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Zwischen Macht und lächerlicher Männlichkeit

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Porträt „Der neue Reiche“

Porträt „Der neue Reiche“

Ehrenfeld –  Die „Kunstsommer-Ausstellung“ in der Galerie Eyegenart ist auch in diesem Jahr ein Ereignis der bildnerischen Fülle und Vielfalt. So ungezwungen wie Galerist Fritz Böhme in dieser alljährlich in den Sommermonaten stattfindenden Präsentation unterschiedliche künstlerische Medien und Stile, Themen und Bildformate zusammenkommen lässt, besteht kein Zweifel, dass dieses Konzept kategorisch gegen jede konzeptuelle künstlerische Festlegung und Einengung gerichtet ist. Pop-Art-Comic und realistische Malerei, kreativer Witz und gestalterische Dramatik, expressionistische, surreale und abstrakte malerische Spielarten stehen hier nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sollen sich in ihrer unterschiedlichen Welt- und Lebensanschauung wechselseitig beflügeln.

Das beginnt bereits außerhalb der Galerie, von wo der Bildhauer Stefan Maria Jung eine Holzform direkt durch die Fensterscheibe in den Galerieraum hinein wachsen lässt. Die geheimnisvolle Poesie endet allerdings gleich dahinter in der von Georg Schnitzler gemalten Erscheinung eines Mannes mit gelber Badehose, dessen selbstbewusste Männlichkeit ohne Umschweife ins Bild der Lächerlichkeit gerät. Ganz anders setzt der gleiche Künstler in einem anderen Gemälde die Männlichkeit im Motiv eines dicken Bademeisters in Szene. Ein Beitrag zur Geschlechterbetrachtung sind auch die Spray-Arbeiten von Christoph von Woedtke: Variationen zur Gestalt der Domina und die Phantasie einer Frau, die an den Krallen eines Vogels durch die Lüfte schwebt. Wie die Situation aus einem Traum konfrontiert Sebastian Holzhuber in seinen inszenierten Fotografien noch eindringlicher mit menschlich-tierischen Mischwesen. Das sind gefesselte Engel im Kampf zwischen göttlicher Macht und irdischer Banalität und geflügelte Menschen im Gefühl ihrer Hoffnung, ihre beschränkte Existenz hinter sich lassen zu können. Ganz grundsätzlich will wiederum Norberto Luis Romero mit einer Reihe von aufgeschnittenen Köpfen das menschliche Leben als ein seelisches Drama in den Blick bringen, dessen extreme Ausdrucksformen Schizophrenie, Psychose , multiple Persönlichkeit oder Depression sind.

Gleich mehrere Künstler beschäftigen sich mit dem menschlichen Portrait. Carlos Manrique zeigt den „neuen Reichen“ als ein zerstückelt-unkenntliches Gesicht, in dem Monstrosität und Verletztheit nicht voneinander zu unterscheiden sind. Alexandra Kalmar entfaltet im Holzschnitt das Bildnis einer Frau zwischen Ruhe, Melancholie und Selbstverlust. Hans Michael Schenker veranschaulicht durch heftige Farbspritzer den Angriff der Außenwelt auf die Innenwelt des Menschen. Malerin Susebee macht mit aufgewühlten Köpfen die Dynamik sichtbar, mit der sich in Sekundenschnelle Gefühle und Gesichter verändern. Dina Eid macht die Skurrilität menschlichen Verhaltens im Portrait einer nackten Frau sichtbar, die einen abgerissenen Finger wie einen Joint raucht. Und Andrea von Almsick bringt mit einer einfachen Alltagssituation die Bedeutung von Ruhe- und Besinnungspausen zum Ausdruck.

Das gleiche Motiv hat Aryan Mirfendereski im Bild der Wartenden am Bahnhof fotografisch in Szene gesetzt. Dass existentielle Dramatik in der Darstellung mit kräftigen Farben eine beinahe heitere Dimension erhalten kann, demonstriert Ulla Birkner mit einem malerischen Papageien-Duell. Auch Viola Isabella Stäglich zeigt in ihren Zeichnungen von „tanzenden Figuren“ und dem „Tanz der blauen Stunde“ Momente sichtbar, in denen Heiterkeit und Leichtigkeit ins Leben kommen.

Im Gemälde eines blauen Hauses, das Ton Leverts beisteuert, werden all diese unterschiedlichen Facetten des Lebens symbolisch vereint. Denn es handelt sich nicht um irgendein blaues Haus, sondern das, in dem die mexikanische Künstlerin Frida Kahlo viele Jahre lang lebte. Das blaue Haus und Kahlo stehen für eine Lebenshaltung, in der die Erfahrung körperlich-seelischer Dramatik und künstlerischer Ausdruck, die individuelle und die gesellschaftliche Existenz stets als eine Einheit betrachtet wurden. Die Sommerausstellung in der Galerie Eyegenart deutet mit vielen Werken einerseits das Fehlen dieses Bewusstseins unter zeitgenössischen Künstlern an, zeigt andererseits aber auch die Sehnsucht danach. Galerie Eyegenart, Rothehausstraße 14, Di-Fr 17-20 Uhr, bis 5. September

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