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Zeitgewinn „mit Geld kaum aufzuwiegen“So läuft der Stadtarchiv-Vergleich in Köln ab

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2009 stürzte das Kölner Stadtarchiv ein.

2009 stürzte das Kölner Stadtarchiv ein.

  • Durch einen Vergleich mit den Unternehmen, die am Bau des eingestürzten Stadtarchivs beteiligt waren, könnte die Stadt 600 Millionen Euro erhalten.
  • Das bedeutet auch: Ausgehend von den ursprünglich veranschlagten 1,3 Milliarden Euro würden 700 Millionen Euro verloren gehen. Der Zeitgewinn sei allerdings „mit Geld kaum aufzuwiegen“, so Stadtdirektor Stephan Keller.
  • Wir erklären die Hintergründe.

Köln – Stadtdirektor Stephan Keller hat am Donnerstag vor der Sitzung des Stadtrats weitere Details über die Vergleichsverhandlungen mit der Arbeitsgemeinschaft (Arge) der am Bau der Nord-Süd-Stadtbahn beteiligten Bauunternehmen bekannt gegeben. Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ bereits berichtete, würde die Arge der Stadt als Ausgleich für den vor elf Jahren beim Einsturz des Historischen Archivs entstandenen Schaden 600 Millionen Euro zahlen.

Die Bauunternehmen würden zudem die Einsturzgrube am Waidmarkt sanieren und den Tunnel der Nord-Süd-Stadtbahn vollenden sowie im Waidmarkt einen unterirdischen Gedenkraum für die Todesopfer einrichten – alles auf eigene Kosten.

Einsturzursache „mit diesem Vergleich auch geklärt“

„Mir ist besonders wichtig, dass mit diesem Vergleich auch die Einsturzursache geklärt ist“, sagte Keller. Die Arge würde demnach anerkennen, dass beim Aushub des Wandabschnitts mit der Bezeichnung Lamelle 11 mehrfach Zähne des Greifers abbrachen, weshalb ein Fugenblech beschädigt wurde, so dass die Wand an dieser Stelle undicht war. Als Jahre später die Erde für das Gleiswechselbauwerk ausgehoben wurde, drang Grundwasser durch die fehlerhafte Stelle in die Grube, wobei das Erdreich unter dem Stadtarchiv mitgerissen wurde.

Alles zum Thema Kölner Verkehrs-Betriebe

Keller handelte den Vergleich gemeinsam mit Stadtkämmerin Dörte Diemert, Verkehrsdezernentin Andrea Blome, weiteren Mitarbeitern der Verwaltung, Rechtsanwälten und zwei Experten für Großbauschäden in einem Moderationsverfahren aus. Er betonte, dass mit der Summe von 600 Millionen Euro und den zugesagten Baumaßnahmen sämtliche entstandenen Schäden bezahlt wären. „Das ist ein gutes Ergebnis für die Stadt“, sagte der Stadtdirektor.

700 Millionen Euro Verlust?

In dem Rechtsstreit um den Schadensersatz verlangten die Stadtverwaltung und die KVB von den Bauunternehmen Bilfinger, Züblin sowie Wayss und Freytag – aus denen die Arbeitsgemeinschaft besteht – bislang eine Summe von mindestens 1,3 Milliarden Euro. Das würde bedeuten, dass die Stadt mit dem Vergleich 700 Millionen Euro verliert. Keller wies jedoch darauf hin, dass ein Drittel davon Zinsansprüche seien. Der veranschlagte Zinssatz soll zudem deutlich über den realen Zinssätzen der vergangenen elf Jahre gelegen haben. Die real einzufordernde Schadenssumme würde somit deutlich unterhalb der 1,3 Milliarden Euro liegen.

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Sollte der ausgehandelte Vergleich zustande kommen, bedeute das außerdem eine realistische Perspektive für die Inbetriebnahme der Nord-Süd-Stadtbahn im Abschnitt zwischen Heumarkt und Severinstraße, so Keller. Das ist möglich, sobald die Einsturzgrube saniert und der U-Bahn-Tunnel vollendet sein wird. Der Vergleich würde dafür sorgen, ein zivilrechtliches Gerichtsverfahren zu vermeiden, das nach Einschätzung des Stadtdirektors durch sämtliche Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof geführt würde.

Zeitgewinn „mit Geld kaum aufzuwiegen“

Eine Ausweitung des bisherigen Beweissicherungsverfahrens wäre notwendig. Bis zu einem endgültigen Urteil und einer Entscheidung würden weitere zehn bis 15 Jahre vergehen, so Keller. Die Nord-Süd-Stadtbahn könnte demnach erst zwischen 2030 und 2035 den vollständigen Betrieb aufnehmen . Der Zeitgewinn aufgrund des Vergleichs sei „mit Geld kaum aufzuwiegen“, sagte der Stadtdirektor.

Die Politiker im Stadtrat müssen dem ausgehandelten Vergleich allerdings noch zustimmen – das soll bei einer Sondersitzung am 29. Juni geschehen. Ihnen bleiben also lediglich zehn Tage, um eine Entscheidung zu treffen. „Ich votiere für diesen Vergleich, weil wir ansonsten den oberen und unteren Ausbau am Waidmarkt weiter verschieben müssten – wir können uns keine weitere Verzögerung leisten“, sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker.

Der Schock saß tief

Der Schock des Archiveinsturzes sitze tief, die Stadt sei aber nicht in einer Schockstarre verharrt, sondern habe gehandelt. Der Stadtrat müsse jetzt Handlungsstärke beweisen und den Weg für einen Neustart frei machen. „Ich halte den Vergleichsvorschlag angesichts der Gesamtumstände für sehr gut annehmbar “, sagte Reker. Das Ziel müsse jetzt darin bestehen, die Einsturzgrube zu sanieren, das Waidmarkt-Quartier fertigzustellen und einen Gedenkraum zu bauen. Der Stadtrat hatte auf Vorschlag der Initiative „Archiv-Komplex“ beschlossen, den rund 600 Quadratmeter großen Raum im KVB-Bauwerk unterhalb der Severinstraße und neben dem ehemaligen Archivgrundstück nicht zuschütten zu lassen, sondern als Halle für Kunst, Kultur und Kommunikation zu nutzen.

„Die Arge hat auf der technischen Ebene fortlaufend Gespräche mit der Stadt und den Kölner Verkehrs-Betrieben geführt. Diese sind ausgeweitet worden, um eine Gesamtlösung für den Waidmarkt zu finden“, so ein Sprecher. Bis zu einer möglichen Zustimmung durch die zuständigen Stellen ließen sich keine weiteren Details benennen. Kommentar

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