Kölner KünstlerMarcel Odenbach zeigt seine Schnittvorlagen im Museum Ludwig

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Marcel Odenbach in der Kölner Ausstellung

Marcel Odenbach in der Kölner Ausstellung

Köln – „Ich hatte mit dieser Ehre gar nicht mehr gerechnet“, so Marcel Odenbach, dem jetzt im Alter von immerhin bald 70 Jahren die Ehre widerfuhr, den mit 100.000 Euro dotierten Wolfgang-Hahn-Preis zu erhalten. Dabei liegt die Kombination eigentlich so nah: Kölner Künstler, Kölner Preis, das sollte in der Geburtsstadt des Klüngels doch ein Selbstläufer sein.

Aber der Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für moderne Kunst am Museum Ludwig ist eben anders – und das in mehr als einer Hinsicht. Mit ihm zeichnen die Mitglieder der Gesellschaft laut eigener Satzung einen Künstler aus, dessen Werk in der Sammlung des Museum Ludwig fehlt oder, wie bei Marcel Odenbach der Fall, dort nicht gebührend vertreten ist und schließen diese Lücke durch einen gezielten Ankauf. Gebürtige oder zugezogene Kölner wurden dabei bislang kaum bedacht (der erste war 2015 Michael Krebber), was innerhalb der Gesellschaft offenbar nicht ganz unumstritten ist. „Wir sind zuletzt weite Wege für unsere Preisträger gegangen“, bekannte Mayen Beckmann, Vorsitzende der Gesellschaft, um dann das naheliegende Gute überschwänglich zu preisen: Dass Marcel Odenbach dem Ludwig ausgerechnet seine „Schnittvorlagen“ überlasse, so Beckmann, sei von „nicht zu toppender Großzügigkeit“.

Die „Schnittvorlagen“ sind Marcel Odenbachs wichtigstes Arbeitsmittel

Tatsächlich gibt Odenbach mit den „Schnittvorlagen“ seine wichtigste Arbeitsgrundlage aus der Hand – wenn auch zunächst nur für die Dauer der mit dem Wolfgang-Hahn-Preis verbundenen Ausstellung. Sie bestehen aus aktuell 117 Fotocollagen im DIN-A3-Format, deren Einzelteile Odenbach hauptsächlich aus Zeitungen, Zeitschriften und Büchern kopierte, um sie im Gedächtnis für seine großformatigen Papiercollagen zu behalten. Yilmaz Dziewior, Direktor des beschenkten Museums, hat die „Schnittvorlagen“ mit Gerhard Richters „Atlas“ verglichen, einem Bilderfundus, der vom Münchner Lenbachhaus in den Rang eines monumentalen Ausstellungsstücks erhoben wurde.

Obwohl Odenbach seit rund 20 Jahren diese mitunter wandfüllenden Papiercollagen schafft, gilt er vielen immer noch vor allem als Pionier der Videokunst. Man könnte ihn aber auch einfach einen Montagekünstler nennen, der in seinen bevorzugten Medien, Video und Papier, jeweils mit ausgeklügelten Schnittfolgen arbeitet – die einen entfalten sich in der Zeit, die anderen im Raum. Tritt man etwa nah genug an eine Papiercollage heran, erkennt man, dass deren fotorealistischen Motive aus unzähligen, passend eingefärbten und zugeschnittenen Fotoschnipseln aufgebaut sind – und eine versteckte Bedeutungsebene ergeben. So legt Odenbach in seiner Serie „Deutsches Symbol“ das aus Fotografien von Politikern gebildete Zeichen der Deutschen Bank über die Artikel des Grundgesetzes, während sich unter dem „VW“ des Volkswagen-Konzerns die Fortsetzung der NS-Zeit in der Bundesrepublik abzeichnet.

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Meist sammelt Odenbach seine Motive bereits mit einer Idee für die spätere Verwendung oder zumindest nach lose geordneten Sachthemen wie Kinder, Kino, Blumen oder Köpfe. Als rote Fäden ziehen sich die Auseinandersetzung mit dem Fortleben der NS-Vergangenheit und die deutsche Kolonialzeit durch sein Werk – auch hier gehört er zu den Pionieren seiner Zunft. Grundsätzlich scheint aber alles interessant genug, um in seine „Schnittvorlagen“ einzugehen. Odenbach bilde die Komplexität der Welt nicht nur ab, so Gastjurorin Susanne Pfeiffer, er führe sie in seinen Arbeiten regelrecht als etwas vor, hinter das man nicht zurückkönne.

Da Marcel Odenbach nicht mit sofortiger Wirkung aufhört zu arbeiten und weiter an seinen Papiercollagen schnippelt, bleiben die „Schnittvorlagen“ vorerst sein Besitz und gehen lediglich als Vorlass in die Sammlung des Museum Ludwig ein. Wenn sich Odenbach eines hoffentlich fernen Tages zur Ruhe setzt, darf das Haus frei über sie verfügen. Die Preis-Ausstellung führt den „Atlas“ seines Papierwerks aber schon jetzt in ganzer Fülle vor – der begleitende Katalog dampft die Schnittvorlage aufs immer noch stattliche DIN A4-Format ein.

„Wolfgang-Hahn-Preis 2021: Marcel Odenbach“, Museum Ludwig am Dom, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, bis 20. Februar. Der Katalog kostet 25 Euro.

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