Kölner Oper„Knabe ist arrogant und kaltschnäuzig“

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Tilmann Knabe. (Bild: schwarz)

Tilmann Knabe. (Bild: schwarz)

Köln – Mit scharfer Kritik an Regisseur Tilman Knabe und seiner Kölner Inszenierung der Saint-Saens-Oper „Samson et Dalila“ hat sich das Opernensemble-Mitglied Ulrich Hielscher - er ist Kammersänger der Stadt Köln - in einem Brief an den „Kölner Stadt-Anzeiger“ zu Wort gemeldet. „Es ist“, so heißt es in dem Schreiben, „für mich unerträglich, mit welcher Arroganz und Kaltschnäuzigkeit Herr Knabe die Probleme herunterspielt, die durch seine kompromisslose Arbeitsweise entstanden sind und wie er über psychische Auswirkungen bei Kollegen, über Krankheiten und Befindlichkeiten (etwa wegen eigener Kriegserfahrungen) hinwegredet und sogar noch von Heuchelei spricht.“

Hielscher gehört zu den Solisten, die ihre Mitwirkung an der Produktion abgesagt haben. Er hätte - in der Rolle des alten Hebräers - in einer „Vergewaltigungsszene mit einer Kollegin“ mitspielen sollen, was „ich aus meinem künstlerischen und ethischen Gewissen heraus nicht verantworten kann“. So etwas sei noch nie von ihm verlangt worden.

Hielscher wendet sich zumal gegen Behauptungen, die Knabe im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Ausgabe vom 24. April) aufgestellt hat. Zumindest bei den Solisten sei im Konzeptionsgespräch „weder von Vergewaltigungen, Massenerschießungen und Gewaltexzessen gesprochen worden noch davon, dass einzelne Solisten Vergewaltigungen auf der Bühne darzustellen hätten.“

Falsch sei auch Knabes These, derlei Dinge gehörten zum Opernalltag. Er selbst habe so etwas in seiner Karriere noch nicht erlebt. Auf Empörung stoßen auch die Äußerungen des Regisseurs zum deutschen Subventionstheater: „Leider sind solche Exzesse und neurotischen Regiearbeiten nur an den subventionierten Theatern in Deutschland möglich, die einem Regisseur wie Herrn Knabe erst die Existenzgrundlage bieten.“ Hielschers Replik auf Knabes Ansinnen, bei schlimmen Stellen „die Augen zuzumachen“: „Kann man gegenüber einem zahlenden Publikum respektloser daherreden?“

Peter F. Raddatz, Geschäftsführender Intendant der Kölner Bühnen, reagierte gestern zurückhaltend auf Hielschers Kritik: All das sei diskutiert worden, „aber die Diskussion ist jetzt abgeschlossen.“ Die Vorwürfe an die Regie seien „übertrieben“, die Gewaltszenen würden von Statisten bestritten, und generell werde „alles nur angedeutet“. Hielscher habe sich lediglich „die Hose einen Knopf weit aufmachen müssen“. Insgesamt verletze die Produktion nicht die Sitten, und es gebe eigentlich keinen Grund, auszusteigen.

Rolf Bolwin, Geschäftsführender Direktor des in Köln ansässigen Deutschen Bühnenvereins, hält es grundsätzlich für misslich, über einen Produktion zu diskutieren, die noch nicht öffentlich zu sehen ist, stärkt aber tendenziell ebenfalls dem Regisseur den Rücken: „Extreme Gewalt kommt vor in unserer Welt, ein Theaterregisseur muss das Recht haben, sie zum Thema zu machen und dem Publikum die Auseinandersetzung ermöglichen.“ Wer das nicht wolle, der müsse auch das Fernsehen ausschalten.

Die Reaktion von Teilen des Chores hält er allerdings - aufgrund der angegebenen individuellen Betroffenheiten - für „verständlich“; die Krankgemeldeten würden halt ersetzt, und dieser Vorgang sei völlig in Ordnung. Juristisch sei der Konflikt indes nicht zu lösen, auch nicht durch Anweisungen, sondern nur durch „Überzeugungsarbeit“.

Mittlerweile ist auch die Kölner Bezirksregierung mit der aktuellen Opernproduktion befasst. Dabei geht es in erster Linie um die Frage, inwieweit den vorgesehenen Kinder-Statisten die Mitwirkung zu erlauben sei. Diese Mitwirkung, sagte Regierungspräsident Hans Peter Lindlar gestern, könne nur gestattet werden, wenn die Eltern schriftlich eingewilligt hätten, die Kinder bei den Proben und den Aufführungen betreut würden und ein ausführliches Unbedenklichkeits-Gutachten eines Medienpädagogen vorliege. Bislang seien keine Verstöße gegen diese Auflagen festgestellt worden.

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