Abo

Zeltstadt am Kölner SüdstadionUnterkunft für Ukraine-Geflüchtete wird abgebaut

Lesezeit 6 Minuten
Geflüchtete Bobach Rode

Marita Bosbach und Frederik Rohde vom DRK kümmern sich um die aus der Ukraine Geflüchteten.

Köln-Zollstock – „Ich habe gelernt, mit den Menschen nach vorne zu schauen. Es ist gut zu wissen, welche Tragödie hinter ihnen liegt und immer ein offenes Ohr zu haben. Aber es ist wichtig, ihnen die Perspektiven für die Zukunft zu zeigen“, schildert Frederik Rohde. Er leitet die städtische Erstunterkunft für Ukraine-Geflüchtete in Zollstock. Die wird vom Deutschen Roten Kreuz Köln betreut.

Die Zeltstadt am Südstadion ging Ende Mai in Betrieb, im April hatte die Stadt sie aufbauen lassen mit Platz für rund 600 Menschen. Zuvor war die Erstunterkunft in der Messe untergebracht, diese musste aber zum Juni geräumt werden. „Der Übergang war fließend. Die Unterkunft am Südstadion war prima vorbereitet, so dass alles von Anfang hier sehr gut geklappt hat“, berichtet Rohde. Der Sozialpädagoge arbeitet seit 2015 in der Flüchtlingshilfe beim DRK.

Die meisten Geflüchteten kommen mit dem Zug nach Köln

Die meisten Geflüchteten kämen mit dem Zug nach Köln und würden zunächst im Ankunftszentrum am Breslauer Platz untergebracht, erläutert er. „Wenn sie bei uns ankommen, sind sie bereits auf Corona getestet und ihre Daten schon erfasst. Wir schauen dann vor allem, ob es einen besonderen Bedarf gibt, aufgrund von Alter oder Krankheit“, beschreibt er.

Die meisten Ukrainer wollten vor allem zunächst eins: Ausruhen. „Sie kommen in der Regel erschöpft an. Es sind viele Mütter dabei, die haben eine lange Zugreise mit kleinen Kindern und Gepäck hinter sich“, schildert der 46-Jährige.

Ruhe scheinen die Menschen in den Zelten finden. Von außen betrachtet, nimmt man kaum etwas von den Geflüchteten wahr. Vereinzelt schlendern sie über das Gelände, telefonieren, gehen oder kommen von den Dusch-Containern. Die temporären Bauten verfügen über 25 Quadratmeter große Kabinen, abgetrennt durch mobile Wände, mit Einzel- und Doppelstockbetten, einem zentralen Bau, in dem das Essen ausgebeben wird und Dusch- und Toilettencontainer. Die Temperatur in den Zelten wird über Heizungs- und Klimaanlagen reguliert. „Wir haben in der Regel etwa 50 Menschen am Tag hier. Dadurch ist natürlich viel Platz, aber es würde auch mit mehr Leuten gut gehen“, so Rohde.

Im Juni kamen gut 700 Geflüchtete nach Köln

30 Mitarbeiter - darunter einige von der Diakonie - kümmern sich um die Geflüchteten, Sozialarbeiter, Sprachvermittler mit Ukrainisch-Kenntnissen und studentische Hilfskräfte als Lotsen sind rund um die Uhr im Einsatz. Auch eine medizinische Fachkraft ist stundenweise vor Ort.

Im Juni kamen und gingen gut 700 Geflüchtete, teilt Rohde mit. Die meisten seien Mütter mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern, ältere Verwandelte, vereinzelt auch Alleinreisende. Die Stimmung in der Unterkunft sei sehr ruhig, Spannungen oder Schwierigkeiten habe es nicht gegeben, sagt er. „Die Menschen sind sehr selbstständig und digital total fit. Sie holen sich die Infos der Stadt hinter den QR-s mit ihrem Handy. Sie kommen zu uns, wenn sie Fragen haben, zum Beispiel, wenn ihnen wichtige Medikamente ausgehen und um zu erfahren, wie es weitergeht“, erzählt er. „Man darf nicht vergessen, es sind Menschen, die völlig selbstbestimmt ihr Leben führen und die ihr zu Hause erst vor kurzem verlassen haben“, sagt Marita Bosbach, Fachbereichsleiterin Familie, Gesundheit und Integration beim Kreisverband des DRK.

Erste Station: Erstunterkunft

In der Erstunterkunft am Südstadion bleiben die Menschen maximal 72 Stunden, viele schlafen nur eine Nacht hier. Für die meisten geht es weiter mit Bus zu einer Landeserstunterkunft nach Bochum, von wo aus sie landesweit verteilt werden. „Manche machen sie auch eigenständig auf den Weg zu Familien oder in private Unterkünfte“, berichtet Bosbach.

