Kölner HistorieUnser Mann vom Chlodwigplatz

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In St. Gereon, so nimmt man an, huldigten die fränkischen Krieger im Jahre 508 ihren neuen Alleinherrscher. (Bild: Stef)

In St. Gereon, so nimmt man an, huldigten die fränkischen Krieger im Jahre 508 ihren neuen Alleinherrscher. (Bild: Stef)

Innenstadt – Vor der Versammlung der Franken beteuerte der Mann mit dem langen gelockten Haar seine Unschuld: „Euer König Chloderich wurde von einem mir unbekannten Mann erschlagen. All dies ging ohne mein Wissen und ohne meinen Willen vor sich - ich kann nicht das Blut meiner Verwandten vergießen, weil es Sünde wäre.“ Wenn sich die Ripuarier aber seiner Herrschaft unterstellen wollten, so versichere er sie seines treuen Schutzes. Auf diese Worte hin, so berichtet der Chronist Gregor von Tours, erscholl lauter Beifall, die Krieger schlugen ihre Speere gegen die Schilde, hoben den Redner auf einen Schild und huldigten ihm als ihrem neuen König.

Auf den Schild gehoben

Aller Wahrscheinlichkeit nach fand diese Szene im Sommer des Jahres 508 statt - der Ort, wo Chlodwig, der erste König des geeinten Frankenreichs, auf den Schild gehoben wurde, war möglicherweise die Kirche des hl. Gereon vor den Toren Kölns. Die Stadt, die die Römer erst etwa 50 Jahre zuvor aufgegeben hatten, war damals Residenzstadt der Könige der Rheinfranken, jenes Teilstamms, der sich im nördlichen Rheinland niedergelassen hatte. Die Ripuarier erhielten ihren Namen vom Ufer (lat. ripa), ihr erster namentlich bekannter König war Sigibert, der etwa 470 die Herrschaft angetreten hatte. Zur gleichen Zeit regierten weitere Könige über die verschiedenen fränkischen Reiche, die sich nach dem Zusammenbruch der römischen Herrschaft in Gallien gebildet hatten, genannt seien Childerich I. und Ragnachar, die sich die Herrschaft über die salischen Franken teilten.

Chlodwig, um 466 geboren, war der Sohn Childerichs I., der dem Haus der Merowinger entstammte und in Tournai (heute Belgien) residierte. Vermutlich 482 trat Chlodwig die Nachfolge des Vaters an; der Bischof von Reims begrüßte damals den Regierungsantritt des heidnischen Königs in einem Schreiben. Chlodwigs erste Großtat war der im Jahre 486 erfochtene Sieg über Syagrius, den selbst ernannten „König der Römer“, einen Kriegsherrn, der das Gebiet zwischen Loire und Somme als letzte Bastion des Römertums gehalten hatte. Zehn Jahre später besiegte Chlodwig die Alemannen in der legendären Schlacht bei Zülpich - der König, der mit der burgundischen Prinzessin Chrodechilde, einer Christin, verheiratet war, hatte vor dem Waffengang gelobt, zum Christentum überzutreten, falls ihm der Sieg zufalle. Und so ließ er sich dann auch in Reims von Bischof Remigius taufen: Er war der erste Germanenkönig, der nicht zum arianischen Bekenntnis übertrat, sondern zum „rechtgläubigen“ katholischen Christentum. Chlodwigs Taufe gilt als Beginn der Verschmelzung der galloromanischen Bevölkerung mit den Franken.

In der Auseinandersetzung mit den Alemannen hatte der Kölner König Sigibert an der Seite Chlodwigs gekämpft; er hatte in Zülpich eine Verletzung erlitten und trug seitdem den Beinamen „der Hinkende“. Köln war 455 / 56 bei der Einnahme durch die Franken nicht zerstört worden, die römische Mauer war noch intakt, ebenso die konstantinische Brücke nach Deutz.

Heidnische Tempel

Man nimmt an, dass Köln noch immer viele romanische Bewohner zählte, einfache Leute, die es sich nicht hatten leisten können, aus der Stadt zu fliehen. Daneben hatten sich Germanen, vor allem Franken, angesiedelt, Freie, Halbfreie, es gab Christen und die Anhänger heidnischer Kulte; noch im Jahr 520 soll es einen heidnischen Tempel in der Stadt gegeben haben. Die neuen Herren nutzten die repräsentativen Bauten: der Statthalterpalast, das Praetorium, diente als Königshof.

508 war Chlodwig der mächtigste der fränkischen Könige, er hatte die Westgoten aus Gallien vertrieben, vom oströmischen Kaiser war er mit Titeln und Herrschaftszeichen ausgezeichnet worden. In dieser Zeit begann Chlodwig damit, seine königlichen Verwandten aus dem Weg zu räumen - dabei scheute er sich nicht, wie im Fall des Ragnachar von Cambrai, persönlich zur Streitaxt zu greifen. Seinen Vetter Chloderich stiftete er an, die Herrschaft in Köln an sich zu reißen. „Von seiner Herrschsucht verführt, sann Chloderich auf die Ermordung seines Vaters“, schreibt Gregor von Tours. Sigibert wurde dann tatsächlich von gedungenen Mördern umgebracht - und der neue ripuarische König lud Chlodwig ein, sich von den Schätzen des Vaters zu nehmen, „was ihm gefalle“.

Den Schädel gespalten

Chlodwig schickte Boten nach Köln, allerdings mit dem Auftrag, Chloderich bei passender Gelegenheit zu töten. Chloderich ließ sich täuschen, empfing die Abgesandten - „seht“, soll er gesagt haben, „hierin pflegte mein Vater seine Goldmünzen aufzubewahren“. Als er sich über die Kiste beugte, spaltete einer der Männer dem König den Schädel - Chlodwig war durch den Kölner Mord zum Herrscher aller Franken aufgestiegen.

Seit dieser Zeit, so wird berichtet, habe man den alten Namen der Stadt, die zuletzt nur „Agrippina“ oder „civitas Agrippina“ genannt worden war, vergessen - bei den Franken hieß sie schlicht „Colonia“.

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