Kult-EinkaufsmeileDie Ehrenstraße verliert ihre Seele

Lesezeit 3 Minuten
Neben dem Porzellangeschäft steht das verlassene Ladenlokal der Puppenklinik. (Bild: Worring)

Neben dem Porzellangeschäft steht das verlassene Ladenlokal der Puppenklinik. (Bild: Worring)

Friesenviertel – Nach dem Weggang der „Puppenklinik“ verschwindet ein weiteres inhabergeführtes Geschäft von der Ehrenstraße. Ende Oktober schließt Rita Rochlus nach 36 Jahren ihr Modegeschäft. Übrig bleiben ein paar wenige der Alteingesessenen wie die vor 135 Jahren gegründete und nun in fünfter Generation von Markus und Andreas Zimmermann betriebene gleichnamige Bäckerei; die seit mehr als 75 Jahren existierende Parfümerie von Peter Möltgen; Wingenfeld, das älteste Käsehaus Kölns; das seit mehr als 35 Jahren von Evelyn Priester geführte Mode- und Schmuckgeschäft „Zingara“; die seit 1978 bestehende Filiale von „2001“, das Geschäft „La Porcelaine Blanche“ - 30 Jahre am Platz.

Rita Rochlus hätte gerne ein paar Jahre weitergemacht. „Aber der Hauseigentümer hat mich gar nicht erst gefragt, ob ich nach Ablauf des Mietvertrages verlängern will.“ Das Ladenlokal habe Ausbaupotenzial, deswegen gehe sie davon aus, dass das Geschäft erst vergrößert und dann „wahrscheinlich an eine Kette vermietet“ wird. Für einen kleinen Einzelhändler sei es dann ohnehin unerschwinglich.

Rochlus ist kein Typ, der Enttäuschung oder gar Verbitterung nach außen trägt. Aber „komisch zumute“ sei ihr schon bei dem Gedanken, nach mehr als 50 Jahren in diesem Beruf abzutreten. Bevor die Einzelhandelskauffrau ihr eigenes Geschäft eröffnete, hatte sie nämlich bereits als Angestellte in einer Boutique auf der Ehrenstraße gearbeitet.

Alles zum Thema Ehrenstraße

Geschäftsleute werden zum Opfer des eigenen Erfolges

„Als ich hier anfing, war es so ruhig, dass man abends, wenn man die Fenster dekorierte, fast Angst haben konnte.“ In den folgenden Jahren habe sich die Ehrenstraße zu einer „schön gemischten Straße“ entwickelt, betont die Geschäftsfrau und erinnert an „Juwelier König, mehrere Metzgereien, einen Blumenladen, Betten- und Porzellangeschäfte, Esoterikladen, Künstlerbedarf und das Broadway-Kino“. Der Reiz habe in der Vielfalt bestanden. „Nachdem wir die Ehrenstraße interessant gemacht hatten, wollten plötzlich auch die Filialisten hier rein, und die Hauseigentümer witterten das große Geschäft. Seitdem sich mit „Cos“, „Zara“, „Esprit“, „H & M“, „Sisley“ und den großen Jeansmarken ein Global-Player nach dem anderen angesiedelt habe, unterscheide sich das Pflaster kaum von anderen Großstädten. „Das besondere Flair ist weg. Man hört das auch schon von Kunden.“

Natalie Berg, ihre langjährige Angestellte, will die bisherige „Linie“ in einem eigenen Modegeschäft auf der Pfeilstraße neben dem „Spitz“ fortsetzen, wo „die Mieten noch erschwinglicher“ seien“. Sie werde ihrer Nachfolgerin ein wenig Starthilfe geben und sich dann zurückziehen, sagt Rochlus.

Traurige Dunkelheit vor Weihnachten

Wenn sie von „Linie“ spricht, meint sie nicht primär Labels, sondern persönliche Ansprache. „Ich bin überzeugt, dass Kunden bedient werden wollen und nicht in Läden möchten, wo keiner mit ihnen spricht.“ In der Vorweihnachtszeit lasse sich das Klima in der Straße am besten ablesen, meint Rochlus. „Früher haben wir die Beleuchtung gemeinsam bezahlt“, berichtet sie und verweist unter anderem auf Peter Möltgen. „Bei den Großen fühlt sich niemand zuständig. Seither ist es dunkel. Schrecklich.“

Kommunikativen Stillstand beklagt auch Joyce Merlet, die „überglücklich“ ist, im Farina-Komplex in der Straße Unter Goldschmied eine neue Heimat für ihre Puppenklinik und das „Museum der Puppengeschichte“ gefunden zu haben. „Ich habe mich in der Ehrenstraße nicht mehr zu Hause gefühlt. Da fehlt die Seele.“ Außerdem sei die Miete sehr hoch gewesen. Mehr als 6.000 Euro für 210 Quadratmeter auf vier Etagen verteilt. „Jetzt habe ich 23 Meter Schaufensterfront und spare 40.000 Euro im Jahr“, sagt die Frau, die 33 Jahre schräg gegenüber von Rita Rochlus zu Hause war. „Es gibt da nur noch ein paar, die zusammenhalten“, sagt Merlet. „Die anderen grüßen nicht mal.“

Ganz so negativ beurteilt Concetta Robert die Situation nicht. „Es wäre schade, wenn jetzt nur noch Telefonläden kämen“, meint die Inhaberin des Geschäfts für weißes Porzellan. „Ich hoffe, dass sich hier künftig nicht nur Ketten ansiedeln.“

KStA abonnieren