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Ruppig und gewalttätig?Kölner Familie erwägt Anzeige nach SEK-Einsatz

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Symbolbild

Köln – Ein Einsatz eines Spezialeinsatzkommandos (SEK) der hessischen Polizei in Köln könnte ein juristisches Nachspiel haben. Eine Kölner Familie beklagt einen aus ihrer Sicht zu ruppiges und womöglich gewalttätiges Verhalten der Polizistinnen und Polizisten bei jenem Einsatz Anfang Juli in einem Kölner Mehrfamilienhaus.

Die Familie behalte sich nun vor, Strafanzeige gegen die eingesetzten Beamtinnen und Beamten zu stellen, sagte der Anwalt der Familie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die für den Einsatz zuständige Staatsanwaltschaft in Marburg bestreitet auf Nachfrage die Vorwürfe und verteidigt das Vorgehen der Einsatzkräfte.

Ermittlungen wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung

Ausgangspunkt der Wohnungsdurchsuchung am frühen Morgen des 5. Juli sind Ermittlungen wegen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung im Dezember 2020 in Hessen, wie die Staatsanwaltschaft berichtet. Gegen insgesamt sechs Beschuldigte werde ermittelt, einen davon in Köln. Im Laufe der Ermittlungen habe sich sehr spät der Tatverdacht gegen die Beschuldigten ergeben.

Mehrere Durchsuchungsbeschlüsse für deren Wohnungen und Haftbefehle gegen drei der sechs Verdächtigen seien daher erlassen und an jenem Morgen vollstreckt worden, einer davon in Köln. „Ziel der Durchsuchungsmaßnahmen war die Festnahme der Beschuldigten sowie das Auffinden von Beweismitteln für das Ermittlungsverfahren“, sagt ein Sprecher der Marburger Staatsanwaltschaft.

„Hierbei war es von erheblicher Bedeutung, dass die Durchsuchungen zeitgleich an allen Objekten durchgeführt wurden, da ansonsten der Ermittlungserfolg in erheblichem Maße gefährdet worden wäre.“ Weil die Situation für die Polizei als hochgefährlich eingestuft wurde, hat ein SEK den Einsatz durchgeführt.

Strittiger Einsatz eines SEK in Köln

Was bei dem Zugriff genau geschah, ist offenbar strittig. Die betroffene Familie, die in zwei Wohnungen auf zwei Etagen eines Mehrfamilienhauses lebt, lässt über ihren Anwalt schildern, dass die Einsatzkräfte die Familienangehörigen „brutal niedergerungen und gefesselt“ hätten, darunter den Vater des Beschuldigten. Der 60-Jährige leide an einem unheilbaren Hirntumor und habe nicht mehr lang zu leben. Der Senior sei vollkommen wehrlos, der den Angaben zufolge rabiate Einsatz daher nicht nötig gewesen. Zudem befinde sich die Tante des Beschuldigten wegen der traumatischen Erlebnisse nun in psychiatrischer Behandlung.

Den Verlauf des Einsatzes schildert die zuständige Staatsanwaltschaft aber anders. „Nach den mir vorliegenden Erkenntnissen war im Vorfeld der Maßnahme nicht bekannt, dass der Mann an einer schweren Erkrankung leidet. Er wurde nach den mir zur Verfügung stehenden Informationen nicht gefesselt“, sagte ein Sprecher der Marburger Behörde.

Gesuchter Beschuldigte sitzt in Untersuchungshaft

Erste Überprüfungen hätten ergeben, dass der Vater des Beschuldigten während der Durchsuchung zeitweise für wenige Minuten eingeschlafen sei, im Übrigen aber mitgeteilt habe, dass es ihm gut gehe. Die Einsatzkräfte hätten mitgeteilt, „dass es zu keinen besonderen Vorkommnissen gekommen sei, allen Personen sei es sowohl augenscheinlich, als auch auf Nachfrage gut gegangen“. Ob sich die Tante des Beschuldigten „nunmehr in psychologischer Behandlung befindet, ist mir nicht bekannt“, sagte der Sprecher der Marburger Staatsanwaltschaft.

Der gesuchte Beschuldigte wurde bei dem Einsatz festgenommen. Er sitzt nun in Untersuchungshaft, ebenso wie zwei weitere Beschuldigte, die zeitgleich an anderen Orten festgenommen wurden. Bis Ende der Woche will die betroffene Familie entscheiden, ob sie Strafanzeige stellt.

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