Kriegsbilder als Fälschung entlarvt

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Straßenkampf in der Kölner Innenstadt: Am 6. März 1945 schießen Wehrmachtssoldaten in der Komödienstraße einen amerikanischen Panzer ab.

Straßenkampf in der Kölner Innenstadt: Am 6. März 1945 schießen Wehrmachtssoldaten in der Komödienstraße einen amerikanischen Panzer ab.

Die Bilder des Panzergefechts haben sich tief ins Gedächtnis gebrannt. Ein neuer Film liefert jedoch überraschende Erkenntnisse über den Einmarsch der US-Truppen 1945 in Köln. Hermann Rheindorf entlarvte die Aufnahmen als Fälschung. Sehen Sie den Politikwissenschaftler und Journalisten im Gespräch mit ksta.tv.Bestellen Sie hier die DVD „Köln 1945 - Nahaufnahmen”

Hier nochmals der Bericht im Kölner Stadt-Anzeiger vom 11.April 2008.

Die Bilder zeigen einen deutschen Panzer vor dem Dom. Der „Panther 5“ steht unter Beschuss. Zwei Männer klettern aus der Luke, flüchten um die nächste Hausecke, der Panzer geht in Flammen auf. Es ist der 6. März 1945, früher Nachmittag. Die Aufnahmen zeigen eines der bekanntesten Panzergefechte des Zweiten Weltkriegs. Sie prägen bis heute das Bild von der Einnahme Kölns durch die Amerikaner und gelten als authentisches Stück Kriegsgeschichte. „Die Bilder sind von bestechender Überzeugungskraft“, sagt der Journalist und Politikwissenschaftler Hermann Rheindorf. „Aber sie zeigen nicht die Wahrheit.“

Die historischen Aufnahmen seien nichts anderes als ein großes Täuschungsmanöver; die Amerikaner hätten die Szene mit eigenen Soldaten zu Propagandazwecken nachgestellt. Zu diesem Schluss kommt der 42-jährige Filmemacher nach zweijähriger intensiver Recherche. Die neuen Erkenntnisse zum Panzer-kampf am Dom sind nur ein Teil der zweistündigen Dokumentation „Köln 1945 - Nahaufnahmen“, die als DVD im Handel erhältlich ist.

Soldaten äußerten sich erstmals öffentlich

Im Zuge seiner Nachforschungen hat Rheindorf deutsche und amerikanische Soldaten aufgespürt, die an den Kämpfen in der Kölner Innenstadt beteiligt waren und die sich erstmals öffentlich äußern. Er hat unzählige Berichte, Protokolle und andere bislang unbekannte Dokumente gesichtet, die vorhandenen Kriegsbilder „im hochauflösenden HD-Verfahren abtasten lassen“. Herausgekommen ist eine umfassende, teils beinahe minutiöse Darstellung des Einmarschs der US-Armee in Köln, die erstmals auch das Schicksal der deutschen Soldaten in den Blick nimmt. „In der Nahaufnahme verwischen die Grenzen zwischen Sieg und Niederlage, Recht und Unrecht, Lüge, Legende und Wahrheit“, sagt Rheindorf.

Zurück zum Duell am Dom.

James Bates war einer der beiden US-Kameramänner, die den Vormarsch der „Third Armored Division“ Richtung Kathedrale begleiteten. Obwohl die Bilder von den flüchtenden Panzerinsassen die Vermutung nahe legten, dass die Männer den Angriff überlebt hatten, behauptete Bates bis zu seinem Tod 1998: Alle Soldaten seien gestorben. Rheindorf beweist das Gegenteil: Die beiden Panzerinsassen haben überlebt, sind nach Hause zurück gekehrt. Er stößt bei seinen Recherchen auf deren Namen, macht ihre Familien ausfindig - und hört von den Angehörigen der inzwischen Verstorbenen eine überraschende Version der dramatischen Ereignisse in der Marzellenstraße. Die Deutschen seien „gelinkt“ worden, erzählt die Tochter eines der beiden Soldaten: Die Amerikaner hätten mit einem gekaperten deutschen Panzer angegriffen und damit die Wehrmachtssoldaten irritiert. Eine Taktik, mit der die Amerikaner laut Rheindorf erwiesenermaßen auch in Düsseldorf und Aachen den Gegner überlisteten. Klar, dass auf den Bildern der US-Kameraleute davon nichts zu sehen ist.

Rheindorf liefert weitere Indizien

Und Rheindorf liefert weitere Indizien, dass die Aufnahmen nicht den tatsächlichen Ablauf der Ereignisse wiedergeben. Dem ehemaligen Chef der Fotostelle der Kölner Kripo, Klaus Schiebel, fiel ein ungewöhnliches Detail auf: Auf den Bildern des zweiten Kameramanns vom Drama am Dom ist ein Gewirr von Oberleitungsdrähten zu sehen - auf denen von Bates nicht. Die Vermutung: Die Szenen wurden einen Tag später, nach Beseitigung der zum Teil heruntergerissenen Leitungen, nachgestellt. Konfrontiert mit Rheindorfs Recherchen nannte Roger Smither, Fotoexperte vom Londoner „Imperial War Museum“, das bislang als authentisch angesehene Material „zweifelhaft“.

Der Hintergrund des Täuschungsmanövers ist für Rheindorf klar: Die Amerikaner wollten die Einnahme Kölns in der Heimat als triumphalen „Spaziergang“ verkaufen - was sie keineswegs war. Die amerikanischen Panzer waren den deutschen unterlegen, die deutschen Truppen leisteten erheblichen Widerstand. Der Filmemacher widerlegt auch die bisherigen Aussagen, die US-Soldaten hätten am 6. März um 17 Uhr am Reinufer gestanden, die Kämpfe seien zu diesem Zeitpunkt beendet gewesen. Rheindorf stellt allerdings klar: Das Propaganda-Interesse war auf amerikanischer und deutscher Seite gleich groß.

Um die Fragwürdigkeit der bisherigen Deutungen der Ereignisse in Köln zu belegen, zitiert Rheindorf aus einem vertraulichen Brief des am Dom kommandierenden US-Offiziers: „Was Sie und der Rest der Welt nicht wissen: Köln ist meine bitterste Erinnerung des gesamten Krieges. Ich habe niemals darüber gesprochen. Wenn ich dies tun würde, käme ich vor ein Kriegsgericht.“

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