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Für Köln-NostalgikerDas perfekte Auge von Werner Mantz

Lesezeit 4 Minuten
Ein von Mantz fotografiertes Café bei Nacht, Aufschrift: Café Wien am Ring, 1929.

Das von Mantz fotografierte Café Wien am Ring, 1929

Werner Mantz zählt zweifellos zu den großen Fotografen, die in Köln zwischen den beiden Weltkriegen gewirkt haben. Eine Restrospektive hat es bedauerlicherweise noch nicht gegeben. Bis jetzt.

Zu den großen Fotografen, die in Köln zwischen den beiden Weltkriegen gewirkt haben, gehören zweifelsohne August Sander, Hugo und sein Sohn Karl Hugo Schmölz sowie Werner Mantz. Gerade von Letzterem werden die beeindruckenden und präzisen Fotografien von einzelnen Villen und ganzen Siedlungsneubauten wie die der GAG in Riehl, Bickendorf, Höhenberg und Buchforst immer wieder in Ausstellungen gezeigt, doch eine Retrospektive mit seinem Gesamtwerk hat es bedauerlicherweise noch nicht gegeben. Zumindest bislang.

Das Bonnefantenmuseum im niederländischen Maastricht, nur eine gute Autostunde von Köln entfernt, hat dieses Versäumnis als solches erkannt und holt es – fast 40 Jahre nach dem Tod des Fotografen - glücklicherweise nach. Bereits der Titel der großangelegten Schau will gar nicht erst zu viel Bescheidenheit aufkommen lassen: „The Perfect Eye“.

Das gesamte Werk des Kölners Fotografen in einer Ausstellung

Die Ausstellung sowie der großartig produzierte und gestaltete Katalog zeigen einen Querschnitt durch das umfangreiche Œuvre des 1901 in Köln geborenen Mantz’, der wohl wie kein zweiter für die Architektur des Neuen Bauens steht. Die Architekturfotografie nimmt entsprechend in der Ausstellung auch den Löwenanteil ein, aber eben nicht den kompletten. Frühe Landschaftsaufnahmen und Fotos vom Rheinhochwasser 1920 machen den Beginn, aber auch beeindruckende Porträts von Künstlern und Architekten wie Anton Räderscheidt und Wilhelm Riphahn sowie von anonymen Kindern, Frauen und Männern sind zu sehen und zeigen Facetten in seinem Werk, die wenig bekannt sind.

Die Fähigkeit, sich nicht nur leblosen Gegenständen, sondern eben auch dem Menschen zu widmen, sollte ihm in seinem Berufsleben sehr nützlich sein. Denn Werner Mantz eröffnete bereits 1932 neben seinem bereits existierenden „Atelier für Lichtbilder“ auf dem Kölner Hohenstaufenring ein zweites Studio in Maastricht. Anlass für diese Entscheidung war zum einen eine stagnierende wirtschaftliche Lage (viele seiner Architekturauftraggeber waren Juden und bekamen immer weniger Aufträge), aber natürlich auch seine eigene jüdische Herkunft sowie seine Affinität zu den Niederlanden.

Werner Mantz konnte auch Porträts

Nach den Novemberpogromen 1938 entschied sich Mantz schließlich dafür, sein Kölner Studio aufzugeben und ganz nach Maastricht zu ziehen. Dort gab es zunächst kaum Architekturaufträge, doch als er eher durch Zufall die Tochter eines Architekten fotografieren solle, sprach sich sein Können auch in diesem Bereich schnell herum und plötzlich wurde in Maastricht aus dem Architektur- ein Kinderfotograf. Die Technik half ihm dabei, denn die Porträts fertigte Mantz mit der neuen zweiäugigen Rolleiflex 6x6 an, einer Mittelformatkamera, bei der das Sucherbild während der Aufnahme sichtbar blieb. So wusste er sofort, ob die Aufnahme gelungen war, was wichtig war, weil er „spontane, lebendige, freche, wilde Sprösslinge“ porträtieren wollte – was in etwa das komplette Gegenteil der ruhigen, langsamen, statischen und sehr geplanten Architekturfotografie ist.

Die Porträts machen in dem Buch und in der Ausstellung dennoch nur einen kleinen Teil aus. Es sind weiterhin Mantz’ Innen- und Außenaufnahmen von Gebäuden, aber auch aus Fabriken sowie Stillleben, die sein Werk dominieren. Zu Recht, denn darin war er ein Meister und hat den Bildern oft auch seine eigene Handschrift aufgedrückt. Für Kölner gibt es zahlreiche Neu- und Wiederentdeckungen zu machen, wie beispielsweise von den bereits erwähnten GAG-Siedlungen, aber auch von der Uniklinik Köln mit ihren Operations- und Vorlesungssälen mit riesigen Fensterfassaden, damit ausreichend Licht hinein gelangen konnte. Oder die Großstadt-Serie mit zahlreichen Cafés, Bars, Kinos sowie von der Warenhauskette Tietz, die man heute noch als Kaufhof kennt.

„The Perfect Eye“ auch für Historiker interessant

Eindrucksvoll sind auch seine Aufnahmen von der Pressa, der großen internationalen und fünf Monate dauernden Presse-Ausstellung 1928 mit fünf Millionen Besuchern. Für den Bau der Pavillons wurden namhafte Architekten ausgesucht und die Pressa stellte den Startschuss für die Kölner Messe insgesamt dar – und ist gerade deshalb aus heutiger Sicht nicht nur spannend, sondern auch wichtig. Dem war sich Mantz übrigens durchaus bewusst, denn obwohl er als Auftragsfotograf unterwegs war, bemerkte er in einem Interview mit Wilhelm Schürmann: „Von Anfang an war mir die Fotografie als historisches Dokument wichtig. Schon damals war ich mehr an der zeitgeschichtlichen Aussage eines Bildes interessiert als an seinem ästhetischen Wert.“ Aus diesem Grund werden an „Werner Mantz: The Perfect Eye“ nicht nur Fotografie-Fans, sondern auch Historiker und Köln-Nostalgiker ihre große Freude haben.

Die Retrospektive „Werner Mantz: The Perfect Eye“ ist noch bis zum 26. Februar 2023 im Bonnefantenmuseum Masstricht zu sehen. Der Katalog zur Ausstellung ist im Hannibal Verlag erschienen. Er hat 320 Seiten und kostet 55 Euro.

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