Zu Besuch in der JVA Köln-OssendorfWas ist die Arbeit von Strafgefangenen wert?

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Ein Besuch in der JVA Köln-Ossendorf.

Köln – Das Bundesverfassungsgericht verhandelt am Mittwoch und Donnerstag über die Bezahlung der Arbeit von Strafgefangenen. Was ist Arbeit wert? Ein Besuch in der Kölner JVA.

„Warum stehen Sie morgens auf?“, fragt Stefan Ehrlich und schließt die Antwort gleich an: „Um zur Arbeit zu gehen.“ Der katholische Priester ist Gefängnisseelsorger in der Justizvollzugsanstalt in Köln-Ossendorf und zugleich Chef. Drei Gefangene sind bei ihm in der Kirche der JVA angestellt.

Arbeit hinter Gittern - selbstverständlich ist das nicht. In ganz Nordrhein-Westfalen sind die Haftplätze mit rund 16.000 Gefangenen belegt. 3.346 von ihnen gingen durchschnittlich im vergangenen Jahr innerhalb oder außerhalb der JVA einer Arbeit nach, wie das NRW-Justizministerium erklärt. Dabei wird die Bedeutung von Arbeit - sei es etwa in Wäschereien, handwerklichen Betrieben oder Ausbildungsberufen - nicht zuletzt für die Resozialisierung immer wieder unterstrichen.

In NRW liegt der Mindestsatz bei rund 1,70 Euro

Aktuell befasst sich auch das Bundesverfassungsgericht mit der Arbeit im Gefängnis. Am Mittwoch und Donnerstag verhandelt es darüber, ob Strafgefangene besser entlohnt werden müssen. Bislang erhalten sie je nach Bundesland zwischen einem und drei Euro pro Stunde - in NRW liegt der Mindestsatz bei rund 1,70 Euro. Nun wird geprüft, ob diese geringe Höhe mit der Verfassung vereinbar ist.

Herr Wollner (Name geändert) ist einer von den drei angestellten Strafgefangenen, die bei Ehrlich arbeiten. Auf seiner Arbeitsbescheinigung steht „Küster“ - er bereitet die Kirche etwa für Gottesdienste, Gruppen und Veranstaltungen vor und nach, legt Kerzen bereit und stellt bei Bedarf Taschentücher für Seelsorgegespräche hin. Manchmal ist er selbst erster Gesprächspartner, wenn sein Chef noch in einem Termin steckt.

Als Küster erhält Wollner Lohnstufe III mit Sonderzulagen, sein Arbeitgeber führt einen kleinen Betrag an Kranken- und Arbeitslosenversicherung ab. Für seine 40-Stunden-Woche stehen ihm pro Monat 340 Euro zu. Davon kann er sich im Laden, der zur JVA gehört, Hygiene- und Genussmittel wie Zigaretten und Schokolade kaufen und die Gebühren für den Fernseher auf der Zelle finanzieren.

Nicht alles Geld kommt beim Gefangenen an

Doch nicht das gesamte Geld kommt bei Wollner an. Ein guter Teil geht direkt auf ein Konto mit dem sogenannten Überbrückungsgeld. Jeder Inhaftierte muss sich diese Rücklage bilden, um ein kleines finanzielles Polster für die erste Zeit nach Haftentlassung zu haben. Bei Wollner ist der Betrag auf über 2.600 Euro festgesetzt.

Wie Wollner das gesamte System der Bezahlung im Gefängnis findet? Da bleibt er erst einmal diplomatisch. „Man sagt ja immer, wir arbeiten auch für Kost und Logis“, erklärt er. So argumentiert das Justizministerium ebenfalls: Gefangene in NRW müssen pro Monat für Unterkunft und Verpflegung 464,45 Euro zahlen.

Davon befreit ist, wer einer Arbeit nachgeht. Die „ersparten Haftkosten“ müssten bei einer „Gesamtbetrachtung mitberücksichtigt werden“, so das Ministerium. Die Haftkosten beziehen sich etwa auf Personal- und Gebäudekosten, Verpflegung, medizinische Versorgung und mehr. Pro Tag und Inhaftiertem können das laut Ehrlich je nach Anstalt bis zu 180 Euro sein. „Man bekommt halt nur die Leistung, für die man bezahlt“, deutet Wollner an und will damit sagen, dass er in der JVA nicht mit überdurchschnittlichem Einsatz arbeitet.

In Köln sind viele Menschen in Untersuchungshaft

Doch für ihn lässt sich die aktuelle Debatte nicht an der Vergütung allein festmachen. Dazu ein Beispiel: In Köln-Ossendorf sind auch viele Menschen in Untersuchungshaft. Sie arbeiten in den ersten Monaten oft nicht und haben die Möglichkeit, sich von Familie und Freunden Geld überweisen zu lassen, wobei sie für maximal 210 Euro im Monat einkaufen können. Sobald die Person jedoch offiziell zum Strafgefangenen wird, ist diese Option ausgeschlossen. Wer dann nicht arbeitet, hat schnell ein Problem. „Ohne Geld sitzt man hier und guckt auf die blanke Zellenwand“, resümiert Wollner.

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Die blanke Zellenwand, das ist das Schreckgespenst, von dem sowohl Wollner als auch Seelsorger Ehrlich viel berichten können. Ohne Arbeit sind die Inhaftierten 23 Stunden am Tag auf acht Quadratmetern eingeschlossen. „Wenn sich die Zellentür das erste Mal hinter einem schließt, dann macht das was mit einem“, sagt Wollner. Ehrlich nickt. Alles, was einen aus der Zelle holt und auf andere Gedanken bringt, hilft: „Da sind Sie über jede Arbeit froh.“

„Vertrauen im Gefängnis ist schwierig”

Der Priester spricht über die JVA als einen „Andersort“, in dem der gewohnte Alltag von „draußen“ zusammenbreche. Arbeit gebe Struktur. Die Tätigkeit in der Gefängniskirche hebt sich jedoch von manch anderer ab. Ehrlich bezeichnet sie als „Vertrauensjob“. Nur wenige qualifizieren sich dafür. „Vertrauen im Gefängnis ist schwierig“, sagt der Seelsorger, der seit 17 Jahren ein offenes Ohr für die Inhaftierten hat.

Und doch bleibt der Kirchentrakt der Ort, an dem die Gefangenen zumindest für ein paar Minuten die Gitterstäbe vergessen sollen - unabhängig von der Religionszugehörigkeit. „Das sind alle Kinder Abrahams“, betont Ehrlich. Für Wollner gilt das allemal. Obwohl er schon vor Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten ist, fühlt er sich in der Gefängniskirche deutlich wohler als auf der Zelle. (kna)

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