Während ihrer kurzen Zeit in Zollstock verlassen die Geflüchteten die Unterkunft, um ihre Wäsche zu waschen in Waschsalons auf der Bonner Straße oder dem Höninger Weg, um kleine Besorgungen zu erledigen oder um im Vorgebirgspark etwas Luft zu schnappen. „Den ganzen Tag im Zelt zu sitzen ist ja nicht so schön“, so Bosbach. Auch zum Spendenlager des Blau-Gelben Kreuzes in Bayenthal oder zur Kleiderkammer des DRK in der Oskar-Jäger-Straße machten sich manche auf den Weg, erzählt sie.

Spielbereiche für Kinder in der Kölner Zeltstadt

Für die Kinder gibt es Spielbereiche in der Zeltstadt. „Da ist immer etwas los. Es sind Kinder. Die spielen viel und freunden sich schnell untereinander an“, lacht Rohde. In der Regel wollen die Geflüchteten bald wieder in ihre Heimat, sagen Bosbach und Rohde. „Manche sind schon wieder zurückgefahren“, teilt Bosbach mit. Trotzdem wollten die Geflüchteten, solange sie hier sind, gerne arbeiten. „Da sind sie wirklich interessiert, fragen, wie man zum Jobcenter kommt. Wir haben auch schon Bewerbungen beim DRK als Vermittler in den Geflüchteten-Einrichtungen erhalten“, schildert Bosbach.

Ganz wichtig sei den Ukrainern der Kontakt zu den Verwandten. „Die Familien sind zerrissen. Der Vater ist nie dabei, oft sind auch die Großeltern noch in der Heimat. Darunter leiden die Geflüchteten, man spürt ihre Traurigkeit und Sorge“, schildert Rohde. Über Videoanrufe und soziale Netzwerke hielten sie den Kontakt. Die angekündigte große Hitze macht ihm keine großen Sorgen. „Es wird natürlich heiß, wie überall. Aber wir hatten schon heiße Tage hier und dank der Klimaanlagen kriegt man das in den Griff. Es ist zum Glück bisher niemand hier zusammengebrochen“, sagt Rohde.

Abbau der Kölner Zeltstadt Ende Juli

Die Zeltstadt wird Ende Juli abgebaut, weil der Platz anderweitig gewerblich vermietet ist. „Wir wissen noch nicht, wo wir hinziehen, das erfahren wir hoffentlich bald“, so Rohde. Er ist zuversichtlich, dass der Betrieb woanders genauso gut funktionieren wird wie am Südstadion.

Infos zur Unterbringungssituation ukrainischer Geflüchteter in Köln

Im städtischen Ankunftszentrum am Breslauer Platz kommen derzeit zwischen 16 und 50 Personen am Tag an. Das Ankunftszentrum wird von der Johanniter-Unfall-Hilfe e. V. betreut. Die Stadt Köln bringt derzeit rund 4.000 ukrainische Geflüchtete unter an 64 Standorten im gesamten Stadtgebiet. (Stand 06.07.2022) Es handelt sich dabei um Leichtbauhallen, Systembauten, Wohncontainer, Beherbergungsbetriebe, Mehrfamilienhäuser und Einzelwohnungen.

2.403 Plätze in Beherbergungsbetrieben sind derzeit angemietet (alle befristet), wobei sich die Zahl zum Monatsende auf etwa 2.000 reduzieren wird. 1.706 dieser Plätze sind belegt. (Stand 06.07.2022). Die ehemalige Volvo-Zentrale in Rodenkirchen und eine Unterkunft in der Stolzestraße in der Innenstadt werden derzeit renoviert, hergerichtet und ausgestattet. Sie können voraussichtlich ab Anfang September belegt werden.

Zudem hat das städtische Amt für Wohnungswesen ein Abkommen mit der GAG getroffen, die befristet Wohnungen zur Verfügung stellt. Es handelt sich um möblierte Wohnungen sowie um Wohnungen, die sich in Gebäuden befinden, die in absehbarer Zeit saniert oder abgerissen werden sollen und deshalb dem Wohnungsmarkt nicht zu Verfügung stehen. In den möblierten Wohnungen sind 41 Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht. Die anderen Wohnungen werden derzeit hergerichtet und sind voraussichtlich im September beziehbar.

Die Stadt hat ihre Aufnahmequote nach dem Flüchtlingsaufnahmegesetz erfüllt und erhält deshalb derzeit keine weiteren Zuweisungen von Geflüchteten vom Land mehr. 

KStA abonnieren