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Kölner DomWenn sich Steine nicht vertragen

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Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zeigt am Kölner Dom Schäden am Nordostpfeiler des Nordturms. (Bild: dpa)

Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner zeigt am Kölner Dom Schäden am Nordostpfeiler des Nordturms. (Bild: dpa)

Köln – Das komme in den besten Familien vor, sagt Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner. Dass sich einzelne Familienmitglieder besser, andere weniger gut verstünden - vor allem, wenn sie längere Zeit zusammenlebten. Am Dom ist das möglicherweise ähnlich. Rund 50 verschiedene Gesteinsarten sind an der gotischen Kathedrale verbaut, und nicht alle scheinen sich miteinander zu „vertragen“ - ein Phänomen, das die Denkmalpfleger derzeit besonders beschäftigt und das, wenn es sich bestätigen sollte, gravierende Auswirkungen auf die denkmalpflegerische Arbeit am Dom hätte. In einem aufwändigen Forschungsprojekt soll nun untersucht werden, ob sich tatsächlich verschiedene Materialien negativ beeinflussen und so die Verwitterung des Gesteins beschleunigen.

Ein „Sorgenkind“ am Weltkulturerbe Kölner Dom ist laut Schock-Werner der spät-gotische Nordost-Pfeiler des Nordturms (auf der Bahnhofsseite), der für das Forschungsprojekt bereits eingerüstet ist. Im Mittelalter sei dort vor allem Trachyt vom Drachenfels verbaut worden, beim Weiterbau der Kathedrale im 19. Jahrhundert sowie bei Reparaturarbeiten kam dann aber Obernkirchener Sandstein zum Einsatz - denn am Steinbruch im Siebengebirge durfte seit 1828 nicht mehr geschlagen werden. „Dort, wo Trachyt und Sandstein aneinander stoßen, ist der Trachyt besonders stark beschädigt“, erläutert die Dombaumeisterin. Am Fuße des Pfeilers ist dies mehr als deutlich zu beobachten. Denkbar wäre laut Schock-Werner, dass die unterschiedliche Wasserdurchlässigkeit der aneinander stoßenden Steinarten oder deren unterschiedlicher Ausdehnungsgrad zu der erheblichen Schädigung geführt haben.

280.000 Euro Kosten

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Ob das tatsächlich so ist, soll nun durch das zweijährige Pilotprojekt erforscht werden, das rund 280.000 Euro kostet und von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit 125.000 Euro bezuschusst wird. Darin fließen auch Untersuchungen an den zwei besser erhaltenen Domen in Xanten und Altenberg ein. Wissenschaftlich begleitet wird das Vorhaben vom Geowissenschaftlichen Zentrum der Universität Göttingen und vom Lehrstuhl Werkstoffe des Bauwesens der Technischen Universität Dortmund. Unter anderem wollen die Experten hauchdünne Gesteinsteile vom Dom im Labor analysieren, den Einfluss von Wasser und Wärme untersuchen - und zwar mit modernsten Verfahren, etwa mit Rasterelektronenmikroskopen und Röntgenstrahlen.

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Unter anderem sollen die Untersuchungen auch zeigen, ob denn der Trachyt aus der Nähe von Padua in Italien, den die Dombauhütte als Ersatzmaterial ausgeguckt hat, sich mit dem rheinischen Trachyt verträgt. „Ziel ist es, verlässliche Kriterien für Austausch- und Reparaturmaterialien zu ermitteln“, so Barbara Schock-Werner. „Das Projekt greift ein Problem auf, das bisher in der Denkmalpflege und Bauwerkserhaltung nicht grundsätzlich gelöst werden konnte“, betont DBU-Generalsekretär Fritz Brickwedde. Daher habe es Modellcharakter und besitze „hohe fachübergreifende Relevanz“.

Sollte sich herausstellen, dass der Sandstein tatsächlich für den rapiden Verfall des Trachyts verantwortlich sein sollte, „dann hätte das ungeheure Konsequenzen“. Dann müsste die Dombauhütte nämlich den gesamten Obernkirchener Sandstein entfernen und austauschen - was sehr teuer und langwierig würde. Und der Nordturm ist längst nicht die einzige Stelle am Dom, wo die beiden Gesteinsarten aufeinandertreffen.

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