bei Brings einsteigen können. Warum hat das nicht geklappt?

Weil ich da noch vertraglich an Rausch beziehungsweise an unsere Plattenfirma gebunden war.

Extrabreit wollten Sie ebenfalls als Trommler haben. Auch da haben Sie der Verlockung widerstanden, ins Rampenlicht zu rücken. Warum?

Da kam sogar eine beträchtliche Ablösesumme ins Spiel, ich habe aber weiter an Rausch geglaubt und das Angebot dankend abgelehnt. Ich habe aber ihre damalige Single „Jeden Tag, jede Nacht“ eingetrommelt.

Nach dem Aus der Cowboys, die in Köln an jeder Steckdose spielten, haben Sie Die Düsen gegründet.

Nachdem wir den Score und den Soundtrack zum Peter-Thorwarths-Film „Nicht mein Tag“ gemacht hatten, hatte ich einiges Material übrig und spielte das meinem Freund und Kollegen Paul Grau (früherer Rausch-Produzent, d. Red.) vor. Er brachte mich dann auf die Idee, mein erstes Soloalbum zu veröffentlichen. Zuerst schrieb ich die Texte auf Englisch, das war aber leider ziemlich mies und grammatikalisch unterirdisch, so dass ich mich entschied, die Songs auf Deutsch zu schreiben.

Was macht Die Düsen aus? Die Musik klingt ein wenig wie Wir sind Helden. Die sind Lieblinge des Feuilletons.

Im Gegensatz zu meinen früheren Bands haben wir bei den Düsen mehr akustische Instrumente wie Ukulele, Zither oder Violine, aber auch Synthies und elektronische Elemente am Start. Ohne dabei auf wuchtige Drums, fette Bassläufe und Rock-Gitarren zu verzichten. Zudem kommt der teils zweistimmige Gesang von Sängerin Nette Sol und mir dazu, wobei ich da meistens die höheren Parts übernehme. Da die Songs stilistisch stark variieren, wird der Hörer immer wieder überrascht. Trotzdem zieht sich aber ein roter Faden durch unseren Sound. Aber vielleicht ist es die Überraschung, die uns ausmacht.

Und mit dem Wir sind Helden-Vergleich können Sie leben?

Klar. Andere Leute behaupten, dass wir wie Ideal oder 2raumwohnung klingen.

Die Debütsingle heißt „Im Netz“. Das Thema ist aktuell.

Ja klar. Digitalisierung und Social Media bestimmen leider immer mehr unser Leben. Ich bin oft froh, wenn ich nicht am Rechner sitze und einfach nur Musik machen oder mit Freunden quatschen kann.

Die deutsche Radiolandschaft ist schwierig. Was macht Ihnen Hoffnung, dass Die Düsen da ihren Platz finden werden.

Im Radio läuft leider fast nur Mist. Als Indie-Band hast du es da sehr schwer. Vor allem bei den großen Sendern hast du so gut wie keine Chance, gespielt zu werden. Es gibt aber auch einige kleine Radiosender wie Köln Campus, bei denen kein Mainstream läuft. Dabei ist die Musik von Die Düsen ziemlich eingängig und poppig. (lacht) Vielleicht hört uns ja ein einflussreicher Redakteur und wir werden die neuen Fools Garden.

Sie hoffen also auf den großen Hit?

Ich schiele nicht auf einen Hit. Es wäre natürlich schön, wenn unsere Musik bei möglichst vielen Leuten ankommen würde. Aber es gibt so viele gute neue Bands, die alle nach oben wollen. Ich bin ganz entspannt, wir werden sehen, wie es läuft. Leider sind unsere Konzerte alle corona-bedingt abgesagt worden. Wie lange das noch so weitergeht, steht in den Sternen. Geplant ist, dass wir am 5. März 2021 im MTC in der Zülpicher Straße spielen werden.

Bereuen Sie etwas in Ihrem Musikerleben?

Nein, wir hatten mit Rausch und den Cowboys eine wirklich gute Zeit, sind viel rum gekommen und hatten immer sehr viel Spaß. Vielleicht hätte man ein bisschen besser auf die Penunzen aufpassen sollen. (lacht)

Sehnen Sie sich zurück in die Zeit, als es in Köln noch das Musikfest am Ring und die Popkomm gab?

Im Moment sehne ich mich sogar extrem danach zurück. War schon schön, mit so vielen Menschen zusammenzukommen und zu feiern. Da waren fast alle nationalen Bands und Musiker in Köln, überall gab es Gigs, Partys und Action. Das war eine gute Zeit. Es gibt aber wieder ähnliche Events wie die Gamescom mit diversen Bühnen auf dem Ring, Indie-Cologne-Fest und so weiter.

War es früher einfacher hier? Rausch, Violet, The Pleasure Principle, Bagdad Babies, King Candy, Supreme Machine, Cowboys On Dope... alles tolle Bands aus dieser Stadt.

Die Verbreitung von Musik hat sich total verändert. Damals gab es noch eine funktionierende Musikindustrie, die genannten Bands hatten fast alle einen Major-Deal in der Tasche. Und es gab noch keine Streaming- und Download-Dienste, die sich im großen Stil an den Urhebern bereicherten.

Was ist Ihr Lieblingsclub?

Mein Lieblingsclub war das Bel Air, das ist aber schon lange Geschichte. Ansonsten gucke ich mir Konzerte gerne im Blue Shell, im Sonic Ballroom, im MTC oder im Luxor an.

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